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Diagnosevermittlung bei Funktionellen Neurologischen Störungen (FNS)

Funktionelle Neurologische Störungen sind häufig schwer zu vermitteln. Von ärztlicher Seite werden Beschwerden öfter bagatellisiert und Betroffene empfinden dies als Zurückweisung. Rosa Michaelis kennt die Kniffe, die für eine gelungene Kommunikation notwendig sind.

So werden Fallstricke vermieden

Funktionelle Neurologische Störungen sind häufig schwer zu vermitteln. Von ärztlicher Seite werden Beschwerden öfter bagatellisiert und Betroffene empfinden dies als Zurückweisung. Rosa Michaelis kennt die Kniffe, die für eine gelungene Kommunikation notwendig sind.

Kommt ein Patient mit FNS zum Arzt....

Kommt ein Patient zum Arzt und sagt "Herr Doktor, ich hatte neulich so eine Beinschwäche. Im Krankenhaus meinten sie, es sei kein richtiger Schlaganfall gewesen, aber ich weiß immer noch nicht, was es eigentlich war, und das macht mir Sorgen." Der Arzt sieht sich das MRT an und sagt "Stimmt, kein richtiger Schlaganfall, das ist doch schon mal gut." Der Patient fragt: "Ja, aber was war es denn nun?" "Rauchen Sie?", fragt der Arzt zurück. ”Gelegentlich in Gesellschaft, aber nicht regelmäßig”, antwortet der Patient. Sagt der Arzt: "Also es war kein richtiger Schlaganfall, aber sie sollten unbedingt das Rauchen einstellen. Ich gebe Ihnen mal eine Broschüre zur Rauchentwöhnung mit. Auf Wiedersehen."

Etwas überspitzt, aber nicht ganz aus der Luft gegriffen, beschreibt diese Szene eine Schwierigkeit bei der Diagnosevermittlung funktioneller neurologischer Störungen (FNS), wie sie bei anderen Erkrankungen eher nicht vorkommen würde. Der Arzt bestätigt dem Patienten, was er nicht hat und versäumt dabei, die Diagnose zu benennen, er zieht vorschnelle Rückschlüsse auf den Risikofaktor Rauchen und benennt dann eine therapeutische Strategie, die dem Patienten nicht nachvollziehbar und abweisend erscheint. 

Diagnosevermittlung beeinflusst die Prognose

Dr. Rosa Michaelis, Fachärztin für Neurologie, Psychotherapeutin und Gründungsmitglied der Kommission "Psychosomatische Neurologie" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie weiß, worauf es bei der Diagnosevermittlung funktioneller neurologischer Störungen ankommt und welche Fallstricke es zu vermeiden gilt. Dabei müssen auch die Schwierigkeiten berücksichtigt werden, denen Ärztinnen und Ärzte bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit FNS begegnen. Oft drücken sich nämlich in der Interaktion seitens der Patientinnen und Patienten Bedürfnisse nach Gesehen-Werden und Entlastung in besonderen Maße aus. Manchmal haben diese bereits viele abweisende Erfahrungen gesammelt und sind verzweifelt auf der Suche nach Hilfe. Teilweise kommen auch familiäre oder andere soziale Belastungen bis hin zu traumatischen Erfahrungen im Lebenslauf hinzu, die die Kommunikation mit beeinflussen. Nicht zuletzt führen die geschilderten Symptome, die häufig nicht zu den geläufigen neurologischen Syndromen passen, zu Irritationen auf Seiten der Ärztin oder des Arztes. Dabei ist es umso wichtiger zu bedenken, dass die Art und Weise der Diagnosevermittlung die Prognose maßgeblich mit beeinflusst.

Sorgfalt bei Anamnese und klinisch-neurologischer Untersuchung vermittelt Vertrauen

Für Patientinnen und Patienten mit FNS ist es sehr wichtig, dass sie ihre Diagnose und die empfohlene Therapiestrategie verstehen, denn dies führt zu einer signifikant besseren Therapieadhärenz. Auch, wenn diese Menschen oft als fordernd oder anstrengend empfunden werden und teilweise auch bestimmte Persönlichkeitsakzentuierungen aufweisen, sollte klar sein, dass FNS sehr belastend sein und erhebliche Funktionseinschränkungen verursachen können. Eine kompetente und zugewandte Diagnosevermittlung ist daher der Schlüssel zum Erfolg. Der Weg dorthin führt über die Anamnese und die klinisch-neurologische Untersuchung, die ärztliche Sorgfalt und Vertrauen vermittelt. Dabei sollten spezifische klinische Befunde demonstriert und erklärt werden, damit Patientin oder Patient unmittelbar erleben, dass ihre Beschwerden beeinflussbar sind, z.B. durch Ablenkung (Hoover-Test). 

Gutes Verständnis der Diagnose führt zu besserer Therapieadhärenz

Aus einem solchen Untersuchungsgang und durch das gemeinsame Erleben kann dann ein einfaches Modell vermittelt werden. Dazu sollte das Störungsbild klar benannt und ernst genommen werden. Für Menschen mit FNS ist es wichtig zu hören, dass ihre Symptome nicht simuliert und dass sie potenziell reversibel sind, da keine Hinweise auf eine strukturelle Schädigung vorliegen. Zur Vermittlung sollte man dann auf ein anschauliches Modell zurückgreifen, das es dem Laien ermöglicht, die Störung zu verstehen. Rosa Michaelis empfiehlt hier beispielsweise einen Vergleich zwischen "Hardware-" und "Software-Störung" beim Computer. Die FNS entspräche hier einer Software-Störung einer fehlerhaften Stelle in der Programmierung, die identifiziert und dann behoben werden bzw. neu programmiert werden muss. Die Therapieempfehlungen reichen dann je nach Störung und Schweregrad von Selbsthilfe über Psychotherapie, Physiotherapie bis hin zu einer spezialisierten multimodalen stationären Behandlung.

Darauf kommt es bei der Diagnosevermittlung von FNS an

Zusammenfassen kommt es also bei der Vermittlung von funktionellen neurologischen Störungen auf folgende Punkte an:

Quelle:
DGN Kongress 2021, Berlin: Dr. Rosa Michaelis: Fallstricke in der Diagnsoevermittlung

Die Berichterstattung zum DGN-Kongress 2021 finden Sie hier.