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Kindliche Demenz: Möglichst frühe Diagnostik kann die Progression verzögern

Neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (NCLs oder auch CLNs) gehören zu den häufigsten erblichen neurodegenerativen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters. Etwa eines von 30.000 Kindern ist betroffen. Bei den NCL handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen, die sich in ihrem Krankheitsbild sehr ähneln: Es kommt zu geistigem Abbau, Erblindung, Bewegungsstörungen und epileptischen Anfällen.

Neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (NCLs oder auch CLNs) gehören zu den häufigsten erblichen neurodegenerativen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters. Etwa eines von 30.000 Kindern ist betroffen. Bei den NCL handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen, die sich in ihrem Krankheitsbild sehr ähneln: Es kommt zu geistigem Abbau, Erblindung, Bewegungsstörungen und epileptischen Anfällen.

Die NCL ist die häufigste Demenzursache bei jungen Menschen. Meist sterben die Betroffenen vor dem 30. Lebensjahr. Dass die Erkrankung noch immer spät erkannt wird - im Durchschnitt dauert es bis zur Diagnosestellung zwischen zwei und vier Jahre - machte Dr. Angela Schulz, Hamburg-Eppendorf, auf der Neurowoche in Berlin deutlich. Pro Jahr werden am UKE 150 pädiatrische Patienten mit degenerativen Hirnerkrankungen behandelt. Der Typ CLN 2 (n=68) und der Typ CLN 3 (n=52) machen dabei den größten Teil aus. Schulz skizzierte die typischen Charakteristika für CLN 3 und CLN 2.

CLN 3

Typisch ist, dass die Erkrankung gegen das 6. Lebensjahr ausbricht, kennzeichnend ist ein Visusverlust, gefolgt von Krämpfen und psychomotischem Verfall, im späten Teenageralter folgt Bettlägerigkeit. Charakteristisch ist das "overlooking", dem eine Retinopathie (Retinitis pigmentosa) zugrunde liegt. Die Verschlechterung von Motorik und Sprache geschieht rasch.

CLN 2:

Präsentiert sich in einem früheren Alter (zwischen zwei und drei Jahren) mit Krämpfen, Ataxie, psychomotorischer Verschlechterung und Bettlägerigkeit. Mit sieben Jahren erblinden die Patienten. Im MRT zeigt sich pro Jahr ein Verlust von 14,5% der grauen Hirnmasse.

Bei Verdacht auf eine CLN im Kleinkindalter sollten Enzymtests (Palmitoyl-Protein-Thioesterase auffällig bei CLN1 und Tri-Peptidyl-Peptidase bei CLN2) durchgeführt werden. Sind die Tests unauffällig, sollte in Gewebeproben nach den charakteristischen Ablagerungen, den Ceroid-Lipofuszinen, gesucht werden. Bei Erkrankungsbeginn im Schulalter sollte ein Blutausstrich auf Lymphozytenvakuolen untersucht werden. Sind diese vorhanden, gilt die Diagnose der juvenilen CNL (CLN3) als sicher. Zusätzlich kann eine molekulargenetische Analyse des CLN3-Gens erfolgen.

Therapiert wird experimentell

Therapeutisch stehen vor allem experimentelle Behandlungen zur Verfügung.

Für CLN 2 wird ERT mit BMN-190 erprobt, eine Gentherapie (AAVrh10), für die noch Probanden gesucht werden, eine Stammzelltherapie und eine Gentherapie (AAV2). Für CLN 3 wurde eine experimentelle Immunmodulation mit Mycophenolat abgeschlossen.

Zugelassen für CLN 2 ist eine experimentelle Cerliponase Alfa Behandlung. Cerliponase ist ein rekombinantes humanes Tripeptidyl peptidas 1 Enzym (rhTPP1), das die Blut-Hirn-Schranke nicht überwindet. Zugeführt wird es über eine Rickham Device in die lateralen zerebralen Ventrikel. 300 mg alle 14 Tage via intrazerebro-ventrikularer Infusion über vier Stunden.

In einer Studie mit Dachshunden (Vuillemenot BR et al, Mol Genet Metab. 2015) hatte Cerliponase die Krankheitsprogression signifikant verringert, zu einer verbesserten Performance bei einem kognitiven Funktionstest geführt, die Hirnatrophie im MRT reduziert und die Lebensspanne der Tiere verlängert.

Dass eine frühzeitige Diagnose mit frühzeitiger experimenteller Therapie die Krankheitsprogression verzögern kann, machte Schulz an drei Geschwistern deutlich, die alle an CLN 2 leiden. Das älteste Kind war erst im Alter von 7 Jahren diagnostiziert worden (als es schon starke Ataxien hatte) und ist inzwischen bettlägerig. Das jüngere Kind mit 4 Jahren, als schon Ataxien bestanden. Im Alter von 7 Jahren kann es noch selbständig laufen, auch wenn die Ataxien stärker geworden sind. Das jüngste Kind wurde mit 2 Jahren diagnostiziert und mit Cerliponase Alfa therapiert, als es noch keine Symptome hatte. Mit vier Jahren läuft, springt und rennt es – bislang ohne Anzeichen von Ataxien.

Im Bereich NCL gibt es eine enge internationale Zusammenarbeit mit 19 Ländern und 26 medizinischen Zentren. Deren Ziel ist, präzise Daten zu allen NCL-Formen zu sammeln, die Frühdiagnose zu verbessern, die medizinische Versorgung zu optimieren und Evaluations-Tools für experimentelle Therapien zu etablieren. 

Morbus Niemann-Pick Typ C (NPC): Psychiatrische Symptome sind häufig

Dass neuropsychiatrische Phänomene bei Kindern und Jugendlichen mit M. Niemann-Pick Typ C (NPC) häufig sind, machte Prof. Dr. Oliver Fricke, Witten-Herdecke, deutlich. Die Symptome sind durchaus vielfältig und unspezifisch, so dass bis zur korrekten Diagnose viel Zeit vergeht und Therapien häufig erst spät begonnen werden.

Die NPC ist eine rezessiv vererbte Speicherkrankheit (im Mittel erkrankt eines von vier Geschwistern) und wird durch eine Veränderung in den Genen NPC1 (95%) oder NPC2 (5%) verursacht. In den Zellen kommt es zu einer Transportstörung. Dadurch häufen sich Fette wie Cholesterin in Leber, Milz und Gehirn an und verursachen Zellschäden, die zu einem Untergang des Gewebes führen. Man unterscheidet nach den klinischen Symptomen eine infantile (kindliche), eine juvenile (jugendliche) und eine adulte (erwachsene) Form der NPC.

Im Säuglingsalter fällt oft ein länger bestehender Ikterus (Gelbsucht, Cholestase) auf, dann eine Vergrößerung von Leber und Milz. Im frühen Kindesalter zeigen die Betroffenen motorische Entwicklungsverzögerung und Muskelschwächen.

Fricke berichtet von einem 17jährigen Patienten, der sich in der Kinder-und Jugendpsychiatrie mit Wahnideen, Halluzinationen, Ataxie und Dysarthrie vorstellte.

Der junge Mann hatte eine Reihe von Fehldiagnosen hinter sich: Migräne, Lese-Rechtschreibstörung, Lernschwierigkeiten, schlechte Koordination, paranoide Schizophrenie, psychotische Störung, Asperger Syndrom, tiefgreifende Entwicklungsstörung, emotionale Störung des Kindesalters, schlechte Konzentration und Absence-Epilepsie.

Zu den typischen Symptomen einer NPC zählen psychische Störungen (Psychose, Affektive Störungen, Dyspraxie, Demenz), epileptische Anfälle, gelastische Kataplexien. Motorisch fallen Augenbewegungsstörungen, Ataxien, Dystonien (juvenil va. fazial, adult va. Hände), Dysarthrien und Dysphagien und spät Pyramindenbahnzeichen auf.

Eine frühzeitige Diagnose ist deshalb wichtig, weil zur Therapie der NPC seit 2009 Miglustat zur Verfügung steht. Miglustat ist ein Iminozucker und führt zu einer reversiblen Hemmung der Glykosphingolipid-Synthose. Er moduliert die intrazelluläre Kalzium-Homöostase und erreicht so eine verminderte pathologische Lipidspeicherung. In der EU ist er zugelassen für Kinder und Jugendliche mit NPC.

Bei Verdacht auf NPC sollte auf Chitotriosidase-Aktivität und Oxysterole gescreent werden. Die molekulargenetische Diagnostik: NPC1, NPC2 erlaubt eine sichere Diagnose in > 90% der Patienten.

Fricke betont, dass neuropsychiatrische Erkrankungen ein Fall für interdisziplinäre Konferenzen am Krankenbett sind. Erst ein Perspektiven-Wechsel ermögliche die Diagnose.

Referenzen:
Neurowoche 2018. 91. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
44. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie
68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie, 30. Oktober bis 3. November 2018