Bei Kindern und Jugendlichen ist Einnässen das häufigste urologische Symptom. Die Lebensqualität von Kind und Eltern kann dadurch stark belastet werden. Nächtliches Einnässen (Enuresis nocturna) kann verschiedene Ursachen haben. Hauptfaktoren bei der monosymptomatischen Enuresis nocturna (MEN) sind eine Aufwachstörung bei fehlender oder gestörter Wahrnehmung der vollen Blase im Schlaf und ein Ungleichgewicht zwischen Blasenkapazität und nächtlicher Urinproduktion. Bei der nicht monosymptomatischen Enuresis nocturna (Non-MEN) steht hingegen die Blasendysfunktion im Vordergrund. Einnässen tagsüber ist in der Regel ebenfalls Ausdruck einer Blasendysfunktion.
Wie sich Harninkontinenz bei Kindern erfolgreich therapieren lässt, stellte Dr. Annette Schröder, Mainz, beim Urologenkongress in Dresden vor.
Schon bei der Terminvergabe sollte der Familie ein "Protokollpaket" mit Anleitung zugeschickt werden. Das Protokollpaket sollte einen Anamnesefragebogen, ein Blasentagebuch (2x24h) und ein 14-Tage Protokoll enthalten. Es kann auch sinnvoll sein, einen Termin erst nach Rücksendung und Prüfung des Protokollpaketes zu machen.
Kommt das Kind dann in die Praxis sollten zur Differenzierung MEN NMEN+/- Inkontinenz in einem persönlichen Gespräch das Trink-und Miktionsverhalten erfragt werden, nach der Qualität des Schlafes, nach Schnarchen und Atemproblemen gefragt werden. Zu klären ist, ob eine Obstipation vorliegt (eine Obstipation ist die häufigste mit Enuresis assoziierte Störung, die Prävalenz liegt bei > 30%), ein ADHS und psychosoziale Konflikte. Es ist auch wichtig, nach der Motivation und Einstellung zu fragen und realistische Ziele der Therapie zu skizzieren.
Zur körperlichen Untersuchung gehört:
Die Inspektion des Genitals und des Rückens, ein U-Stix (Infekt, Glucose, Protein), die Erhebung des neurologischen Status, ein Ultraschall von Nieren, Blase, Rektum und ein Uroflow (Restharn).
Ist eine sorgfältige Diagnose erfolgt und sind Komorbiditäten erkannt und behandelt folgt als Basis der Behandlung die Urotherapie. Dazu gehören
Für die Trinkmenge gilt die "7 Becher Regel". Die besagt, alle 2 bis 3 Stunden zu trinken (Trinkmenge je 150-250 ml) und dann zur Toilette zu gehen. Bewährt haben sich dazu Erinnerungen via Alarm-Uhr oder über das Handy. Liegt eine Obstipation vor, sollte eine Stuhlregulierung mit movicol oder Laxbene erfolgen.
Bewährt hat sich laut Schröder ein Merkblatt für die Eltern mit der 7 Becher Regel und mit Hinweisen zu Trinkerinnerungen via Uhr oder Handy. Bei der Haltung auf der Toilette sollte ein gerade sitzen und Füße aufsetzen beachtet werden, eine Sitzverkleinerung kann sinnvoll sein.
Nach wenigen Wochen bei einem Nachfolgetermin fragen wie die Urotherapie anschlägt, dabei ist es wichtig erst das Kind zu fragen, dann die Eltern. Die Protokolle sollten angeschaut und Erfolge deutlich kommentiert werden. Ebenso wird die weitere Therapieplanung besprochen.
Für die Behandlung des nächtlichen Einnässens kommen die Alarmtherapie (für Kinder ab 6 Jahre) oder Desmopressin infrage. Die Alarmtherapie wird selten empfohlen, von behandelnden Ärzten nur in 3 bis 23% der Fälle, die Abbruchrate ist mit 40% recht hoch. Wichtige Voraussetzungen für den Erfolg einer Alarmtherapie sind deshalb die ausführliche Anleitung von Eltern und Kind und eine ausreichende Motivation von Eltern und Kind.
Die Alarmtherapie setzt sich aus 3 Phasen zusammen:
Phase 1: 2 bis 3 Wochen, Wecken nach dem Einnässen
Phase 2: 2 bis 3 Wochen, Aufwachen mit Beginn des Einnässens
Phase 3: Rechtzeitiges Aufwachen
Eine Alarmtherapie dauert in der Regel 2 bis 3 Monate. Bleibt der Erfolg aus, sollte sie abgebrochen werden. Bei Erfolg kann die abendliche Trinkmenge langsam gesteigert werden. Wichtig ist auch, die Therapie bei Erfolg noch einen Monat fortzuführen. Verwendet werden sollten körpernahe Funk-oder Kabelsysteme mit Piepsen oder Vibration. Die primäre Erfolgsquote der Alarmtherapie liegt bei 70%, die Rückfallquote bei 13 bis 30%.
Desmopressin kann gegeben werden, wenn die Alarmtherapie abgelehnt wird oder nicht erfolgreich war. Die Gabe sollte 30 bis 60 min vor der Bettzeit erfolgen, 1 Stunde vorher sollte nicht mehr getrunken werden. Begonnen wird mit einer 0,2mg (Tbl) /120 μg (Schmelztablette) nach 2 Wochen ggfs. auf 0,4mg/240 μg steigern. Therapieversuche können über 6 Wochen bis hin zu 6 Monate erfolgen. Desmopressin zeigt die höchste Erfolgsrate bei nächtlicher Polyurie. Intermittierende Auslassversuche sollten erfolgen, das kurative Potenzial allerdings ist gering. Eine Kombinationsbehandlung von Desmopressin plus Alarmtherapie kann sinnvoll sein, denn sie verspricht schnellen Erfolg durch Desmopressin und nachhaltigen Erfolg durch Alarm.
Zur Therapie der Enuresis können auch Anticholinergika zum Einsatz kommen. Allerdings erst nach:
Referenzen:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Kongresszentrum Dresden, 26. bis 29. September 2018