Rauchzeichen: Änderung der Regulierung von E-Zigaretten weltweit Logo of esanum https://www.esanum.de

Rauchzeichen: Änderung der Regulierung von E-Zigaretten weltweit

Die Industrie vermarktet E-Zigaretten als sichere Alternative zu konventionellen Zigaretten, doch das Image von Sicherheit geht buchstäblich in Rauch auf. Im September beschloss die Regierung Indiens, Herstellung und Verkauf von E-Zigaretten zu verbieten. Sie folgt damit einem Aufruf der WHO an alle Mitgliedsstaaten.

Die Industrie vermarktet E‑Zigaretten als sicherere Alternative zu konventionellen Zigaretten, doch das Image von Sicherheit geht buchstäblich in Rauch auf. Im September beschloss die Regierung Indiens, Herstellung und Verkauf von E‑Zigaretten zu verbieten.1 Sie folgt damit einem Aufruf der WHO an alle Mitgliedsstaaten.

In einem Beitrag vergangenes Jahr hatten wir erörtert, dass E‑Zigaretten für Einsteiger das Tor zum Rauchen sein können, aus mehreren Gründen ungeeignet für den Rauchstopp sind und ihr Qualm keineswegs völlig unbedenklich ist. Wir hatten damit geschlossen, dass bessere Aufklärung und gesetzliche Regulierung nötig sind. Wo stehen wir heute?

Eine schlechte Angewohnheit durch eine andere ersetzen – Bequemlichkeit?

Obwohl vielerorts in Fach- und Laienpresse von den Gesundheitsrisiken durch E-Zigaretten und Vaporizer gewarnt wird, scheint die Botschaft bei vielen Verbrauchern nicht angekommen zu sein.
In Foren sind viele Meinungen wie diese zu lesen: "... trotz dieser Propaganda der Medien gegen die E-Zigarette steigen immer mehr Leute aufs E‑[D]ampfen um und bisher ist mir zumindestens noch nichts zu [O]hren gekommen, das[s] mal jemand wegen dem Dampfen schwer erkrankt ist. Auch ich selbst dampfe nun seit nem halben Jahr und ich muss ganz ehrlich gestehen, dass es mir seitdem viel viel besser geht, seitdem ich die Glimmstängel nicht mehr rauche und nur noch dampfe."2

Ein anderer äußerte: "E-Zigaretten sind perfekt zum Aufhören. Man kann weiterhin paffen und mit der Gewohnheit brechen, Zigaretten zu kaufen und zu rauchen."3 Der Anwender hat sein Gewissen beruhigt, kann die gewohnten Rituale des Rauchens beibehalten und muss auch die körperliche Abhängigkeit vom Nikotin nicht mehr zwingend in Angriff nehmen (wenige Aufhörer nutzen die nikotinfreien Liquids und auch diese sind nicht unbedenklich).
Im Gegensatz zu den wissenschaftlich erprobten nikotinhaltigen und -freien Therapien, die nicht mit den Risiken von E‑Zigaretten einhergehen und Raucher beim Aufhören unterstützen können, befürwortet die WHO E‑Zigaretten nicht als Rauchstopp-Hilfen. In einer Pressemitteilung der Regierung Indiens heißt es: "Die Wahrscheinlichkeit einer Einmischung der Tabakindustrie in Bemühungen zur Einstellung des Tabakkonsums durch Fehlinformationen zu möglichen Vorteilen dieser Produkte, die als Alternativen dargestellt werden, aber in vielen Fällen eine Ergänzung zum Gebrauch konventioneller Tabakprodukte sind, ist eine aktuelle und reelle Möglichkeit."4

Das Problem liegt in der Verharmlosung

Kritiker der E-Zigaretten werden mancherorts mit Lobbyisten in einen Topf geworfen. Der Pharmaindustrie sei die elektronische Raucherentwöhnung ein Dorn im Auge, der Tabakindustrie gingen Gewinne ab, dem Staat entgingen beim Dampfen die millionenschweren Einnahmen aus der Tabaksteuer usw.3 Doch all das geht am Kern des Problems vorbei. Die Gefahr liegt in der Vermarktung als "wesentlich gesündere Alternative". Auch Zigaretten ohne Filter oder chemische Zusatzstoffe verdienen nicht den Terminus "gesünder".
Unabhängig davon, ob E-Zigaretten schlimmer sind als konventionelle Zigaretten: am besten wäre, von beidem die Finger zu lassen. Warum überlegt man lieber, wie man das Rauchen substituieren könnte, anstatt zu überlegen, wie es zu beenden wäre? Viele Jugendliche sind mittlerweile gut geprimed, dass Rauchen sozial schlecht akzeptiert ist – und nun suggerieren Angebote, dutzende Aromen und Klassenkameraden, dass es eine echte Option wäre, mit dem Dampfen anzufangen.

Aktuell ist es einfach noch viel zu früh, das tatsächliche Ausmaß des Risikoanstiegs für Erkrankungen mit längerer Latenzzeit einzuschätzen. Es dauerte Jahre, bis es eine belastbare Evidenzlage zu den gesundheitlichen Folgen des Rauchens normaler Zigaretten gab und dann nochmals Jahre, bis es im Alltag der Menschen ankam.

Der Zusammenhang zwischen E‑Zigaretten-assoziierten Lungenerkrankungen und der zukünftigen Entwicklung von Lungenkrebs ist gut beschrieben

Die Tatsache, dass die chemischen Aromen und das Fehlen des klassischen, beißenden Zigarettenqualms für unsere limitierte menschliche Nase besser riechen, leisten der subjektiven Empfindung Vorschub, es würden überhaupt keine schädlichen Verbindungen entstehen und es sei vertretbar, neben Kinderwägen, im Kino oder in der Seilbahn die E‑Zigarette zu zücken, weil es doch "gar kein richtiger" Rauch sei. Die Wahrnehmung, dass es harmlos sei, ist schlichtweg falsch. Liquids für E‑Zigaretten enthalten diverse Chemikalien und Kontaminanten, die Gesundheitsschäden verursachen. Viele Lungenerkrankungen wurden in Fallberichten mit dem E‑Dampfen in Zusammenhang gebracht, darunter alveoläre Hämorrhagie, akute interstitielle Pneumonie, Bronchiolitis und Pneumonitis.5 Die Assoziation zwischen vielen dieser Erkrankungen und der zukünftigen Entwicklung von Lungenkrebs ist ebenfalls gut beschrieben.

Eine im September 2019 im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie6 berichtete über 53 PatientInnen, die Teil einer Häufung bei Lungenerkrankungen in zwei US‑Staaten waren. Alle waren E‑Dampfer mit einem Alter von im Median 19 Jahren. 50 mussten hospitalisiert werden, 48 hatten dabei einen auffälligen Rö‑Thorax-Befund (mit Komplikationen wie Pneumomediastinum, Pleuraerguss, Pneumothorax). Gängige Symptome bei Erstvorstellung waren Kurzatmigkeit, Husten, Brustschmerz sowie gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, abdominelle Schmerzen). Die Mehrheit wurde wegen respiratorischer Insuffizienz intensivpflichtig (9 davon mit ARDS). Seit Juni 2019 sind über 200 solcher Fälle in 25 US‑Bundesstaaten beschrieben. Die steigende Frequenz pulmonaler Erkrankungen bei E‑Dampfern muss mehr Aufmerksamkeit der Gesetzgeber nach sich ziehen. Bereits 2018 gab es im Lancet Oncology ein spannendes Editorial zum Thema, so auch im Oktober 20195, welche genau dies forderten.

Das Besorgniserregende ist, dass die Prävalenz des Dampfens unter jungen Leuten am höchsten ist, insbesondere unter Teenagern. An amerikanischen High-Schools hat sich die Popularität von 2017 auf 2018 verdoppelt.

Nach einer Untersuchung der Marketingpraktiken verwarnte die FDA den Hersteller 'Juul', der seine E‑Zigaretten illegalerweise als weniger schädlich als normale Zigaretten beworben und ein gezieltes Marketing-Programm eingesetzt hatte, um Kinder und Teenager zu erreichen, bspw. in Schulen und Ferienlagern.5 Ähnliche Lügen und Methoden wurden bis zur Einführung strengerer Gesetze lange Zeit von der Tabakindustrie genutzt.

Referenzen:
1. Changes in e-cigarette policies worldwide. The Lancet Oncology 20, 1487 (2019).
2. Was ist eure Meinung zu E-Zigaretten? GameStar-Pinboard https://www.gamestar.de/xenforo/threads/was-ist-eure-meinung-zu-e-zigaretten.460621/.
3. Stöver, H. & Jazbinsek, D. Weltnichtrauchertrag: Was Lobbyisten gegen E-Zigaretten haben. Die Zeit (2018).
4. Press Information Bureau. https://pib.gov.in/PressReleseDetail.aspx?PRID=1585437.
5. Oncology, T. L. Vaping-related lung illnesses: time to act. The Lancet Oncology 20, 1327 (2019).
6. Layden, J. E. et al. Pulmonary Illness Related to E-Cigarette Use in Illinois and Wisconsin — Preliminary Report. New England Journal of Medicine 0, null (2019).