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Psychiatrie: Chancen einer Rehabilitation nutzen

Psychische Erkrankungen sind in aller Munde. Dennoch haben es Menschen mit einer psychischen Erkrankung oft schwer, eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu realisieren. Unter den Beziehern einer Erwerbsminderungsrente stellen sie die größte Gruppe.

Psychische Erkrankungen sind in aller Munde. Dennoch haben es Menschen mit einer psychischen Erkrankung oft schwer, eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu realisieren. Unter den Beziehern einer Erwerbsminderungsrente stellen sie die größte Gruppe.

Die Gleichstellung psychisch Kranker mit somatisch Erkrankten wurde in der Psychiatrie-Enquete 1975 verankert. Das Konzept der Inklusion, das auf der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen 2006 basiert, welche von den EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde, hat nun zum Ziel, die Voraussetzungen für ein möglichst selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe zu schaffen. Betont werden hierbei die Bringschuld der Gesellschaft und ein breiteres Verständnis von Normalität, statt einseitige Anpassungsleistungen zu fordern.

Ein erster Schritt dorthin ist die medizinische Rehabilitation. Als Anschlussheilbehandlung (AHB) schließt sie an einen stationären Akutaufenthalt an. Zwar gehören psychiatrische Erkrankungen nicht zum Indikationsgebiet für eine AHB, doch können Patienten direkt einen Antrag beim Kostenträger stellen. In dringenden Fällen ist ein Eilverfahren möglich.

Ärzte als Wegweiser

Den niedergelassenen Ärzten kommt eine wegweisende Funktion zu, wenn Patienten eine medizinische Reha beantragen wollen. Auch Psychotherapeuten dürfen eine Reha verordnen. Ihre Befugnisse sind jedoch auf psychisch erkrankte Patienten und die psychosomatische Rehabilitation beschränkt. Ob die Reha bewilligt wird, hängt wie im somatischen Bereich - neben den versicherungsrechtlichen Bestimmungen - davon ab, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. D.h., die Patienten müssen sowohl rehabilitationsbedürftig als auch rehabilitationsfähig sein und es muss ein realistisches Rehabilitationsziel vorliegen, das der Patient erreichen kann.

Aus psychiatrischer Sicht gelten Menschen als bedürftig, wenn ihre mentalen Funktionen gestört sind, z.B. Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Wahrnehmung, Stimmungen, Affekte, Antrieb. Dies kann sich allerdings negativ auf die Rehabilitationsfähigkeit auswirken, z.B. wenn die Patienten nicht in der Lage sind, das Reha-Angebot in Anspruch zu nehmen. Rehabilitationsfähigkeit setzt daher einen bestimmten Genesungsgrad voraus, so muss vor einer Sucht-Reha ein Patient erfolgreich entwöhnt sein.

Zahlen der Rentenversicherung

Rehabilitative Maßnahmen werden mehrheitlich von der Rentenversicherung finanziert. Im vergangenen Jahr finanzierte sie knapp eine Millionen medizinische Reha-Leistungen. Fast 20 Prozent waren durch psychiatrische Erkrankungen bedingt, damit rangieren diese nach den Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems an zweiter Stelle. Sie werden hauptsächlich stationär erbracht, 176.000 zu 17.500 ambulanten Maßnahmen [2018]. Meistens liegen ihnen psychoaffektive Störungen zugrunde, knapp 90.000 im vergangenen Jahr (F30-39). Zudem sind Abhängigkeitserkrankungen bei Männern (F10-19) hervorzuheben sowie neurotische, Belastungs- und somatforme Störungen (F40-48), bei denen der Frauenanteil mit knapp zwei Drittel überwiegt.

Vergleichsweise selten erhalten psychisch erkrankte Patienten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hier stellen sie mit rund 13.700 Personen weniger als zehn Prozent der Rehabilitanden [2018], 2010 waren es 13 Prozent, d.h. rund 18.000 Patienten. Allerdings ist die Anzahl der Maßnahmen ohne Angaben zur Diagnose in beiden Jahren auffallend hoch: 2018 rund 38.800 bzw. 2010 rund 26.000.

Möglicherweise werden die Potenziale der Reha unzureichend genutzt, denn unter den Beziehern einer Erwerbsminderungsrente machen Patienten mit einer psychischen Erkrankung 42 Prozent aus.