Patienten aus der Sexarbeit richtig behandeln: Tipps für Ärzte Logo of esanum https://www.esanum.de

Sexarbeit: Was niedergelassene Ärzte wissen sollten

Was wollen Prostituierte von ihrer gynäkologischen Praxis? Was müsste die Hausärztin von der Sexarbeiterin wissen? Und wie kann die therapeutische Einrichtung signalisieren, dass Menschen aus der Sexarbeit willkommen sind?

Frauen kommen nur schwer an PrEP

Bei der Abschluss-Session "Sexarbeit und niedergelassene ärztliche Versorgung" sprach die Kölner Sexarbeiterin und Trans-Aktivistin Sarah Blume über die Schwierigkeiten, als nicht-schwule Person an die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) zu kommen. Die PrEP sei zwar bei Männern, die Sex mit Männern haben, gut bekannt. Aber für Frauen, ob trans oder cis, gehöre viel Glück dazu, eine motivierte Hausarztpraxis zu finden, die sich mit der PrEP auskennt. "Ansonsten bleibt nur der Weg in eine HIV-Schwerpunktpraxis", beschrieb Blume ihre eigene Suche nach entsprechender Versorgung. Ihrer Auffassung nach ist die PrEP eine wichtige Säule in der HIV-Prävention. Denn auch wenn Kondome in der Sexarbeit gesetzliche Pflicht seien: "Die Dinger können auch schon mal reißen. Da bietet die PrEP deutlich größere Sicherheit." Damit die PrEP ärztlich verschrieben werden kann, müsse sie sich als Patientin aber – leitlinienkonform – als "Person mit substanziellem Risiko", also häufigem oder risikoreichem Sex, zu erkennen geben. "Das fällt nicht allen leicht."

Kenntnis von Sexarbeit wichtig für gynäkologische Behandlung

Wunderlich, die in eigener Praxis in Wiesbaden gynäkologische Versorgung anbietet, kennt die Probleme von Menschen aus der Sexarbeit. "Allzu oft wissen wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gar nicht, wenn unsere Patientinnen der Sexarbeit nachgehen. Dabei wäre das für Diagnostik und Therapie oft relevant. Zum Beispiel, wenn im Privaten ein Kinderwunsch besteht, eine Schwangerschaft im Beruflichen aber sicher verhütet werden soll." Manche Praxen verließen sich zu sehr auf die Versorgung in den Gesundheitsämtern.

Sexarbeiter befürchten Stigmatisierung in der Arztpraxis

Wunderlichs Ko-Moderatorin Deborah Hacke aus Berlin weiß, woher das fatale Schweigen kommt: "Vorurteile und Stigmatisierungserfahrungen verhindern, dass Sexarbeitende sich als solche bei ihren Ärztinnen und Ärzten outen." Zu viele Patient:innen fürchteten, in der Praxis für ihr sexuelles Leben moralisch abgewertet zu werden. Oder auch voyeuristisch ausgehorcht zu werden. Hacke, die das Projekt "Roter Stöckelschuh" leitet, kennt zahlreiche Berichte, nach denen sich Ärztinnen und Ärzte, aber auch anderes Praxis-Personal, despektierlich über Prostitution und weitere Bereiche der Sexarbeit äußerten.

Stöckelschuh-Aufkleber signalisiert Offenheit für das ThemSexarbeit

Glücklicherweise gebe es aber auch Praxen, die bewusst und reflektiert mit dem Thema Sexarbeit umgehen: "Für solche Einrichtungen ist Rote Stöckelschuh gedacht." Das gleichnamige Projekt entstand, so schilderte es Hacke, aus der Kooperation einer Hamburger Frauenärztin mit dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. Es besteht aus Bildungsveranstaltungen, einer Datenbank und einem Aufkleber. "In die Datenbank können sich Praxen eintragen, die offen für das Thema Sexarbeit sind. Solche Praxen können dann auch mit dem Stöckelschuh-Aufkleber in ihren Räumen signalisieren: Sexarbeitende sind hier willkommen." Für Menschen aus der Sexarbeit seien die Datenbank und der Aufkleber wichtige Hilfen bei der Suche nach ärztlicher Versorgung.

Sexarbeit kann auch an die Psyche gehen

Wobei gesundheitliche Versorgung für Menschen aus der Sexarbeit nicht nur bei somatischen Erkrankungen wichtig ist. "In der Stöckelschuh-Datenbank sind auch psychotherapeutische Praxen gelistet", schilderte Nadja Zillken von der Prostituierten-Beratungsstelle Hydra in Berlin einen weiteren Bedarf. Gemeinsam mit Hacke bietet Zillken Fortbildungen für ärztliches und therapeutisches Personal. "Prostitutionsgegnerinnen und -gegner halten Sexarbeit oft schon für an sich traumatisierend." Eine solche Haltung verhindere jedoch, die tatsächlichen Bedarfe zu erkennen. "Mit unserem Angebot der akuten Traumahilfe können wir Sexarbeitende kurzfristig auffangen, ohne sie abzuwerten", sagte die Hydra-Vertreterin.

Im Ergebnis waren sich die Fachleute einig: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte könnten Menschen aus der Sexarbeit besser versorgen. Vorausgesetzt, das gegenseitige Vertrauen stimmt. Und das offene Sprechen über Sexualität, ob bezahlt oder nicht bezahlt, ist möglich. "Die gesundheitliche Versorgung für Menschen aus der Sexarbeit kann nicht allein vom Öffentlichen Gesundheitsdienst gestemmt werden", sagte Organisatorin Steffan. "Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte können zumindest mehr Offenheit für das Thema Sexarbeit erkennen lassen."