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COVID-19-Impfstoffe: neue Konzepte für Risikopatienten

Seit dem Auftreten der ersten anaphylaktischen Reaktionen nach Injektion der COVID-19-Impfstoffe laufen weltweit Untersuchungen zu Nebenwirkungen und schweren allergischen Ereignissen. Nun gibt es auch erste Ergebnisse zu einem erfolgreichen Prämedikations-Schema und zu Impf-Konzepten für Risikopatienten.

Allergien und Anaphylaxie: keine absolute Kontraindikation bei entsprechender Prämedikation

Seit dem Auftreten der ersten anaphylaktischen Reaktionen nach Injektion der COVID-19-Impfstoffe laufen weltweit Untersuchungen zu Nebenwirkungen und schweren allergischen Ereignissen. Nun gibt es auch erste Ergebnisse zu einem erfolgreichen Prämedikations-Schema und zu Impf-Konzepten für Risikopatient:innen.

Frauen sind häufiger von allergischen Impfreaktionen betroffen als Männer

Menschen mit bekannten Allergien und anaphylaktischen Ereignissen in der Vorgeschichte nehmen eine Sonderstellung bei den COVID-19-Impfungen ein. Vor diesem Hintergrund werden aktuell verschiedene Untersuchungen zu dem tatsächlichen Risiko für die Betroffenen und den möglichen Risikofaktoren durchgeführt. Die Ergebnisse einer aktuellen amerikanischen Studie zeigen, dass das Risiko für allergische und anaphylaktische Reaktionen bei Frauen durchschnittlich höher war als bei Männern. Insgesamt traten bei etwa 2% der Patienten allergische Ereignisse auf – bei dem Moderna-Impfstoff waren es durchschnittlich mehr als bei dem Pfizer/ Biontech-Impfstoff. 

Anaphylaktische Reaktionen traten bei 0,025% der Teilnehmenden auf, auch hier wieder geringfügig mehr nach dem Moderna-Impfstoff verglichen mit dem von Pfizer/ Biontech. Das durchschnittliche Alter der Betroffenen mit entsprechenden Ereignissen lag hier bei 41 Jahren. 94% der Betroffenen waren weiblich. Bei 63% davon waren in der Vorgeschichte bereits allergische und bei 31% anaphylaktische Reaktionen aufgetreten. Durchschnittlich vergingen 17 Minuten bis zum Einsetzen der Ereignisse. Auch Spätreaktionen wurden beobachtet, hier handelte es sich größtenteils um erythematöse Hautveränderungen, die nach einigen Tagen selbstlimitierend waren. 

Erhöhte Tryptase-Spiegel bei Patienten mit allergischen Reaktionen

Es zeigte sich, dass erhöhte Tryptase Spiegel (> 7,5 ng/ml) Hinweis für ein erhöhtes Risiko für anaphylaktische Reaktionen sein könnten. Mastzellstörungen hingegen sind entgegen der ursprünglichen Hypothese kein Risikofaktor. In einer Untersuchung mit 51 Patienten mit unterschiedlichen Mastzellstörungen zeigte sich, dass der Großteil der Patienten die COVID-19-Impfstoffe gut vertrug. Insgesamt traten nur wenig Nebenwirkungen auf. 

Fallbeispiel: Patient trotz Anaphylaxie erfolgreich geimpft

Stellt sich die Frage, wie mit Patienten verfahren werden soll, bei denen es nach der ersten Impfung zum Auftreten von anaphylaktischen Reaktionen kam. Die Harvard Medical School in den USA stellte in diesem Zusammenhang ein erstes erfolgreiches Impfregime an folgendem Patient:innen vor:

  • männlicher Patient, 40 Jahre, aus dem Iran, keine bekannten Allergien gegen Medikamente oder Impfstoffe
  • bekannte Lebensmittelallergie gegen diverse Meeresfrüchte, erste Manifestation im Alter von 11 Jahren mit generalisiertem Pruritus, Gesichts- und Kehlkopfödem, behandelt mit Epinephrin in der Notaufnahme
  • danach drei weitere Episoden, die letzte im Jahr 2019, nach versehentlichem Verzehr von Fischprodukten, gleiche Behandlung und Empfehlung der konsequenten Vermeidung von Meeresfrüchten und Fisch

Dann erfolgte am 24. Dezember 2020 die Impfung der ersten Dosis des Moderna-Impfstoffs:

  • innerhalb von 2–3 Minuten Entwicklung eines generalisierten Pruritus, Anschwellen von Kehlkopf und Zunge, Hypotonus, Präsynkope
  • Behandlung mit Selbstinjektion (Epipen) und anschließend notfallmäßige Aufnahme und weitere Epinephrin-Injektion, nach 6 Stunden Normalisierung des Zustandes
  • 24 Stunden nach initialem Ereignis: Spätreaktion mit Abgeschlagenheit, Palpitationen, generalisiertem Juckreiz und Kehlkopfödem – Behandlung mit H1-Antihistaminika und Flüssigkeitssubstitution

Vor der Verabreichung der zweiten Dosis Moderna-Impfstoff, erfolgte eine Vorbehandlung nach einem neuen Prämedikations-Schema:

  • 12 Stunden vor der Impfung: Cetirizin 10 mg, Famotidin 20 mg, Montelukast 10 mg
  • 1 Stunde vor der Impfung: Cetirizin 10 mg, Famotidin 20 mg, Montelukast 10 mg 
  • Die Verabreichung der Impfung erfolgte in drei Schritten: 
    • 1. Schritt 0,1 ml
    • 2. Schritt 0,15 ml
    • 3. Schritt 0,25 ml

Bei dem Patienten traten nach der zweiten Dosis keine allergischen Nebenwirkungen auf und er konnte erfolgreich geimpft nach Hause entlassen werden.

Fazit zu anaphylaktischen Reaktionen nach COVID-19-mRNA-Impfstoffen:

  • anaphylaktische Reaktionen sind selten (1/100.00–200.00)
  • Frauen sind häufiger betroffen als Männer
  • Epinephrin ist derzeit die einzig wirksame Therapie
  • erhöhte Tryptase-Spiegel bei Patient:innen mit allergischen Reaktionen
  • Allergien, anaphylaktische Reaktionen in der Vorgeschichte oder Mastzellstörungen sind keine absoluten Kontraindikationen für die Impfung
  • bei Risikopatienten sollte eine Prämedikation erwogen werden
  • Prämedikation kann schweren Reaktionen wirksam vorbeugen

Quelle: Prof. Castells, Mariana, Harvard Medical School in the United States, APAAACI Online-Symposium 11, Risk and Safety of COVID Vaccines, Oktober 2021