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COVID-19 steigert Diabetes-Risiko - aber warum genau?

Aktuelle Studien bestätigen einen Zusammenhang zwischen COVID-19-Infektionen und einer höheren Inzidenz von Diabetes mellitus Typ 2. Welche Pathomechanismen sind bisher bekannt?

SARS-CoV-2-Infektionen und Diabetes – Die Fakten

Anstieg der Diabetes-Neudiagnosen nach COVID-19

Die zugrundeliegenden Daten der aktuellen Beobachtungsstudie stammten aus einer großen Datenbank und bildeten den Zeitraum zwischen März 2020 und Januar 2021 ab – den bisherigen Gipfel der Coronapandemie. Als Kontrollgruppe dienten Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen, die nicht auf COVID-19 zurückzuführen waren. Für diese Patienten war davon auszugehen, dass sie im fraglichen Pandemiezeitraum einen ähnlichen Zugang zum Gesundheitswesen hatten wie die COVID-19-Patienten. Die Frage, die es zu beantworten galt: Bei welchen Patienten kam es im Verlauf eines Jahres zu einer Diabetes-Diagnose?

Im Ergebnis zeigte sich, dass 15,8 COVID-19-Patienten auf 1.000 Personen pro Jahr einen Typ-2-Diabetes entwickelten. Bei den Menschen mit anderen Atemwegserkrankungen (Kontrolle) waren es hingegen 12,3 Fälle pro 1.000 Personen und Jahr. Somit lag die Diabetes-Rate mit COVID-19 rund 28% über jener der Kontrollgruppe.1

Internationale Studien bestätigen einen möglichen Zusammenhang

Eine weitere Studie mit mehr als 181.000 US-Veteranen2 in einem Durchschnittsalter von 61 Jahren fand ebenfalls Zusammenhänge zwischen einer durchgemachten COVID-19-Infektion und dem Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 2 (HR: 1,4). Nach Reinfektion mit SARS-CoV-2 könnte dieses Risiko sogar noch weiter auf rund 70% (HR: 1,7) steigen.

Darüber hinaus interessant war, dass das Diabetes-Risiko kurz nach einer COVID-19-Infektion am höchsten (HR: 1,81 bis zur 4. Woche) zu sein schien. Es nahm anschließend kontinuierlich ab (HR: 1,07 bis zur 52. Woche), je weiter die Infektion zurücklag.3

Keine Inzidenzzunahme bei Typ-1-Diabetes nach COVID-19-Infektion

Vom Typ 1-Diabetes war bislang bekannt, dass es hier stets eine Art "Sommerloch" in den epidemiologischen Daten gab. Dies bedeutete, dass typischerweise die Mehrzahl der T1D-Neudiagnosen in den Herbst- und Wintermonaten erfolgten und weniger im Sommer.

In der Coronavirus-Pandemie glichen sich die Inzidenzen des T1D jedoch über das jeweilige Jahr hinweg an. Plötzlich lag die Inzidenz auch im Sommer um etwa 44–65% höher als in den Vor-Pandemie-Jahren.4

Sind die Kausalitäten bisher noch ungeklärt, so ist dennoch bereits eine höhere Prävalenz diabetischer Ketoazidosen5 bei den T1D-Diagnosen festzustellen. Eine mögliche Ursache für diese Beobachtung war sehr wahrscheinlich die verzögerte Erstdiagnose des T1D aufgrund von Angst vor Infektion sowie durch fehlende Arztkontakte im Lockdown.

Mögliche Pathomechanismen für COVID-19-bedingten Diabetes

Ebenso wurde die Impfung gegen SARS-CoV-2 vielfach in den Medien, aber auch in Fachkreisen, als Risikofaktor für den Diabetes mellitus diskutiert. Dies ist sehr wahrscheinlich trotz der induzierten Immunreaktionen nicht der Fall. In Veröffentlichung befindliche Daten einer weiteren Beobachtungsstudie legten dies aktuell nahe.6
 

Quellen:
  1. Rathmann W et al., Diabetologia 2022; 65: 949–954
  2. Bowe B et al., Nat Med 2022; 28: 2398–2405
  3. Rezel-Potts E et al., PLoS Med 2022; 19: e1004052
  4. Van den Boom et al., Diabetes Res Clin Pract 2022; 193: 110146
  5. Birkebaek NH et al., Lancet Diabetes Endocrinol 2022; 10: 786–794
  6. Kowall B et al., 2022 (unpublished; under revision)

Veranstaltung: Rathmann W: COVID-19 und Diabetesinzidenz. Symposium "Long Covid, Gefäße und Diabetes". Diabetes Herbsttagung, 25.11.2022, Wiesbaden