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Wendepunkte bei mehreren Varianten des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms

Es ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung: Zurzeit gibt es in der Krebsmedizin vor allem Erfolgsmeldungen bei Entitäten, die bis vor kurzem als weitgehend "hoffnungslos" galten. Fast könnte man meinen, dass mit den neusten Forschungsergebnissen eine Art ausgleichende Gerechtigkeit eingetreten wäre – frei nach dem Motto "die Letzten werden die Ersten sein"...

Es ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung: Zurzeit gibt es in der Krebsmedizin vor allem Erfolgsmeldungen bei Entitäten, die bis vor kurzem als weitgehend "hoffnungslos" galten. Fast könnte man meinen, dass mit den neusten Forschungsergebnissen eine Art ausgleichende Gerechtigkeit eingetreten wäre – frei nach dem Motto "die Letzten werden die Ersten sein"...

Okay, ganz so weit muss man philosophisch vielleicht nicht ausholen. Auf jedem Fall ist es aber erstaunlich und erfreulich, dass nun erstmals auch immer mehr Patienten mit prognostisch ungünstigen, fortgeschrittenen und metastasierten Malignomen "Licht am Ende des Tunnels" sehen dürfen.

Gleich mehrere Erfolge verbucht hier die thorakale Onkologie: Neben therapeutischen Fortschritten beim Mesotheliom, Thymuskarzinom und kleinzelligen Bronchialkarzinom, ist vor allem das besonders verbreitete nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) aktuell in den Fokus der Wissenschaft gerückt.

Neue Standards in Sicht

Erst vor wenigen Monaten erhielt Pembrolizumab die EU-Zulassung als Mono- und Erstlinientherapie beim metastasierten NSCLC mit hoher Tumor-PD-L1-Expression. Der Immun-Checkpoint-Inhibitor war mit einer signifikant verlängerten progressionsfreien und gesamten Überlebenszeit assoziiert und wies zudem weniger Nebenwirkungen als die bisherige chemotherapeutische Behandlung auf.

Explizit ausgenommen bei der Zulassung waren dabei unter anderem Tumoren mit einer genetischen Umlagerung der anaplastischen Lymphomkinase (ALK).  

Nun steht offenbar auch bei diesen ALK-positiven nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen ein "practice-change" im Rahmen einer Erstlinien-Zulassung für Alectinib an. Grund für diesen international von Experten erwarteten Schritt sind die außerordentlich guten Effekte des Inhibitors auf das durch die Mutation übermäßig exprimierte Enzym.

Im Vergleich zur bisherigen Standardmedikation mit Crizotinib zeigte Alectinib nämlich eine um 53% reduzierte Progressions- bzw. Todesrate, ein verbessertes Sicherheitsprofil und vor allem eine sehr potente Neuroprotektion – mit einem Risiko von lediglich 9% für die Entwicklung von Hirnmetastasen innerhalb eines Jahres, im Vergleich zu 41% bei Crizotinib. 

Die Daten dieser randomisierten, open label Phase-III-Studie namens ALEX wurden vor wenigen Wochen im New England Journal of Medicine und auf dem diesjährigen ASCO-Kongress vorgestellt.

Progressionsfreies Überleben mehr als verdoppelt

In der globalen angesetzten ALEX-Studie bekamen 303 frisch diagnostizierte und systemisch nicht-vorbehandelte Patienten mit ALK-positivem NSCLC in Stadium IIIB oder IV versuchsweise entweder Alectinib oder aber Crizotinib. In beiden Gruppen hatten rund 40% bereits Hirnmetastasen (was auch die Vitalität und Bösartigkeit dieser Tumorart spiegelt).

Neben den oben beschriebenen Resultaten blieben die Patienten im Alectinib-Arm mit 25,7 Monaten über 15 Monate länger progressionsfrei als die Crizotinib-Kohorte mit lediglich 10,4  Monaten. Insgesamt wurde darüber hinaus eine Senkung der ZNS-bezogenen Progression um 84% ermittelt.  

In einer vorangegangenen, Lancet-publizierten Studie aus Japan – entsprechend J-ALEX genannt – fanden sich zuvor übrigens ähnlich positive Effekte. Auch dort war Alectinib in allen relevanten Punkten überlegen.

Äußerst aktiv bei Hirnmetastasen

Crizotinib, das bisher zumindest initial als sehr wirkungsvoller Hemmer bei vorhandener ALK-Veränderung galt, hat im Vergleich zu Alectinab offenbar gleich mehrere Nachteile: Es durchdringt nur unzureichend die Blut-Hirn-Schranke, zeigt mehr Nebenwirkungen und versagt aufgrund von Resistenzen, die Patienten innerhalb eines Jahres nahezu ausnahmslos entwickeln.

Alectinib gelingt es hingegen offenbar, ein größeres Spektrum der mit der ALK-Mutation einhergehenden molekularen Veränderungen zu erreichen und damit Rezidive länger auszubremsen. Als Inhibitor der neueren Generation war Alectinib bisher nur bei Versagen von Crizotinib zugelassen, was sich aufgrund der überraschend eindeutigen Studienresultate aber wohl bald ändern dürfte.

Der Lungenkrebs der jungen Nicht-Raucher

Allein die überzeugende ZNS-Kontrolle wäre schon ein stichhaltiges Argument für eine Erstlinientherapie bzw. sogar einen Wechsel bei bestehender Crizotinib-Behandlung. Schließlich bedeuten Hirnmetastasen einen oft massiven Einschnitt ins Wohlbefinden und sind zudem häufig auch der ausschlaggebende Faktor für die Überlebensdauer.

Fazit: Wo immer man aktuell den genauen genetischen Merkmalen von Malignomen auf die Spur kommt, und diese mit immer zielgerichteteren Therapeutika behandeln kann, können schwer Krebskranke Lebenszeit und Lebensqualität gewinnen.

Zwar weisen nur 5% der NSCLC eine ALK-Positivität auf – doch sind wenige Prozent eines der deutschland- und weltweit am häufigsten vorkommenden Karzinome rein quantitativ auch schon beträchtlich. Zudem erkranken an dieser Bronchialkrebs-Variante häufig junge Menschen, die gar nicht oder nur wenig geraucht haben. Sollte es die anfangs erwähnte universelle Gerechtigkeit in irgendeiner Form doch geben, träfe sie hier – wie ja so oft – sicher nicht die Falschen.

Quellen:
1. Pembrolizumab versus Chemotherapy for PD-L1-Positive Non-Small-Cell Lung Cancer. Reck M et al. N Engl J Med. 2016 Nov 10;375(19):1823-1833.
2. Alectinib versus crizotinib in untreated ALK-positive non–small-cell lung cancer. Peters S, Camidge DR, Shaw AT, et al. N Engl J Med. 2017 Jun 6.
3. Alectinib versus crizotinib in patients with ALK-positive non-small-cell lung cancer (J-ALEX): an open-label, randomised phase 3 trial. Hida T, No et al. Lancet. 2017 Jul 1;390(10089):29-39.