Qualität steht im Fokus gesundheitspolitischer Aktivitäten. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff? Wer definiert? Trotz breitem Konsens über das Ziel einer qualitativ hochwertigen Versorgung gibt es strittige Punkte im Detail, wie die Stellungnahmen zum Methodenpapier des IQTiG zeigen. Auf einige Diskussionspunkte geht dieser Beitrag ein.
Aus dem Lateinischen kommend steht qualitas für Beschaffenheit. Der Begriff als solcher ist i.d.R. positiv besetzt. Naheliegend ist daher, dass die Qualität der Versorgung zur gesundheitspolitischen Maßgabe geworden ist und in den vergangenen beiden Dekaden zu neuen Rechtsvorschriften und Institutionen führte. Am einflussreichsten ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA 2004) mit seinen beiden zuarbeitenden Instituten, dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG 2004)und dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG 2015).
Während sich das IQWiG mit Arzneimitteln und anderen Untersuchungs- und Behandlungsverfahren befasst, steht beim IQTiG der versorgungsstrukturelle Aspekt im Vordergrund. Es geht um die einrichtungs- und sektorenübergreifende Qualitätssicherung und eine qualitätsorientierte Steuerung des Gesundheitswesens. In seinen „Methodischen Grundlagen“ (Methodenpapier), die im Mai 2019 aktualisiert wurden, definiert das IQTiG Qualität in Anlehnung an die DIN EN ISO 9000:2015 wie folgt:
"Qualität der Gesundheitsversorgung ist der Grad, in dem die Versorgung von Einzelpersonen und Populationen Anforderungen erfüllt, die patientenzentriert sind und mit professionellem Wissen übereinstimmen."
Damit rückt die patientenzentrierte Versorgung in den Vordergrund. Diese Stringenz wurde in der Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dahin gehend kritisiert, dass eine Orientierung an wissenschaftlicher Evidenz und professionellem medizinischen Wissen keinesfalls zu kurz kommen dürfe. Schließlich könne nicht davon ausgegangen werden, dass jedem Patienten die legitimen Anforderungen an medizinischen Versorgungsleistungen im Einzelnen bekannt seien.
Demgegenüber argumentiert das IQTiG, dass es eine Kernforderung der Patientenzentrierung sei, dass sich die Versorgung am Nutzen für die Patientinnen und Patienten ausrichte. Eine Versorgungsmaßnahme (Prozedur, Therapie, Intervention etc.) könne nur dann patientenzentriert sein, wenn unter Berücksichtigung der bestmöglichen Evidenz von einem Nutzen für Patientinnen und Patienten auszugehen sei. Patientenzentrierung und die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin gehörten untrennbar zusammen.
Doch was bedeutet Patientenzentrierung für den Arzt? Soll sich die Versorgung an einem objektivierbaren Bedarf und Präferenzen ausrichten oder an den Wünschen und Bedürfnissen der Patienten? Das IQTiG konkretisierte auf den Einwand der KBV, dass die Versorgung die Bedürfnisse und Werte der Patienten berücksichtigen soll, was nicht damit gleichzusetzen ist, dass jeder Wunsch erfüllt werden muss.
Qualität ist kein selbstständiges Konstrukt. Sie lässt sich nur messen und darstellen, wenn sie sich an formulierten Anforderungen ausrichtet, z.B. Wirksamkeit, Verfügbarkeit, Angemessenheit. An diesem methodischen Ansatz der ISO 9000 richtet sich das Methodenpapier aus. Fragen wirft die Messmethodik auf, z.B.: Sollte nach kasuistischen und statistisch gestützten Vorgehen unterschieden werden? Sind Peer Review Verfahren für die Qualitätsmessung geeignet? Wie lassen sich Abstufungen zwischen "guter" und "schlechter" Qualität ermitteln und darstellen?
In welcher Weise Qualität definiert, gemessen und bewertet wird, ist handlungsrelevant. So münden die methodisch-theoretischen Grundlagen in ein Modell, um ein Qualitätssicherungsverfahren für die Patientenversorgung zu entwickeln und Qualitätsindikatoren zu beschreiben. Hierauf stützen sich die Empfehlungen an den G-BA.
Insgesamt gingen über 20 Stellungnahmen zum Methodenpapier ein. Einige Aspekte hat das IQTiG in der überarbeiteten Version aufgegriffen. Selbst die Verwendung des Begriffs Qualitätssicherung bedarf der Konkretisierung. Während die ISO die Sicherung von der Qualitätsplanung, -steuerung und –verbesserung abgrenzt, geht das IQTiG davon aus, dass die Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung immer auch die Sicherstellung der Qualität beinhaltet, d.h., "Prozesse und Maßnahmen durch die die Qualität der Versorgung gewährleistet oder verbessert werden soll".
Vielleicht wäre es generell besser, den Begriff der Qualitätssicherung durch Qualitätsverbesserung zu ersetzen, wodurch das Ziel der Maßnahmen in den Vordergrund rückt. Hierauf verweist das Deutsche Netzwerk für Versorgungsforschung (DNFV) mit Blick auf US-amerikanische Diskussionen.