Am 5. Juni 2021 hat sich die erste wissenschaftliche Erwähnung des Krankheitsbildes zum 40. Mal gejährt. Die US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) berichteten von fünf homosexuellen Männern, die an einer ungewöhnlichen Form von Lungenentzündung erkrankt waren.
40 Jahre später ist die HIV-Heilung immer noch Utopie. Seit Mitte der 1990er-Jahre gibt es aber sehr wirksame Therapien, welche die HIV-Vermehrung im Körper stoppen und Aids verhindern. Menschen mit HIV können bei früher Diagnose und Behandlung leben wie alle anderen – Sexualität und Familienplanung inklusive, denn unter Therapie ist HIV sexuell nicht mehr übertragbar.
Dazu sagt Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe: "Die Wissenschaft und die HIV-Community haben viel erreicht, die Gesellschaft hat im Umgang mit HIV viel gelernt. Global und auch in Deutschland haben viele Menschen aber keinen Zugang zu Prävention und Behandlung. Deshalb müssen wir das Recht auf Gesundheit, Selbstbestimmung und ein Leben ohne Diskriminierung für alle verwirklichen."
Angesichts der Bedrohung durch Krankheit und Ausgrenzung bildete sich in den 80er-Jahren schnell eine starke Selbsthilfebewegung von Menschen mit HIV und aus den besonders betroffenen oder bedrohten, gesellschaftlich ausgegrenzten Gruppen – schwule Männer, Drogengebrauchende, Menschen in der Sexarbeit –, die für die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensweisen eintrat. Sie machte es möglich, offener über (Homo-)Sexualität und Drogengebrauch zu sprechen, um Schutzmaßnahmen zu thematisieren und glaubwürdige Prävention in den Szenen zu leisten.
Politisch setzte sich damals die bis heute erfolgreiche gesellschaftliche Lernstrategie durch – dank der beeindruckenden Haltung der damaligen Gesundheitsministerin Rita Süssmuth, die die Aidshilfe und Selbsthilfe als maßgebliche Akteurinnen mit einbezog. "Emanzipation und Solidarität, Partizipation und Unterstützung der betroffenen Gruppen haben sich als Schlüssel bei allen Maßnahmen gegen HIV und Aids erwiesen – in Deutschland und weltweit", betont DAH-Vorstand Sven Warminsky.
Bei HIV und Aids ist die globale Ungerechtigkeit schon lange offensichtlich, welche die Corona-Pandemie erneut gezeigt hat: 2019 bekam ein Drittel der 38 Millionen Menschen mit HIV, darunter viele Kinder, keine lebensrettenden HIV-Medikamente, weil Geld oder der politische Wille fehlen. "Auch in Deutschland müssen wir mehr tun. So haben etwa Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus oder Versicherung meist keinen Zugang zur medizinischen Versorgung – vermeidbare Aidserkrankungen und weitere HIV-Infektionen sind die Folge. Ein anderes Beispiel: Drogenkonsumräume gibt es nur in 8 von 16 Bundesländern, und in Gefängnissen sind bundesweit immer noch keine sterilen Spritzen zum Schutz vor HIV und Hepatitis zugänglich."
Fazit von DAH-Vorstand Sven Warminsky: "Viel ist erreicht, aber noch lange nicht alles für alle. Wir dürfen niemanden zurücklassen! Versorgungslücken sind heute nicht mehr der Hilflosigkeit gegenüber einer Epidemie geschuldet, sondern politisch verursacht. Die Verantwortlichen in Bund und Ländern könnten sie schließen. Wir wissen, was zu tun ist, und haben die Mittel dazu! Für das Menschenrecht auf Gesundheit und gegen Stigmatisierung und Diskriminierung muss sich die ganze Gesellschaft einsetzen. Auch nach 40 Jahren HIV/Aids lautet die Devise: Menschenrechte sind nicht verhandelbar!"