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Praxistipp: Affenpocken erkennen und behandeln

Derzeit breiten sich die Affenpocken (MPX) weltweit weiter aus. Sie passen sich dabei offenbar immer stärker dem Menschen an und werden in der Mehrzahl der Fälle sexuell übertragen.

MPX 2022 – Die wichtigsten Fakten im Überblick

Neue Eigenschaften des MPXV

Das Affenpockenvirus (MPXV) ist ursprünglich ein klassisches zoonotisches Virus, welches vom Tier auf den Menschen übergehen kann. In der Vergangenheit hatte es bereits des Öfteren kleinere Ausbrüche in den afrikanischen Endemiegebieten gegeben, mit eher kurzen Übertragungsketten von Mensch zu Mensch.

Es wird angenommen, dass Veränderungen des Virus sowie der wieder möglich gewordene weltweite Reiseverkehr nun zu Mensch-Mensch-Übertragungen auch außerhalb der Endemiegebiete beigetragen haben. Dabei ist auffällig, dass MPXV nun in der Mehrzahl der Fälle außerhalb Afrikas über sexuelle Kontakte verbreitet wird.

Darüber hinaus meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich einige neue Symptome, insbesondere bei Menschen mit schwerem Infektionsverlauf. Dazu zählen u. a. schwere Proktitiden, Urethritis sowie Harnverhalt.

Sehr wahrscheinlich hat sich das Affenpockenvirus bereits seit geraumer Zeit unbemerkt verbreitet und passt sich seitdem durch Mutationen weiter an den Menschen an. Aktuell scheint es, dabei die ökologische Nische der bereits eradizierten Pocken ("small pox") einzunehmen.

MPX – von symptomlos bis komplexer Symptomatik

Derzeit ist die Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), mit rund 99% am häufigsten betroffen. Das mediane Erkrankungsalter liegt beispielsweise in Großbritannien bei 39 Jahren. Da das Virus vornehmlich auf sexuellem Weg übertragen wird, findet sich in der Sexualanamnese häufig ein Hinweis auf wechselnde Partner bzw. auf einen neuen Sexualkontakt innerhalb der vergangenen 12 Wochen.

Die mittlere Inkubationszeit beträgt etwa 8,5 Tage. In der Mehrzahl der Fälle kommt es lediglich zu leichten Erkrankungssymptomen, welche nach einigen Tagen von selbst abklingen. Für das Prodromalstadium bei MPX beschriebene unspezifische Symptome sind u.a.:

In 17% der Fälle zeigten sich in einer britischen Studie keinerlei Symptome. Etwa zwei Drittel der Patienten mit Prodromalsymptomatik entwickeln zudem die charakteristischen Hautläsionen. Aufgrund der sexuellen Übertragung innerhalb des aktuellen Ausbruchgeschehens treten die Hautläsionen überwiegend im anogenitalen Bereich, oral sowie an Händen und Extremitäten auf. Zwei von drei Betroffenen leiden zudem unter einer begleitenden, beidseitigen Lymphadenopathie.

Komplikationen und Ko-Infektionen

Auffällig ist, dass Betroffene vergleichsweise häufig schwere Verlaufsformen und Komplikationen entwickeln können. So kann beispielsweise eine schwere Proktitis bei etwa jedem 5. Patienten auftreten. Diese ist mit starken Schmerzen und Stuhlentleerungsstörungen verbunden. Darüber hinaus benötigen bis zu 25% der Patienten eine Antibiotikatherapie zur Sanierung von Abszessen und bakteriellen Superinfektionen. In Großbritannien kam es zudem zu Fällen, bei denen Läsionen im Pharynx zu Schluckbeschwerden führten und auch die Sehfähigkeit kann durch Beteiligung der Cornea beeinträchtigt sein.

Diagnostisch sollte aufgrund der sexuellen Übertragbarkeit von MPXV an weitere sexuelle übertragbare Infektionen (STI) gedacht werden, die teilweise ähnliche Symptome entwickeln, so z. B. Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydieninfektionen, HIV u.a.

Therapieoptionen bei MPXV-Infektion

Aktuell gibt es keine für MPX zugelassene kausale Therapie, sodass hier primär symptomatisch und nur in schweren Fällen auch off-label behandelt wird. Die symptomatische Therapie fokussiert dabei insbesondere auf die Schmerzen und das Fieber im Prodromalstadium sowie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.

Treten Symptome auf oder kommt es zu Komplikationen, wird die symptomatische Behandlung entsprechend ausgeweitet. Schmerzmittel helfen die Beschwerden bei Proktitis zu lindern. Laxativa können die Stuhlentleerung unterstützen. Antibiotika werden bei bakteriellen Superinfektionen verabreicht. Patienten mit Harnentleerungsstörungen können unterstützend katheterisiert werden.

Antiviral stehen ausgewählte Medikamente zur Verfügung, die allerdings nur für sehr schwere Verläufe vorgesehen und zum größten Teil derzeit nicht für MPX zugelassen sind. Dazu gehört u. a. Tecovirimat, dass in Tierversuchen aktiv war gegen Orthopoxvien und möglicherweise die Viruslast sowie die Krankheitsdauer reduzieren könnte. Cidofovir und Brincidofovir sind virale DNA-Polymerase-Inhibitoren, die sich gegen Orthopoxviren wirksam gezeigt haben. Brincidofovir verfügt aktuell über eine CDC-Empfehlung für die Behandlung von Menschenpocken bei Kindern und Erwachsenen.

Alternativ ist darüber hinaus eine Postexpositionsimpfung in Betracht zu ziehen. Diese erfolgt nach einem möglichen MPX-Kontakt bestenfalls innerhalb von 4 Tagen, um eine Erkrankung zu vermeiden, oder innerhalb der ersten 14 Tage nach Exposition, um die Symptome zu reduzieren.

Impfempfehlung für ausgewählte Personengruppen

Die Ständige Impfkommission am RKI (STIKO) hat am 21.06.2022 die Empfehlung zur Postexpositionsprophylaxe (PEP) und zur Indikationsimpfung gegen Affenpocken (MPX) mit dem bisher für diese Indikation nicht zugelassenen Impfstoff Imvanex (Modified Vaccinia Ankara, Bavarian-Nordic [MVA-BN]) für ≥18-Jährige veröffentlicht. Für die vollständige Grundimmunisierung wird der Impfstoff 2-malig zulassungskonform im Abstand von mindestens 28 Tagen verabreicht.

Aktuell ist die Impfung insbesondere für Männer empfohlen, die Sex mit Männern haben und häufig den Partner wechseln, da sie aufgrund des erhöhten Expositions- und Infektionsrisikos besonders gefährdet sind. Hinzu kommen Personen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, wie z. B. immundefiziente Patientinnen und Patienten, aber auch Personal aus den Diagnostik-Laboren mit hoher Kontaktfrequenz zu entsprechendem Risikomaterial.

Da aktuell noch nicht genügend Impfstoff bereitsteht, empfiehlt die STIKO, geeignete Personen mit einer 1. Impfdosis zu versorgen und die 2. Immunisierung noch zu verschieben. Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien sowie aus Studien am Menschen zeigten, dass bereits die 1. Impfstoffdosis einen Basisschutz gegenüber Affenpocken vermittelt und die 2. Impfstoffdosis hauptsächlich dazu dient, die Dauer des Impfschutzes zu verlängern. Immunologische Studien haben gezeigt, dass der durch eine 1. Imvanex-Impfung vermittelte Immunschutz ab 2 Jahren nach Impfung nachlässt und dann eine 2. Impfstoffdosis für einen dauerhaften Impfschutz erforderlich ist.

Die STIKO rät daher dringend, alle verfügbaren Impfstoffe für die erste Impfung einzusetzen und die Gabe der zweiten Impfstoffdosis auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht. Dies gilt sowohl für die PEP als auch für die Indikationsimpfung. Wird die 2. Impfstoffdosis auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, muss die Impfserie nicht neu begonnen werden.
 

Quellen: