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Männer und Vorsorge – bisher ungenutztes Potenzial

Noch viel zu häufig gehen Männer nur bei akuten Problemen zum Arzt. Die Gesundheitsvorsorge für Männer ist jedoch eine gewinnbringende Aufgabe.

Wo sollten Ärztinnen und Ärzte sich aktiver zeigen?

Männergesundheit ist mehr als Sport

Männer sind im Allgemeinen Anhänger einer sogenannten Reparaturmedizin. Leider werden sie darin auch noch von vielen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen bestärkt. Am Ende muss uns allen aber bewusst sein, dass die mangelnde Gesundheitsvorsorge sehr wahrscheinlich ein Grund dafür ist, weshalb Männer heute deutlich früher sterben als Frauen.

Häufig wird der Blick auf die Männergesundheit einzig auf Sport und Bewegung reduziert. Doch das Feld der Gesundheitsprävention beim Mann ist sehr viel umfassender. So gehören neben dem Sport ebenfalls die Ernährungsmedizin, die Psychologie, die Urologie, die Andrologie, die Dermatologie oder die Sexualmedizin dazu.

Männer müssen zudem ihre Symptomlage immer auch mit ihrer soziokulturellen Rolle als Mann in Einklang bringen. Das führt letztlich dazu, dass Männer nur dann über ihre Probleme sprechen, wenn das zu ihrem Selbstbild als Mann passt – ein gutes Beispiel dafür ist die die Frage nach der Potenz "Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Sexualität?", Antwort: "Läuft." Solange noch immer irgendetwas läuft und die Erektionsfähigkeit nur manchmal schwächelt, ist alles ok. Sobald die Erektionsfähigkeit gänzlich verloren geht, muss ärztlich repariert werden, am besten mithilfe einer unscheinbaren Pille.

Männer haben aufgrund dieses Verhaltens natürlich eine höhere medizinische und soziologische Risikokonstellation. Männer haben zudem nicht selten gesundheitsgefährdendere Berufe, sterben häufiger als Frauen durch Gewalteinwirkungen, begehen in allen Altersklassen häufiger Suizid und essen und trinken im Allgemeinen deutlich ungesünder. Das alles fördert im Zusammenspiel mit der mangelnden Gesundheitsvorsorge auch das frühere Ableben im Vergleich mit den Frauen.

Was bringt den Mann zum Arzt?

Genauso vielgestaltig wie die Facetten der Männergesundheit sind auch die Gründe, weswegen Männer zu Ihnen in die Praxis kommen. In der Regel suchen sie Hilfe für akute, aber auch für chronische Probleme sowohl im Körperlichen als auch im Bereich der Psyche. 

Oft fällt dem Mann zuerst ein Problem mit der körperlichen und/oder sexuellen Leistungsfähigkeit auf. Auch Burnout und Depressionen können Ursache für einen Arztbesuch sein. Hinzu kommen Probleme mit dem Älterwerden, Arbeitslosigkeit und persönliche Probleme im sozialen Umfeld oder in der Partnerschaft.

Der Mann lebt in einem psychosozialen Kontinuum und seine seelisch-körperliche Balance und Ausgeglichenheit sind letztlich ebenso ein Garant für Gesundheit wie der Testosterongehalt oder die Libido.

Mann-Killer Adipositas

Die Haupttodesursachen für Männer in Deutschland sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Tumoren. In beiden Fällen spielt u. a. eine ungesunde Ernährungsweise eine entscheidende Rolle. So verzehren Männer laut Statistik sehr viel häufiger scharf gebratenes, rotes Fleisch und nehmen deutlich weniger Vitamine und Spurenelemente auf als Frauen. Insgesamt essen Männer zu wenig abwechslungsreich. Sozialer Stress im Berufsalltag, gepaart mit Schlaf- und Bewegungsmangel, fördert zudem ungesundes Ernährungsverhalten und eine Zunahme beim Körpergewicht und Körperfettanteil (viszerales Fett). Dies endet dann in der Regel früher oder später im Metabolischen Syndrom (Adipositas + gestörter Fettstoffwechsel + arterielle Hypertonie + Insulinresistent/Diabetes mellitus).

Solche Veränderungen lassen sich jedoch auch frühzeitig erkennen und eine Lebensstiländerung ist dann noch möglich. Der regelmäßige Check-up in der Praxis ist dafür ein geeignetes Werkzeug, welches noch zu wenig aktiv seitens der Ärztinnen und Ärzte an die Männer herangetragen wird.

Beim Check-up – wenn er auch auf beiden Seiten genug ernst genommen wird – lassen sich u. a. frühe hypertensive Endorganschäden erkennen. Die Echokardiografie, Intima-Media-Dicke, Pulswellengeschwindigkeit, ABI-Index sowie diverse Nierenwerte (Kreatinin, eGFR, Albumin) sind hierbei besonders hilfreich, um beispielsweise beginnende artherosklerotische Veränderungen sowie Niereneinschränkungen zu entdecken.

Hinzu kommt, dass ein größerer Bauchumfang zu einem Abfall des Testosteronspiegels führen kann. Durch einen Testosteronmangel beim Mann wiederum werden die Gewichtszunahme, Gefäßerkrankungen und Diabetes sowie psychische Erkrankungszustände, wie z. B. Antriebslosigkeit oder Depressionen, gefördert – ein Teufelskreis.

Ist der Mann Patient oder Klient?

Doch solange der Mann von den in seinem Körper ablaufenden Veränderungen nichts merkt, bleibt er auch den Praxen fern. Eine aktuelle Umfrage im Wartezimmer gynäkologischer bzw. urologischer Praxen macht das Problem mit dem Gesundheitsbewusstsein bei Mann und Frau noch einmal deutlich.

Während etwa 71% der Frauen im Wartezimmer "gesund" sind, also an irgendeiner Art von Vorsorgeprogramm (Mammakarzinom, Schwangerschaft, Zervixabstrich) teilnehmen möchten, sind fast 85% der Männer "krank" und suchen ärztlichen Rat. Dies veranschaulicht nochmals den Gegensatz zwischen der Vorsorgemedizin bei der Frau und der Reparaturmedizin beim Mann.

Gewinnt der Vorsorgegedanke auch beim Mann eventuell dadurch, wenn wir zukünftig vom Klienten und nicht mehr vom Patienten sprechen? Im Verständnis vieler Männer ist Patient, wer krank ist. Und wer nicht krank ist, muss auch nicht zum Arzt. Möglicherweise hilft hier auch auf Seiten der Ärztinnen und Ärzte ein Umdenken in der Ansprache und ebenso die regelmäßige Einladung der Männer zu wichtigen Vorsorgeprogrammen.

Welche Erfahrungen haben Sie hierbei schon in der eigenen Praxis gemacht? Lassen Sie die Kolleginnen und Kollegen doch einfach daran teilhaben und diskutieren Sie mithilfe der Kommentarfunktion – für mehr Männergesundheit und mehr Unterstützung in der Aufholjagd von Männern bei der Lebenszeit.

Quelle:
Grebe W. Warum ticken Männer anders? DGIM 2022, Wiesbaden