Ärzte haben eine Schlüsselstellung in der Patientenversorgung inne. Dies wird sich durch die Reformen der Ausbildungsgänge anderer Gesundheitsberufe nicht grundlegend ändern, wohl aber könnten Fragen der Entscheidungsautonomie punktuell neu gestellt werden. Manches findet bereits statt.
Dass es möglich ist, einen eigenständigen Weg zu gehen, zeigt die Entwicklung der psychologischen Psychotherapie, die seit 20 Jahren einen festen Platz in der kassenärztlichen Versorgung hat. Der nächste Schritt ist ein Direktstudium, um den Zugang zum Beruf einheitlich zu gestalten. Bislang erhalten Psychotherapeuten ihre Approbation über eine postgraduale Qualifizierung nach einem psychologischen oder (sozial-)pädagogischen Studium.
Zum Wintersemester 2020/21 soll das fünfjährige Universitätsstudium Psychotherapie, gegliedert in Bachelor und Master, beginnen. Ein erfolgreicher Abschluss berechtigt, die Approbation bei der Psychotherapeutenkammer zu beantragen. Um für die kassenärztliche Versorgung zugelassen werden zu können, ist analog zu Fachärzten eine fünfjährige Weiterbildung notwendig. Die Versorgungsleistungen, die die psychotherapeutischen Weiterbildungsassistenten für Patienten erbringen, werden dann ebenfalls von den Krankenkassen vergütet.
Zum Teil werden sich die Befugnisse verändern, so sollen Psychotherapeuten künftig Ergotherapie und psychiatrische Krankenpflege verordnen können. Die Notwendigkeit einer ärztlichen Verordnung entfalle, heißt es im Gesetzentwurf zur Reform der Psychotherapeutenausbildung vom 27.02.2019. Keine Änderung steht bei der Verordnung von Arzneien, einschließlich Psychopharmaka, an. Dies bleibt Ärzten vorbehalten.
Unter den Gesundheitsfachberufen stellen Pflegekräfte ihre Bedeutung als größte Berufsgruppe in der Gesundheitsversorgung heraus. Die Gründung von Pflegekammern macht deutlich, dass sie wie Ärzte und Psychotherapeuten selbst für ihre beruflichen Belange eintreten wollen. Die erste Weiterbildungsordnung hat die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht, zuvor wurde dies in Landesverordnungen geregelt.
Ferner soll die gemeinsame (generalistische) Ausbildung von Kinder-, Kranken- und Altenpflegern zur Profilbildung beitragen. Sie startet 2020. Neu ist, dass die Auszubildenden nach zwei Jahren eine Zwischenprüfung machen, deren Bestehen zur Pflegeassistenz qualifiziert. Das dritte Ausbildungsjahr schließt mit dem staatlich anerkannten Abschluss zur Pflegefachkraft ab, der EU-weit anerkannt wird. Wahlweise können sich die Auszubildenden in den letzten vier Monaten auf Kinder- oder Altenpflege spezialisieren und eine entsprechende Berufsbezeichnung erwerben. Zugleich wird das Schulgeld bundesweit abgeschafft, bislang gilt dies nur in einzelnen Bundesländern. Die Finanzierung erfolgt über einen Ausgleichsfonds, in den die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen einzahlen.
Die Stärkung der Pflegeberufe, einschließlich des Ziels, dass bis zu 20% studiert haben sollten, lässt Potenzial für mehr Entscheidungsautonomie erwarten, die über eine Delegation ärztlicher Aufgaben hinausgeht. Nach § 63 Abs. 3c SGB V kann in Modellvorhaben erprobt werden, welche ärztlichen Tätigkeiten auf die häusliche Krankenpflege übertragen werden könnten. 2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss in der Heilkundeübertragungsrichtlinie die hierfür möglichen Diagnosen bestimmt, insbesondere Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, chronische Wunden, Demenz, Verdacht auf Hypertonus (außerhalb von Schwangerschaften). Als übertragbar gelten Assessments und Verlaufsdiagnostik, Behandlungspfade und die Umsetzung des Therapieplans. Die Indikationsstellung als originär ärztliche Aufgaben bleibt unangetastet, weswegen der BKK Bundesverband von einer erweiterten Delegation statt Substitution spricht.
Projekte, die die gesetzlichen Möglichkeiten unmittelbar in der Versorgung ausloten, fehlen. Nach dem Pflegeberufe-Reform-Gesetz sind die Krankenkassen und ihre Verbände nun aber gefordert, bis Ende 2020 entsprechende Vorhaben zu vereinbaren und durchführen. Zu klären sind u.a. Haftungs- und Honorierungsfragen.
Ein Knackpunkt ist auch die erweiterte Kompetenz, die in der Pflegeausbildung erworben werden soll, nicht in der Weiterbildung. Hier schafft der Modellstudiengang "Evidenzbasierte Pflege", der 2016 an der Universität Halle mit Unterstützung der AOK Sachsen-Anhalt aufgelegt wurde, neue Optionen: Laut Studiengangsinformation dürfen die studierten Pflegefachkräfte nach erfolgreichem Abschluss bei Diabetes mellitus Typ 2 und chronischen Wunden bestimmte Tätigkeiten übernehmen, die vorher ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren. Das vierjährige Studium gilt daher als erstes Modellvorhaben im Rahmen der Heilkundeübertragungsrichtlinie bundesweit.
Darüber hinaus könnte der G-BA gemäß § 4 Abs. 7 Krankenpflegegesetz selbst Module entwickeln, um die Ausbildungsinhalte zu standardisieren. Das Bundesgesundheitsministerium kann diese dann im Einvernehmen mit dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) ohne weitere Projekte genehmigen. Das ist in nächster Zeit jedoch nicht zu erwarten, da solche Module weder vorliegen noch beim G-BA in Beratung sind.
Zeitnahe Neuerungen zeichnen sich bei den medizintherapeutischen Ausbildungsberufen ab. Laut Koalitionsvertrag soll das Schulgeld wie in der Pflege bundesweit abgeschafft werden. Die notwendigen Finanzierungsfragen will das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit den Ländern bis Ende des Jahres klären. Außerdem stehen mit Inkrafttreten des Terminservice-und Versorgungsgesetzes (TSVG) für viele Therapeuten Honorarerhöhungen an, da die Preise bundesweit auf dem höchsten Niveau angeglichen werden. Die Kopplung an die Grundlohnsumme entfällt.
Relevant für Ärzte ist die "Blankoverordnung“, die mit dem TSVG neu eingeführt wird. Zwar müssen Ärzte wie bisher eine Heilbehandlung verordnen, damit diese im GKV-System abgerechnet werden kann, doch können die Therapeuten bei bestimmten Indikationen über die Art, Dauer und Häufigkeit der Behandlung künftig selbst entscheiden. Welche es sind, sollen der GKV-Spitzenverband und die Spitzenverbände der Heilmittelerbringer im Benehmen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bis Ende März 2020 festlegen.