Tuberkulose im Erwachsenenalter: Diagnose und Therapie Logo of esanum https://www.esanum.de

Tuberkulose: Wie ist sie im Praxisalltag zu erkennen?

Ein Viertel der Weltbevölkerung ist mit Tuberkulose infiziert, jedoch sind nur 5% davon erkrankt. Aber auch die latente Infektion darf im Klinikalltag nicht vernachlässigt werden.

Wieder mehr Tuberkulose-Fälle in Deutschland

Die gemeldeten Tuberkulose-Fälle in Deutschland stiegen im vergangenen Jahr wieder leicht an, blieben jedoch insgesamt auf einem niedrigen Niveau. Laut dem Robert Koch-Institut, das dies anlässlich des Welttuberkulosetages am 24. März bekannt gab, wurden 2023 etwa 4.480 Fälle registriert. 2022 waren es 4.080 Fälle, 2021 rund 3.930 Fälle.

Welche Arten der Tuberkulose gibt es? 

Bei der Tuberkulose ist zwischen der latenten Tuberkuloseinfektion (engl.: latent tuberculosis infection; LTBI) und der klinisch apparenten Tuberkulose zu unterscheiden. Insgesamt ist rund ein Viertel der Weltbevölkerung mit Tuberkulose infiziert, wobei nur 5% davon im Rahmen einer Primärinfektion erkranken. Das heißt, der Rest dieses Viertels ist latent infiziert. Obwohl diese Art der Infektion bei Klinikern und Praktikern genauso auf der Liste der möglichen Diagnosen wie die klinisch apparente Tuberkulose stehen sollte, wird die LTBI häufig nicht erkannt.

Das primäre Manifestationsorgan von Tuberkulose ist die Lunge, allerdings kann sich eine pulmonale Tuberkulose über den lymphogenen und hämatogenen Streuungsweg in jedwedem Organ manifestieren, das gilt sowohl für die latente als auch die klinisch apparente Tuberkuloseinfektion. Im Falle der pulmonalen Tuberkulose unterscheidet man zudem zwischen geschlossener und offener Tuberkulose. Bei der geschlossenen Tuberkulose hat der Infektionsherd keinen Anschluss an das Bronchialsystem, sprich, Betroffene sind nicht ansteckend. Bei der offenen Tuberkulose hingegen kommt es vom Infektionsherd aus zu einem Bronchiuseinbruch. Diese Patienten sind dann diejenigen, die Tuberkulosebakterien aushusten und infektiös sind. 

Die kritische Schnittstelle, die nicht übertreten werden sollte, ist der Übergang von einer LTBI zur klinisch apparenten Tuberkulose. Denn grundsätzlich kann es lebenslang nach der inapparenten Infektion zu einer Progression und damit zu einer aktiven Erkrankung kommen. Gewisse Risikofaktoren machen diese Progression wahrscheinlicher, weswegen es im klinischen Alltag unabdingbar ist, neben den Patienten mit apparenter Tuberkulose auch die mit latenter Tuberkuloseinfektion auf dem Radar zu haben bzw. ggf. Tests auf eine LTBI durchzuführen. 

Diagnostik der Tuberkulose

Häufig wird im praktizierenden Alltag nicht an die Tuberkulose gedacht. Deswegen ist eine umfassende Anamnese, die alle für eine Diagnose relevanten Aspekte berücksichtigt, unumgänglich. Dabei sollten folgende Dinge besonders unter die Lupe genommen werden:

Das wichtigste, betont Prof. Hartmann, ist, die Tuberkulose als mögliche Diagnose im Hinterkopf zu haben. "Think TB" lautet ihr Praxistipp für Kolleginnen und Kollegen. 

Beim Verdacht auf eine Tuberkuloseinfektion muss das richtige Untersuchungsmaterial eingesendet werden, erste Wahl ist das Sputum. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Rücksprache mit den Labors oder Mikrobiologen, um qualitativ gute Proben sicherzustellen. Außerdem muss eine Tuberkulose-Testung explizit beim Labor angefragt werden.

Die TB-Diagnostik sollte immer aus Mikroskopie, Molekularbiologie und einer kulturellen Untersuchung bestehen. Zusätzlich ist bereits zu Beginn eine Resistenzbestimmung durchzuführen, denn so kann neben der Diagnose einer Tuberkulose auch der Nachweis einer INH- und RMP-Resistenz erfolgen, was sich wiederum auf die anschließende Therapie auswirkt. 

Faktoren für eine erfolgreiche Tuberkulose-Therapie

Die Leitlinie für Tuberkulose im Erwachsenenalter wurde Ende letzten Jahres aktualisiert,2 allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht viel an der Standardtherapie für Tuberkulose geändert. Die TB-Therapie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus extrem vielen Tabletten besteht, lange dauert und viele Nebenwirkungen zur Folge hat. Dies führt häufig zu Adhärenz-Problemen bei Betroffenen und erfordert, dass Patienten über den 6-monatigen Zeitraum der Gesamttherapie sehr empathisch begleitet werden. 

Die Behandlung besteht aus zwei Abschnitten: 

Diese Standardtherapie wird gewichtsangepasst dosiert. Weitere mögliche Anpassungen sind laut Prof. Hartmann notwendig bei:

Erwiesenermaßen ist die Therapiebegleitung der Patienten extrem wichtig. Neben einer muttersprachlichen Aufklärung – in Deutschland wird Tuberkulose in 80% der Fälle bei Personen, die nicht in Deutschland geboren sind, diagnostiziert – ist ebenso die Evaluation von Risikofaktoren für UAW und soziale Faktoren von großer Bedeutung. Verlaufskontrollen hinsichtlich der Compliance und bzgl. möglicher Nebenwirkungen bezogen, sollten regelmäßig stattfinden. Ein guter Marker bezüglich der Patienten-Adhärenz ist beispielsweise die Rotfärbung von Körperflüssigkeiten durch die RMP-Einnahme. 

Steht die Diagnose einer LTBI fest, ist individuell festzulegen, ob eine präventive Therapie eingeleitet werden soll. Die aktualisierten Leitlinien2 sprechen eine starke Empfehlung ("soll") der präventiven Therapie für Menschen aus, die im Kontakt zu Tuberkulose-Infizierten standen und Personen, die mit einer HIV-Infektion leben und gleichzeitig zusätzliche Risikofaktoren aufweisen. Außerdem empfehlen die Leitlinien ("sollte") folgenden Patienten mit LTBI eine Präventivtherapie: 

Das wichtigste, wenn es um Tuberkulose geht, so Prof. Hartmann abschließend:
"Think TB, insbesondere bei Risikogruppen!"

Weitere Highlights vom DGIM 2023 finden Sie in unserer Kongressberichterstattung.

Referenzen: