Barbara Leibelt-Menzel, Inhaberin eines Architektenbüros in Haan/Rheinland (NRW), gibt Tipps, worauf Praxisinhaber bei der Innengestaltung ihrer Praxis achten sollten, um den Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung und den Arbeitsschutz gerecht zu werden.
esanum: Worauf achten Sie als Architektin, wenn Sie erstmals eine Praxis betreten, Frau Leibelt-Menzel?
Leibelt-Menzel: Zunächst ist es der optische Eindruck. Sind die Räume hell und freundlich? Passen die Farben zueinander? Gibt es ein Corporate Design, das sich auch mit der Beschilderung und dem Internetauftritt deckt? Ich stelle mir vor, wie Patienten, Mitarbeiter und Ärzte wahrnehmen. Wie sind die Arbeitsabläufe organisiert und die Funktionsbereiche, Sprechzimmer und Wartebereiche angeordnet? Gibt es Informationsmöglichkeiten für Patienten? Ist die Praxis gut zugänglich und barrierefrei und gibt es Bereiche, die kindgerecht sind? Außerdem achte ich auf die Akustik besonders im Empfangsbereich, die Belüftung und das Raumklima.
esanum: Wo sehen Sie Risiken für die Qualität und den Arbeitsschutz der Angestellten?
Leibelt-Menzel: Idealerweise sollten sich die Arbeitsbereiche nicht kreuzen, da dies unnötige Wege mit sich bringt, Arbeitsabläufe verzögert und auch zu Unruhe führen kann, wenn Patienten zwischendurch das Gespräch mit dem vorbeieilenden Arzt suchen. Direkt am Arbeitsplatz wirken die Ergonomie und die Lichtverhältnisse. Die Risiken einer LED-Beleuchtung mit hohem Blaulichtanteil sind inzwischen bekannt, leider sind sich die wenigsten dessen bewusst und tun etwas dagegen. Auch Lärm kann krank machen. Gerade an der Rezeption ist der Geräuschpegel erhöht. Patienten kommen und gehen, Gespräche, Telefonate, Türklingeln, Rückfragen der Ärzte, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber nicht nur aus Gründen des Arbeitsschutzes ist es wichtig, hier Vorkehrungen zu treffen, sondern auch aus Gründen der Diskretion und des Datenschutzes. Angesichts der hohen Kontaktintensität sollten auch die Pausenräume so gestaltet sein, dass sie den Mitarbeitern Wertschätzung vermitteln und tatsächlich eine kurze Auszeit ermöglichen, ohne weitere Störungsquellen wie das Laufen einer Waschmaschine.
esanum: Die räumlichen Gegebenheiten sind in vielen Praxen begrenzt. Mit welchen kleineren Maßnahmen lassen sich noch Verbesserungen erzielen?
Leibelt-Menzel: Eine freundliche Atmosphäre, ein angenehmes Raumklima und eine bessere Beleuchtung und Akustik erfordern keine raumgreifenden Maßnahmen. Im Bundestag sind die Besprechungszimmer mit verschiebbaren, farblich unterschiedlichen Wänden ausgestattet, die je nach Ziel, ob anregend oder beruhigend, eingesetzt werden. Das Farbkonzept einer Praxis kann zu einem neuen Erscheinungsbild führen. Außerdem trägt es zur besseren Orientierung der Patienten bei, wenn zum Beispiel in einer Praxisgemeinschaft jeder Facharztgruppe eine Farbe zugeordnet wird. Für den Schallschutz sollten Bodenbeläge mit Trittschalldämmung gewählt werden, die zugleich belastbar und gut zu reinigen sind, z.B. aus Kautschuk, Vinyl, PVC. Zusätzlich können die Wände mit lärmabsorbierenden Elementen gestaltet werden. Mittels Belüftungs- und Luftreinigungstechniken lässt sich das Raumklima verbessern. Wenn Klimaanlage oder Wärmetauscher installiert werden sollen, ist es ratsam einen Elektro- oder Klimatechniker hinzuziehen. Dies gilt auch für neue Beleuchtungsanlage. Sofern die Möglichkeit besteht, sollten Praxisinhaber schon frühzeitig Optionen einer nachträglichen Veränderung in das Gesamtkonzept einplanen, so dass Leerrohre und Anschlüsse gleich mit verlegt werden können. Flexibilität bieten auch Rasterdecken und mobile Wandsysteme. Wenn Grundrisse und Arbeitsabläufe gut aufeinander abgestimmt sind, lässt sich Arbeitszeit einsparen, die dann den Patienten direkt zugutekommen kann.
esanum: Worauf sollten Praxisinhaber beim Mobiliar achten?
Leibelt-Menzel: Wie die Böden müssen sich auch die Oberflächen der Schränke und Ablagen gut reinigen lassen. Aus hygienischer Sicht sollten die Flächen glatt und fugenlos sein und die Wasserhähne berührungsfrei oder mit dem Arm bedienbar, um die Keimübertragung über die Hand zu mindern. Ebenso sind Schubläden geeignet, die sich per Druck öffnen lassen. Unterhalb der Desinfektionsspender zur Händehygiene wird der Bodenbelag oft trotz Auffangschale in Mitleidenschaft gezogen, auch dies ist bei der Materialauswahl zu beachten. Die Bestuhlung sollte schwergewichtigen Patienten über 150 Kilogramm standhalten können. Genauso wichtig ist es, auf pflegeleichte Oberflächen zu achten, die sich selbst im Falle einer Inkontinenz gut säubern lassen. Bei den stark beanspruchten Drehstühlen im Sprechzimmer und an der Rezeption bewährt sich ebenfalls gute Qualität. Zur Vermeidung von „Kabelsalat“ der Praxis-EDV kann man diese hinter einer aushängbaren Rückwandaufdopplung verbergen, damit sie geschützt sind und trotzdem die Anschlüsse gut zugänglich bleiben. Besonders ältere Praxen haben Nachholbedarf bei der EDV-Technik. Letztendlich erfordert aber jede Praxis ihr eigenes Konzept. Ein Kinderarzt legt Wert auf kindgerechte Angebote, während ein Radiologe den Strahlenschutz beachten muss. Wichtige Impulse, wie sich ihr Arbeitsbereich besser gestalten lässt, geben die Mitarbeiter. Sie sollten daher unbedingt in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Leibelt-Menzel!