Psychosoziale Folgen von Vitiligo und Therapieansätze Logo of esanum https://www.esanum.de

Vitiligo: Mehr als nur Haut – Die psychische Last erkennen und therapieren

Dr. Rachel Sommer beleuchtet die oft unterschätzten psychosozialen Folgen von Vitiligo und zeigt, wie Dermatologen diese frühzeitig erkennen und ihren Patienten effektiv helfen können. Inklusive praktischer Screening-Tools für den Praxisalltag.

Interview mit PD Dr. Rachel Sommer

Die sichtbare Hauterkrankung und ihre tiefgreifenden psychischen Folgen

Dr. Sommer erinnert sich an eine junge Frau mit seit der Kindheit bestehender Vitiligo, die lange Zeit psychisch stabil war. Die plötzliche Manifestation im Gesicht jedoch führte zu einem massiven Schamgefühl und sozialem Rückzug. Dieses Beispiel unterstreicht die oft schweren psychosozialen Folgen, die mit Vitiligo einhergehen, insbesondere in sichtbaren Körperregionen.

Ein Hoffnungsschimmer: Der topische Januskinase-Inhibitor Ruxolitinib

Im Fall der jungen Frau ergab sich ein glücklicher Umstand: Zeitgleich mit dem Auftreten der Vitiligo im Gesicht wurde der topische Januskinase-Inhibitor Ruxolitinib zugelassen. Bei ihr zeigte die Therapie ein hervorragendes Ansprechen, sodass sie innerhalb weniger Wochen nahezu erscheinungsfrei war. Dr. Sommer betont: „Und sie sagte, das war ein großer Gamechanger für sie.“

Die breite Palette psychosozialer Belastungen bei Vitiligo

Dr. Sommer verweist auf Studien, die eine Vielzahl psychosozialer Folgen bei Vitiligo-Patienten belegen. Dazu gehören Störungen der Emotionsregulation, Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen, Wut sowie ungünstige Bewältigungsmechanismen und zwischenmenschliche Beeinträchtigungen. Viele Patienten berichten von Stigmatisierung, Schwierigkeiten in Beziehungen bis hin zu suizidalen Gedanken.

Die Notwendigkeit einer psychologischen Perspektive in der dermatologischen Versorgung

Angesichts dieser erheblichen psychischen Last betont Dr. Sommer die zwingende Notwendigkeit, psychische Aspekte von Anfang an in die dermatologische Behandlung jedes Vitiligo-Patienten zu integrieren und bei Auffälligkeiten entsprechende Unterstützung anzubieten.

Screening-Tools als wertvolle Hilfe im Praxisalltag

Um psychosoziale Probleme frühzeitig zu erkennen, empfiehlt Dr. Sommer den Einsatz validierter Screening-Tools anstelle einer rein deskriptiven Abfrage, da Studien zeigen, dass Angst und Depression sonst oft unterschätzt werden. Sie favorisiert kurze, praktikable Instrumente wie den GRD2-Fragebogen für Angststörungen und den PHQ für Depressionen, die in weniger als 30 Sekunden auszufüllen sind und ein entsprechendes Risiko aufzeigen können.

Vielfältige Unterstützungsangebote jenseits der rein dermatologischen Therapie

Seitens der Dermatologie können verschiedene Unterstützungsangebote vermittelt werden. In Kliniken idealerweise durch Konsiliarpsychologen, in der Niederlassung durch niedrigschwellige Angebote wie Selbsthilfegruppen (z.B. den Deutschen Vitiligo-Bund) und klassische Psychotherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie zur Veränderung negativer Denkmuster. Auch Medizin- und Gesundheits-Apps, wie das Online-Programm „Hautkompass“, bieten flexible Unterstützung zur Verbesserung der psychischen Gesundheit.

Die Dermatologie in der Pflicht: Psychische Komorbidität als Teil der Erkrankung

Dr. Sommer macht deutlich, dass die Berücksichtigung der psychischen Gesundheit keine Kür, sondern eine Pflicht der Dermatologie ist, da die psychische Komorbidität integraler Bestandteil der Erkrankung ist. Auch wenn die Zeit in der Sprechstunde begrenzt ist, ermöglichen kurze Screening-Tools eine effiziente Identifizierung von Risikopatienten, denen dann externe Therapie- oder Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden können.

Evidenz für den Zusammenhang zwischen psychischer und Hautgesundheit

Abschließend betont Dr. Sommer den wechselseitigen Einfluss von Psyche und Haut. Während Depressionen eine Folge der psychosozialen Belastung sein können, zeigen Studien, insbesondere bei Psoriasis, dass auch systemische Entzündungsprozesse im Körper selbst Depressionen begünstigen können. Die Unterbrechung dieses Kreislaufs ist entscheidend, und es existiert Evidenz, dass Psychotherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie, depressive Symptome effektiv verbessern kann