Noch immer werden in Deutschland zu viele Antibiotika eingesetzt was die Entstehung von Resistenzen befördert. Eine wichtige Rolle für die Verhinderung von Resistenzen spielt das Antibiotic Stewardship (ABS). Dr. Katja De With, klinische Infektiologin am Universitätsklinikum Dresden und einer der Pioniere auf dem Gebiet des rationalen Antibiotikaeinsatzes, berichtete auf dem Online-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) über den Status Quo.
Antibiotic Stewardship meint ein programmatisches, nachhaltiges Bemühen einer medizinischen Institution (Klinik oder Arztpraxis) oder eines Gesundheitssystems zur Verbesserung und Sicherstellung einer rationalen Verordnungspraxis von Antiinfektiva.
Ende 2009 wurde die erste ABS-S3-Leitlinie für den Krankenhaussektor entwickelt, Ende 2011 folgte ein erstes ABS Experten-Netzwerktreffen, im November 2015 fand der erste ABS-Kurs für DGIM-Mitglieder statt. 2017/2018 wurde die S3-Leitlinie überarbeitet, im Mai 2020 erschien ein Positionspapier der Kommission ART (Antiinfektiva, Resistenz und Therapie) zu strukturellen und personellen Voraussetzungen einer rationalen Antiinfektiva-Verordnung in Krankenhäusern.
Im ART-Positionspapier wird von einer Mindestpersonalstärke für das ABS-Team von 1 Vollzeitäquivalent (VZÄ) pro 500 Betten ausgegangen. Das Positionspapier enthält komprimiert eine anschauliche Übersicht über die Aufgaben und Funktionen des ABS-Teams. Eine ABS-Visite soll regelmäßig erfolgen und die Evaluation von antibiotischen Therapien bezüglich Indikation, Substanzwahl, Dosierung, Applikationsart und Therapiedauer unter Berücksichtigung von Leitlinien beinhalten.
Mit dem Vorgehen nach ABS konnte De Withs Team den Antibiotika-Verbrauch an der Uniklinik Dresden in fünf Jahren um 20% senken. Vor allem die infektiologischen Visiten auf Intensivstationen trugen entscheidend dazu bei. Überprüft wird dabei bei allen PatientInnen, warum sie Antibiotika bekommen. Ist kein nachvollziebarer Grund erkennbar, wird die Therapie beendet.
Was im Einzelfall getan werden muss, entscheidet de With zusammen mit den ÄrztInnen, MikrobiologInnen und ApothekerInnen der Klinik. Oft wird die Medikation auch angepasst. Hintergrund: Viele PatientInnen bekommen zunächst ein Antibiotikum, ohne dass der Verursacher der Infektion bekannt ist. Wenn die Laboruntersuchungen den Erreger später identifiziert haben, kann eine gezielte Behandlung erfolgen.
De With betonte, dass es bei ABS nicht nur darum gehen sollte, den Antibiotika-Verbrauch zu senken, sondern gleichzeitig auch die Behandlungsqualität zu verbessern. Um ABS-Programme auch klinisch erfolgreich zu machen ist mehr fachabteilungsübergreifende infektiologische Fachexpertise notwendig.
Antibiotic Stewardship ist eine wirksame Präventionsstrategie gegen die Entwicklung multiresistenter Erreger, betonte Prof. Dr. Pia Hartmann, Infektiologin am Labor Dr. Wisplinghoff, Köln. Aus ihrer Sicht gibt es in der Praxis und Umsetzung des ABS aber einige Probleme:
Hartmann betonte, dass Antibiotic Stewardship und Hygienemaßnahmen eine unverzichtbare Allianz zur Kontrolle von multiresistenten Keimen (MRE) bilden. Beide Maßnahmen sind allerdings personal-und zeitaufwändig und verfehlen ihren Zweck, wenn die notwendigen Personalressourcen nicht zur Verfügung gestellt werden.
ABS ist notwendigerweise eine Schnittstelle von Hygiene, Mikrobiologie, Infektiologie und Pharmazie (AWMF-Leitlinie), um der komplexen Herausfordeurng der rationalen Antibiotikaverordnung gerecht zu werden. Der Therapie ist immer die korrekte Diagnose vorangestellt – hier könne der Mikrobiologe und besonders der Infektiologe hilfreich sein.
Was kann die Digitale Medizin für das Antibiotic Stewardship (ABS) leisten? Prof. Dr. Jörg Janne Vehreschild vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) stellte vor, welche digitalen Werkzeuge für die Optimierung des Antibiotika-Einsatzes bis dato zur Verfügung stehen. Aus dem Bereich Information sind das Abfragen aus der elektronischen Patientenakte, das Unit-Dose-System, die Antibiotikaverbrauchs-Surveillance und die MRE-Surveillance. Aus dem Bereich der Interaktion die Telemedizin und die Videosprechstunde und aus dem Bereich Zusammenarbeit sind das Cloudplattformen, Dokumentbearbeitung und niederschwelliger Austausch.
Digitale Medizin für das ABS bietet "viele zusätzliche Werkzeuge, aber kein Allheilmittel", betonte Vehreschild. Sie vereinfacht den Zugang zu aktueller, hochwertiger und übersichtlicher Information und kann auch helfen, Interventionen zu steuern und effektiver zu machen. Allerdings bedürften Entscheidungshilfen auf Basis von Inferenzmaschinen einer sehr sorgfältigen Abwägung.
ESBL-bildende Bakterien gehören zu den Problemkeimen und sind für viele Infektionen in Kliniken verantwortlich. Klinisch sind vor allem ESBL-bildende Escherichia coli, Klebsiellen und andere gramnegative Bakterien bedeutsam. Sie haben einen deutlichen Einfluss auf die Mortalität und Hospitalisierungsdauer. Wie Prof. Dr. Christoph Lübbert, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am Klinikum St. Georg, Leipzig berichtete, scheint die Kombination Piperacillin/Tazobactam Carbapenemen bei der Behandlung von PatientnInnen mit einer bakteriämischen Infektion durch ESBL-Bildner nach neueren Daten klinisch unterlegen zu sein. Für PatientInnen mit hohem Risiko für eine invasive Infektion durch ESBL-Bildner mit bakteriämischem Verlauf sollte daher eine frühe Carbapenem-Therapie in Betracht gezogen werden.
Referenzen:
127. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM); Sitzung: "Weniger ist mehr - Intelligenter Einsatz von Antibiotika", 17. April 2021.