Die kritische Analyse beispielsweise des AOK-Bundesverbandes zeigt, dass sich Anliegen der Ärzteschaft – die Steigerung der Qualität – zumindest in Teilen mit denen der Kassen decken können. So wird laut Dr. Jürgen Malzahn vom AOK-Bundesverband die Festlegung von Mindestvorhaltezahlen bei der Zuweisung von Leistungsgruppen dazu führen, dass seltene Leistungen nicht mehr vorkommen, in den großen Leistungsbereichen aber kaum Qualitätsverbesserungen erwartet werden können, eher jedoch Effizienzsteigerungen.
Auch die begrenzenden Regelungen für die Onkochirurgie hält Malzahn für nicht zielführend. Besser wäre es gewesen, die gut untersuchten Effekte auf Mortalität und Morbidität durch eine Zertifizierung nach den Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft als Vorbild zu nutzen.
Als geradezu "missglückt" wird der politische Versuch angesehen, die Qualitätsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses hinsichtlich der Weiterentwicklung der Leistungsgruppen durch eine politische Lösung zu ersetzen: durch gemeinsame Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums und der Länder-Gesundheitsminister mit einer "sehr schwachen wissenschaftlichen Beteiligung"; diese Empfehlung ist dann Grundlage der rechtsverbindlichen Entscheidung über Qualitätskriterien durch die Länder. Nicht nur Kassen befürchten, dass hier wieder politische Opportunitäten den Ausschlag geben.
Ähnliches gelte für Ausnahmen der Anwendung von Vorgaben für die Zuweisung von Leistungsgruppen. Flexibilität zur Sicherstellung der Versorgung in der Fläche sei notwendig – Ausnahmeregelungen für Qualitätskriterien müssten aber quantitativ begrenzt werden und zumindest durch Vorgabe einer Mindestqualität abgesichert sein. Dabei sei ein laufendes Monitoring der Reformpraxis und ihrer Auswirkungen notwendig statt einer "Evaluation am St. Nimmerleinstag".
Trotz Thematisierung durch die Ärzteschaft seien die Auswirkungen auf die medizinische Weiterbildung in der Klinikreform bislang ausgeblendet worden. Die Kassen anerkennen, dasas die Weiterbildung für ein qualitativ hochwertiges Gesundheitswesen von hoher Bedeutung ist. Deren Organisation müsse sich aber an den Möglichkeiten und Anforderungen des Gesundheitswesens ausrichten, betonte Malzahn.
Erfreulich sei, dass sich inzwischen eine Reihe von Initiativen zur Entwicklung von Weiterbildungsverbünden und -netzwerken entwickelt habe und auch Krankenhäuser dafür vorgesehen seien, Koordinationsfunktionen zu übernehmen. Für diese Aufgabe könnten den Krankenhäusern Zuschläge gewährt werden – die einzige Aussage des Kassenvertreters, ob und wie sich die GKV an der Finanzierung der Weiterbildung beteiligen könnte. Wenig hilfreich sei allerdings der Versuch, die sektorübergreifende Versorgung zu einem wichtigen Träger der Weiterbildung zu entwickeln. Es sei zu befürchten, dass es nicht ausreichend Ärzte geben werde, die über die erforderlichen Weiterbildungsbefugnisse verfügen.
Den Begriff von der "Entökonomisierung" der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens, den auch Karl Lauterbach regelmäßig als Schlagwort benutzt, hält Malzahn für irreführend und verfehlt. Auch für die Gesundheitsversorgung gelte, dass alle Ressourcen begrenzt seien und daher effizient genutzt werden. Eine Rückkehr ins letzte Jahrhundert mit einer Wiedereinführung tagesgleicher kostendeckender Pauschalen, wie dies als Minderheit die Linke fordert, wird daher von Kassen abgelehnt und ist auch nicht Gegenstand ernsthafter Diskussion.
Zur Hebung von Effizienzreserven stehe die stationäre Versorgung vor erheblichen Herausforderungen: ein weitgehender Konsens über einen notwendigen Strukturwandel, der durch Leistungskonzentration und Ambulantisierung bewirkt werden soll. Ziel müsse eine Reduktion stationärer Behandlungen sein. Die Kassen erwarten, dass dies auch bei ihnen zu Ausgabenentlastungen führt. Genau dies sei aber bislang nicht realisiert: Trotz einer Senkung des Leistungsvolumens seit 2019 um zehn Prozent – und einem entsprechenden Rückgang der Auslastung auf inzwischen nur noch 65 Prozent – seien die Krankenhausausgaben der Kassen bis 2022 um 15 Prozent gestiegen. Das entspreche einem Produktivitätsrückgang von elf Milliarden Euro. Anders gesagt: Krankenhäuser arbeiten heute im Schnitt wesentlich weniger effizient als noch vor fünf Jahren.