Herausforderung Hautkrebs im höchsten Alter: Evidenzbasierte Therapieentscheidungen
Hautkrebs schonen wegen des Alters? Studien belegen: Geriatrische Dermatochirurgie ist sicher, und viele 80-Jährige leben nach der Hautkrebs-OP noch fünf Jahre oder länger. Warum das Skalpell auch im hohen Alter oft die beste Wahl ist.
Hautkrebs im hohen Alter: Wann der chirurgische Eingriff mehr nutzt als schadet
Hochbetagte Patienten mit dermatologischen Tumoren sind zunehmend ein Fall für den Dermatochirurgen. Ein Blick in die Altersstruktur und ein Vergleich mit der von 1950 zeigt: „Wir und unsere Patienten werden immer älter“, so Volz. Eine schöne Entwicklung, doch immer mehr ältere Patienten hätten auch immer mehr Keratinozytenkarzinome. Daher stelle sich die Frage, ob man bei immer älteren Patienten auch immer mehr operieren müsse. Verschiedene Publikationen zeigen, dass die geriatrische Dermatochirurgie mehr und mehr in den Vordergrund rückt. Eine wichtige Rolle bei der Abwägung „OP – ja oder nein?“ spielt die „Lag Time to Benefit“ – also die Zeit zwischen einer Intervention und dem Eintritt eines Nutzens. Ist dieser bei hochbetagten Patienten immer gegeben?
Angst vor der OP führt zu verspäteten Vorstellungen
Volz verwies auf eine Arbeit aus Pittsburgh, in der Rahmenbedingungen definiert werden, nach denen man vorgehen kann, um für hochbetagte Patienten mit Hauttumoren eine gute Therapieentscheidung zu treffen. Berücksichtigt werden muss bei der Entscheidung, ob es sich um einen Hoch-Risiko-Tumor oder um eine benigne Läsion handelt, welche Komorbiditäten der Patient aufweist und wie gebrechlich er ist. Auch die Patientenziele und -wünsche spielen eine Rolle und nicht zuletzt die Behandlungsoptionen.
Die Sorge der Angehörigen sowie die Angst der Patienten vor dem Eingriff stehen effektiven chirurgischen Verfahren häufig entgegen. „Zu uns kommen dann Patienten, denen wir sagen müssen: Sie hätten ruhig ein bisschen früher kommen dürfen“, berichtete Volz. Meist seien Angehörige und Patienten der Meinung, die Lebenszeit des Patienten sei sehr begrenzt – aber dann wachse der Tumor doch schneller als gedacht. Der Angst vor der Narkose und den damit verbundenen Risiken, vor Schmerzen und vor dem postoperativen Outcome, müsse man die „Lag Time to Benefit“ gegenüber stellen. „Die ist in solchen Fällen sehr kurz: Der Patient profitiert von einer adäquaten Therapie sofort“, betonte Volz.
Der Frage, ob die Lebenszeit tatsächlich so begrenzt ist und sich eine Operation nicht mehr lohnt, geht eine Arbeit aus 2024 nach. Eingeschlossen waren Patienten, die zum Operationszeitpunkt über 80 Jahre (n = 940) oder älter waren und an kardiovaskulären pulmonalen Erkrankungen litten. Die Lebenserwartung lag im Mittel bei 5 Jahren nach der OP und 50% der Patienten wurden 92 Jahre alt oder älter. Das Lebensalter ist kein Prädiktor für die Lebenserwartung, betonte Volz.
Folgt man den Rahmenbedingungen der Arbeit aus Pittsburgh, ist auch die Active Surveillance eine Therapieoption, die man mit dem Patienten besprechen muss. In einer niederländischen Studie wurde untersucht, wie schnell Basalzellkarzinome wachsen. Im Ergebnis zeigt sich, dass infiltrative Subtypen signifikant mit einem schnelleren Tumorwachstum assoziiert sind, bei anderen Tumortypen lasse sich auch aufgrund von Lokalisation und initialem Tumordurchmesser nicht sagen, ob das ein Indikator für langsames oder schnelles Wachstum ist. „Das ist ein Glücksspiel“, so Volz.
Volz gab zu bedenken, dass es nach der Entscheidung gegen eine Intervention zwar eine „Lag Time to Benefit“ unmittelbar danach gebe, doch es gebe auch den natürlichen Tumorverlauf. Man müsse berücksichtigen, dass die Patienten älter werden und komorbiditätsbedingte Interventionen anstehen, etwa Klinik- oder Reha-Aufenthalte nach einem Herzinfarkt. Währenddessen wächst der Tumor jedoch weiter.
Weder Alter noch Komorbiditäten mit höherem Risiko assoziiert
Eine aktuelle Arbeit aus der Schweiz zeigt, dass eine an die geriatrische Bevölkerung angepasste dermatologische Chirurgie relativ sicher und wirksam ist – selbst bei Basalzellkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen mit mehreren Zentimetern Durchmesser. Bei 345 über 80 Jahre alten Patienten mit kardiovaskulären Komorbiditäten wurden insgesamt 565 Tumore entfernt. Dabei traten 26 Komplikationen auf, die Gesamtkomplikationsrate lag bei 4,6%. Nur bei einem Patienten mit einem Hämatom war eine chirurgische Revision erforderlich. Vier Fälle von Blutungen wurden durch Ligaturen unter lokaler Anästhesie gelöst. Von den 26 registrierten Komplikationen betrafen 15 Wunddehiszenzen, die keine weiteren Maßnahmen erforderten.
Die Verwendung neuer oraler Antikoagulanzien, untere Extremität, die Größe des chirurgischen Präparats von mehr als 2 cm² und die Lappenplastik erwiesen sich als unabhängige Risikofaktoren, die mit einem höheren Auftreten von Komplikationen verbunden waren. Weder das Alter selbst noch die Komorbiditäten waren mit einem höheren Risiko assoziiert.
Tumeszenz-Lokalanästhesie bei geriatrischen Patienten: sicher und effektiv
Volz erinnerte daran, dass 95% aller dermatochirurgischen Eingriffe bei geriatrischen Patienten unter Lokalanästhesie bzw. Tumeszenz-Anästhesie durchgeführt werden. Die Tumeszenz-Lokalanästhesie bei geriatrischen Patienten ist sicher: Eine Studie aus Tübingen mit 782 Patienten (Durchschnittsalter 83,3 Jahre; bei den über 85 Jahre alten Patienten waren 75% multimorbide) zeigt, dass die Tumeszenz-Lokalanästhesie für Hautkrebsoperationen bei älteren Menschen effektiv ist. Die systemischen Komplikationen lagen bei 10%. Die sehr alten Patienten wiesen eine Komplikationsrate von knapp 13% auf, darunter hypertensive Krisen, Arrhythmien oder Nausea. Volz verwies auf die S2k-Leitlinie „Basalzellkarzinom“: Darin wird empfohlen, prinzipiell die gleichen kurativen Ziele bei der Behandlung zu verfolgen wie bei jüngeren Patienten.
Das Therapieziel im Zusammenhang mit der Gebrechlichkeit und Komorbidität älterer Menschen könne zu einer stärker personalisierten und individuell abgestimmten medizinischen Betreuung führen als das Standard-Vorgehen: „Aufgrund des in aller Regel jedoch günstigen Verhältnisses von Therapieaufwand zu Nutzen sollte auch bei älteren Patienten stets die vollständige Exzision des Tumors angestrebt werden.“
- Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), 30.04. bis 03.05.2025, City Cube, Berlin. Sitzung: Im Dialog: Paradigmenwechsel in der Onkologie, 2. Mai.
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6596420/ (Vodergrund)
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38580087/ (Rahmenbedingung)
- https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15482_g (Arbeit)
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39904505/ (Arbeit)
- https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ddg.15287_g (Studie)
- https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/032-021 (S2K-Leitlinie)