Blutdruckeinstellung in der Schwangerschaft: Was hat sich geändert? Logo of esanum https://www.esanum.de

Neue Daten zur Blutdruckeinstellung nach und in der Schwangerschaft

Wie sind die optimalen Grenz- und Zielwerte bei Hypertonus während der Schwangerschaft? Neue Erkenntnisse zeigen, dass eine schlechte Blutdruckkontrolle sowohl für die Mütter als auch für die Kinder schädlich sein kann.

Interview mit Prof. Dr. med. Tanja Groten

Bluthochdruck in der Schwangerschaft: Welche Grenzwerte gibt es?

Derzeit werden die Nationale Versorgungsleitlinie zu Hypertonie und die Leitlinie zur Hochdruckerkrankung in der Schwangerschaft überarbeitet. Denn es besteht eine Kontroverse darüber, welche Grenz- und Zielwerte für den Blutdruck während der Schwangerschaft gelten sollten. In der Vergangenheit bestand die Sorge, dass eine zu intensive Blutdrucksenkung die Durchblutung der Plazenta beeinträchtigen und das Wachstum des Kindes negativ beeinflussen könnte. Diese Bedenken führten zu höheren Zielwerten für den Blutdruck bei schwangeren Frauen. Allerdings zeigen aktuelle Erkenntnisse, dass eine schlechte Blutdruckkontrolle während der Schwangerschaft sowohl für die Mütter als auch für die Kinder schädlich sein kann. Es erhöht das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft und beeinträchtigt möglicherweise auch das langfristige kardiovaskuläre Risiko der Mutter.

Grenzwerte basieren auf einer einzigen Studie

Die Angst vor einer zu starken Blutdrucksenkung während der Schwangerschaft basiert auf einer einzigen Studie aus den frühen 90er Jahren. Diese Studie verwendete einen hochdosierten Betablocker und zeigte eindrucksvolle Ergebnisse hinsichtlich des Gewichts der Kinder. Es ist jedoch nicht klar, ob diese Effekte auf die Wirkstoffgruppe oder den niedrigen Blutdruck zurückzuführen sind. Es ist wichtig zu beachten, dass es sich bei dieser Studie lediglich um eine Gruppe von 30 Frauen handelte, mit jeweils 15 Frauen in jeder Gruppe. Dennoch hat diese Studie dazu geführt, dass immer noch Bedenken bestehen, den Blutdruck während der Schwangerschaft angemessen zu kontrollieren.

Nach den Empfehlungen der Nationalen Versorgungsleitlinie sollten junge Frauen mit Typ-1-Diabetes eher niedrigere Zielwerte anstreben, wie etwa 120/70 oder 120/80. Prof. Dr. Groten sieht keinen Grund, dies in der Schwangerschaft zu ändern. Sie hofft, dass es in den Leitlinien zur Standardpraxis wird, einen Wert unter 130/85 anzustreben, da der diastolische Blutdruck von entscheidender Bedeutung ist. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis sich diese Änderungen in den Köpfen der behandelnden Ärzte etabliert haben.

Screening in der Schwangerschaft: Verbesserungen erforderlich

Die Erfassung von Bluthochdruck ist bereits fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft. Der Blutdruck wird regelmäßig bei jeder Untersuchung gemessen. Prof. Dr. Groten ist der Ansicht, dass keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind, sondern dass die Art der Blutdruckmessung verbessert werden sollte. Sie betont die Bedeutung der Verwendung von Messgeräten mit einer Oberarm-Manschette anstelle von Handgelenksmessgeräten, sowohl in der Arztpraxis als auch zu Hause. Frauen mit Weißkittelsyndrom haben in der Praxis oft erhöhte Blutdruckwerte. Es ist Standard, dass sie ihren Blutdruck selbst messen und dazu angehalten werden, ein Messgerät mit Oberarm-Manschette zu verwenden. In Kliniken und Praxen sollten elektronische Blutdruckmessgeräte mit Oberarm-Manschette bei schwangeren Frauen verwendet werden. Eine regelmäßige Messung ist wichtig, ebenso wie die Reaktion auf erhöhte Blutdruckwerte.

Hypertonus in der Schwangerschaft: Gibt es neue Therapieoptionen?

Einige Aspekte der Therapie haben sich laut Prof. Dr. Groten tatsächlich verändert. Es ist kein Problem. während der Einnahme von ACE-Hemmern schwanger zu werden, da diese Medikamente fetotoxisch, aber nicht embryotoxisch wirken. Sobald eine Schwangerschaft bekannt ist, sollten ACE-Hemmer konsequent abgesetzt und durch andere Medikamente ersetzt werden. ACE-Hemmer sind bei Schwangeren jedoch weniger wirksam und sollten nicht frühzeitig abgesetzt werden. Es ist erstrebenswert, dass Frauen gut eingestellt in die Schwangerschaft gehen. Laut der Nationalen Versorgungsleitlinie können in Deutschland Methyldopa und Nifedipin während der Schwangerschaft verabreicht werden. Nifedipin hat den Vorteil, dass es nur zweimal täglich eingenommen werden muss. Methyldopa ist mit depressiven Erkrankungen assoziiert und daher bei Frauen mit Depressionen kontraindiziert.

Empfehlungen für die Nachsorge beim Hausarzt

Die Nachsorge von Frauen nach hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen findet allmählich Eingang in die Leitlinien. Der Begriff "4. Trimenon" hat sich etabliert. Es sind die Frauenärzte, die festlegen sollten, welche Frauen eine langfristige Nachsorge benötigen und welche nicht. Es gibt Empfehlungen Schwangere mit Präeklampsie und schwangerschaftsinduziertem Hypertonus einmal nach 6 Wochen und dann wieder nach 6 Monaten zu untersuchen. Es ist jedoch nicht geklärt worden, ob diese Untersuchungen weiterhin beim Frauenarzt durchgeführt werden sollten oder die Patientinnen an ihre Hausärzte verwiesen werden könnten. Wenn auffällige Befunde vorliegen, sollten die Frauen einmal jährlich beim Hausarzt untersucht werden. Zu den empfohlenen Maßnahmen gehören Blutdruckmessungen, möglicherweise auch eine 24-Stunden-Blutdruckmessung, sowie ein Lipidprofil und Lifestyle-Coaching. Frauen mit hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen sollten in jedem Fall engmaschig überwacht werden, da sie ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und möglicherweise auch für frühzeitiges Ableben haben.

Wie nützlich ist die neue Weiterbildungsstruktur der DDG?

Prof. Dr. Groten ist überzeugt, dass die modulare Weiterbildung im Bereich Schwangerschaft einen großen Nutzen für die Patientenversorgung bringt. Die modulare Struktur sieht sie Qualitätssicherung, da die Einhaltung der Vorgaben in den Modulen überprüft wird. In den Modulen sollten auch Aspekte des Bluthochdrucks behandelt werden. Prof. Dr. Groten betrachtet die neuen Leitlinien als Möglichkeit, aktuelle Veränderungen schnell in die klinische Praxis zu integrieren.

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