Gibt es einen HbA1c-Richtwert für die Symptomfreiheit bei Diabetes? Logo of esanum https://www.esanum.de

Symptomfreiheit bei Diabetes mellitus: Gibt es einen HbA1c-Richtwert?

Bei der Therapie des Diabetes geht es neben der Vermeidung von Folgeschäden, auch um das Erreichen der Symptomfreiheit. Wie genau ist diese definiert? Gibt es einen HbA1c-Wert, der klar mit hyperglykämischen Beschwerden vergesellschaftet ist?

HbA1c-Werte und Beschwerden der Hyperglykämie

  • Fünf verschiedene Symptomgruppen zeigten in einer großen Studie eine Korrelation mit erhöhten Laborwerten wie Serumglukose und HbA1c: Durst, Harndrang, Energieverlust, Juckreiz und Sehstörungen.
  • Bei Typ-1-Diabetikern traten diese Beschwerden in der Regel bei einem HbA1c von etwa 10% auf.
  • Menschen mit Typ-2-Diabetes berichteten über Symptome der Hyperglykämie bei einem HbA1c von 8,9%.
  • Das entspricht Blutglukosewerten von etwa 240 mg/dl für Erkrankte mit Diabetes Typ 1 und etwa 200 mg/dl für diejenigen mit Typ 2 der Zuckerstoffwechselstörung.
  • Menschen, die auch depressive Symptome hatten, beschrieben Hyperglykämiebeschwerden auch bei normwertigen HbA1c-Leveln.

Was sind relevante Symptome der Hyperglykämie?

Für die meisten Menschen mit chronischen Erkrankungen ist die Symptomfreiheit mit der Steigerung der Lebensqualität verbunden. Das gilt auch für Menschen mit Diabetes. Forscher der Uni Jena haben sich nun damit beschäftigt, herauszufinden, ob es einen bestimmten HbA1c-Schwellenwert gibt, bei dem Überzuckerungsbeschwerden auftreten. 

Dazu wurden Typ-1- und Typ-2-Diabetiker nach bestimmten Symptomen und deren Häufigkeit in den letzten vier bis sechs Wochen befragt. Daraus wurde dann ein Score errechnet und dieser mit Blutzuckerwerten korreliert. 

Das Ergebnis: fünf verschiedene Anzeichen der Blutzuckerentgleisung zeigten einen Bezug zu den ermittelten HbA1c-Werten:

  • Durst, inklusive Durst in der Nacht und trockener Mund
  • Gesteigerter Harndrang tagsüber
  • Verlust von Energie, inklusive Schwäche und Konzentrationsstörungen
  • Juckreiz
  • Sehstörungen

Gibt es einen HbA1c-Wert, der mit symptomatischen Hyperglykämien vergesellschaftet ist?

In der Studie waren die Beschwerden tatsächlich positiv mit bestimmten Blutzuckerwerten korreliert:

  • Typ-1-Diabetiker haben ab einem HbA1c von etwa 10% Beschwerden. Das entspricht einer Serumglukose von etwa 240 mg/dl.
  • Bei Typ-2-Diabetikern liegt der Cut-off niedriger, nämlich bei 8,9% oder 200 mg/dl.

Was tun mit den Ergebnissen?

Vielen Behandlern stellt sich angesichts der vorgestellten Daten sicherlich die Frage, ob bei Vorliegen eines oder mehrerer Symptome aus den fünf relevanten Gruppen, eine Therapieintensivierung erfolgen sollte. Hier ist laut der Experten Vorsicht geboten. In der Studie beschrieben beispielsweise Menschen, die depressive Symptome hatten, ebenfalls Beschwerden, die denen einer Hyperglykämie glichen – und zwar auch dann, wenn ihr HbA1c normwertig war. 

Daher sollten Diabetiker, die etwa über Durst oder Abgeschlagenheit klagen, zunächst auf eine Depression untersucht werden, bevor die antidiabetische Therapie angepasst wird.

Was sollte man bei diesen Daten noch beachten?

Unklar ist, welchen Einfluss Glukosemonitore haben, die den Blutzuckerwert ständig messen. Die Geräte geben in der Regel einen Alarm ab, wenn ein gewisser Schwellenwert über- oder unterschritten wird. In der Studie hatten jedoch fast die Hälfte der Diabetikerinnen und Diabetiker diese Alarme deaktiviert. In der vorgestellten Studie wurde auf die Besonderheiten der Monitore nicht eingegangen. Die Problematik von Hyperglykämien könnte jedoch eliminiert werden, wenn entsprechende Funktionen der Glukometer genutzt werden, so die Autoren.

Auch die Frage, ob die HbA1c-Schwellenwerte bei älteren Patienten identisch sind, ist bisher unbeantwortet. Die Studienpopulation war insgesamt jünger und lässt daher keinen Rückschluss auf geriatrische Patienten zu, so die Experten. 

Fazit für die Praxis

Die vorgestellten Daten zeigen, dass gewisse Symptome der Hyperglykämie eine positive Korrelation mit erhöhten HbA1c-Werten haben könnten. Die Schwelle scheint bei Typ-1-Diabetikern höher zu liegen als bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Vor einer Therapieintensivierung sollte ein Depressions-Screening erfolgen.
 

Quelle:
  • Müller, Nicolle, PD Dr., Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III, Session: Diabetes mellitus im Alter – gemeinsam zum Erfolg. Vortrag: Therapieziel Symptomfreiheit, DDG Herbsttagung 2023