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(Seltene) Neuroinfektionen in Diagnose und Therapie mitdenken

Neuroinfektiologische Erkrankungen kommen in der Differenzialdiagnose und -therapie oft zu kurz. Verzögert sich der Therapiebeginn bei Meningitis, septischer Enzephalopathie oder bei einem Hirnabszesses, kann das katastrophale Folgen haben.

Differenzialdiagnosen bei neurologischen Symptomen

Neuroinfektiologische Erkrankungen kommen in der Differenzialdiagnose und -therapie oft zu kurz. Verzögert sich der Therapiebeginn bei Meningitis, septischer Enzephalopathie oder bei einem Hirnabszess, weil es zu Verwechslungen mit immunologischen Erkrankungen kommt, kann das katastrophale Folgen haben.

Kopfschmerzen, Fieber, Meningismus und Vigilanzminderung sind die häufigsten klinischen Symptome einer bakteriellen Meningitis. "Einzelne Kardinalsymptome können fehlen und sollten nicht dazu führen, eine Meningitis von vorneherein auszuschließen", betonte Prof Dr. Matthias Klein von der LMU München auf dem 94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Ein schneller Therapiebeginn sei für die Prognose ein wichtiger Faktor.

Die empirische Therapie mit Antibiotika (Ceftriaxon, Ampicillin) und Dexamethason sollte deshalb innerhalb einer Stunde nach Krankenhausaufnahme begonnen werden. Klein weist allerdings darauf hin, dass Dexamethason nur beibehalten werden sollte, wenn Pneumokokken als Erreger identifiziert wurden. Bei anderen Erregern sollte das Glucocorticoid abgesetzt werden.

Diagnose bei bakterieller Meningitis: Multiplex-PCR als sinnvolle Ergänzung                                   

Bei Verdacht auf bakterielle Meningitis muss Blut für Blutkulturen abgenommen werden. Eine sinnvolle Ergänzung zur Erregerdiagnostik ist die Multiplex-PCR.  Mittels CT wird der intrakranielle Druck ermittelt. Ist dieser nicht erhöht, folgt eine Lumbalpunktion. Erst im Anschluss beginnt die empirische Therapie. Ist der intrakranielle Druck erhöht, wird die Therapie direkt eingeleitet. Hinsichtlich des CT-Einsatzes schränkt Klein ein, dass dieses nur bei deutlicher Vigilanzstörung, neuen fokalneurologischen Defiziten und epileptischen Anfällen gemacht werden solle. Im Falle eines klinisch relevanten Hydrocephalus sollte zusätzlich die Indikation für eine externen Ventrikeldrainage geprüft werden.

Dringt die Infektion ins Hirnparenchym ein, kann es zu einem Hirnabszess kommen. Beim Verdacht auf einen Hirnabszess ist eine MRT-Bildgebung erforderlich, gefolgt von einer Identifikation des Erregers (meist durch stereotaktische Biopsie). Im Gegensatz zur bakteriellen Meningitis spielt die Liquordiagnostik beim Hirnabszess eine untergeordnete Rolle (bzw. ist sogar kontraindiziert). Therapeutisch sollte vor allem bei größeren intrakraniellen Abszessen eine kombinierte chirurgisch-antibiotische Therapie (z.B. mit Ceftriaxon plus Metronidazol) erfolgen; bei nosokomialem Hirnabszessen beispielsweise mit Meropenem plus Vancomycin.

Septische Enzephalopathie – häufige Begleiterscheinung einer Sepsis

Wie bei der bakteriellen Meningitis ist auch bei der septischen Enzephalopathie ein rascher Therapiebeginn entscheidend, so Prof. Dr. Roland Nau, Göttingen.  Eine septische Enzephalopathie ist insbesondere bei älteren Menschen eine häufige Begleiterscheinung einer Sepsis. "Die Funktion des ZNS alter Menschen wird bei systemischen Infektionen rascher in Mitleidenschaft gezogen als das junger Menschen. Es reagiert mit Delir und langfristiger Beeinträchtigung", so Rau. Die Symptomatik reiche von mildem Delir bis zum Koma. Neurologische Herdsymptome sprechen für eine septisch-embolische oder septisch-metastatische Herdenzephalitis.

Die Säulen der Behandlung sind die Fokussanierung, die Antibiotikatherapie, die Substitution von Flüssigkeit und das Wiederherstellen eines normalen Schlaf-Wach-Rhythmus.  Als experimentelle Ansätze kommen die Manipulation von Immunzellen, L-DOPA/Benserazid, ß-Hydroxybutyrat, Palmitoylethanolamid, Tetrazykline und andere bakterizide, nicht-lytische Antibiotika infrage.

Tropische Erreger: Reiseanamnese nicht vergessen

Durch Migration, Globalisierung und das Reiseverhalten gelangen Krankheitserreger und Wirte nach Europa, die dort nicht heimisch sind. "Sie müssen in der Anamnese unbedingt auch nach Reisen fragen", betonte daher Prof. Dr. Uta Meyding-Lamadé vom Krankenhaus Nordwest in Frankfurt. Reiserückkehrer zeigten ein breites Spektrum neurologischer Symptome. ZNS-Infektionen wie zum Beispiel bakterielle Meningitiden, virale Meningoenzephalitis, Hirnabszesse, zerebrale Malaria oder Wurmbefall sind häufigere Diagnosen von Reiserückkehrern.

Eine Reiseanamnese ist deshalb bei jedem Patienten mit qualitativer und/oder quantitativer Bewusstseinsstörung notwendig. Liegt eine akute Bewusstseinsstörung mit Fieber und epileptischem Anfall nach Aufenthalt in den Tropen vor, sollten zerebrale Malaria, virale Enzephalitis und akute bakterielle Meningitis als Differentialdiagnose miteinbezogen werden. Für einige dieser Erkrankungen stehen hochwirksame Therapien (z.B. gegen zerebrale Malaria) und Impfungen (z.B. gegen Japanische Enzephalitis) zur Verfügung.

Quelle:
94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Symposium "Neuroinfektiologie: What´s Up", 04.11.2021