Linienplastizität beim Prostatakarzinom: Ursachen und vielversprechendes Gegenmittel Logo of esanum https://www.esanum.de

Linienplastizität beim Prostatakarzinom: Ursachen und vielversprechendes Gegenmittel

In Reaktion auf antiandrogene Therapien gehen einige Prostatatumoren von einer drüsen- in eine schlecht behandelbare, nervenartige Form über. BET-Inhibitoren zeigen sich als vielversprechend bei der Überwindung dieses erst unlängst identifizierten Resistenzmechanismus.

In Reaktion auf antiandrogene Therapien gehen einige Prostatatumoren von einer drüsen- in eine schlecht behandelbare, nervenartige Form über. BET-Inhibitoren zeigen sich als vielversprechend bei der Überwindung dieses erst unlängst identifizierten Resistenzmechanismus.

Androgen-Deprivationstherapien (ADT) können anfangs wirksam sein, aber ein Großteil der Tumoren rezidiviert mit kastrationsresistentem Prostatakrebs (CRPC), der mit einer schlechten Prognose einhergeht.
Das ist der Zeitpunkt, an dem sich in den Malignomzellen ein fataler Gestaltwandel vollziehen kann: aus drüsenähnlichen werden neuroendokrine Zellen, die sich eher wie kleinzellige Lungenkarzinome verhalten. Dies wird als Linienplastizität bezeichnet. Forscher des Rogel Cancer Center an der Universität Michigan deckten kürzlich Näheres über die zugrundeliegenden Mechanismen dieser noch nicht allzu lange bekannten Form der Therapieresistenz auf.1,2

Androgenmangel fördert die neuroendokrine Differenzierung und Angiogenese bei Prostatakrebs

Die Inzidenz von aggressiven neuroendokrinen Prostatakarzinomen (NEPC) ist im Zusammenhang mit der Einführung neuerer und potenterer AR-Pathway-Inhibitoren wie Abirateron und Enzalutamid gestiegen.
Vorarbeiten der amerikanischen Wissenschaftler hatten ergeben, dass bei 17% der Patienten nach Behandlung mit diesen neueren Androgenrezeptor-Hemmern neuroendokriner Prostatakrebs gefunden wurde (versus weniger als 1% der Patienten, die keine Form der Androgenrezeptor-Hemmung erhalten hatten).3
"Dies deutet stark darauf hin, dass die Beeinflussung der Androgenrezeptorfunktion zu der erhöhten Zahl der therapieinduzierten neuroendokrinen Prostatakarzinome (t-NEPC) beiträgt, die wir heute klinisch sehen", sagt Dr. Joshi Alumkal, Leiter der Abteilung für medizinische Onkologie der Prostata und des Urogenitalsystems an der Universität Michigan.2

Das Wissen über die NEPC-Biologie und die Behandlungsoptionen ist bislang sehr begrenzt.
Unter Verwendung von Zellmodellen von Mensch und Maus und Gewebebiopsien von Patienten konnte Alumkals Team aufzeigen, dass die neuen und effektiveren Androgenrezeptor-Inhibitoren den Androgenrezeptor in einigen Tumoren so wirksam ausschalten, dass sie die Linienplastizität verstärken können.
Auch verschiedene neuere Studien anderer Forschungsgruppen haben beschrieben, dass eine ADT zur Aktivierung eines Signalweges (CREB) führt, der die neuroendokrine Differenzierung von Prostatakrebszellen fördert.4

Möglichkeiten, den Übergang zu neuroendokrinem Prostatakrebs zu blockieren: BET-Bromodomain-Inhibitoren

Die Wissenschaftler um Alumkal entdeckten, dass das Linienplastizitätsprogramm abhängig ist von einem Signalweg, der eine Rolle dabei spielt, wie die DNA gepackt ist und gelesen wird. In den therapieresistenten Zellen konnten sie hohe Konzentrationen des Transkriptionsfaktors E2F1 nachweisen, welcher für Stammzelleigenschaften und Zelldifferenzierung wichtig ist und damit für die Fähigkeit der Krebszellen, ihr "Programm" zu wechseln. 

E2F1 ist einem Targeting für einen Wirkstoff derzeit nicht direkt zugänglich. Doch die Forscher fanden einen Weg, dessen Aktivierung dennoch zu verhindern. Um das Linienplastizitätsprogramm einzuschalten, interagiert E2F1 mit dem BET-Bromodomain-Chromatin-Reader BRD4, der an der Regulierung der Genaktivierung beteiligt ist. Verbindungen, die gegen Bromodomain- und extra-terminale (BET) Proteine gerichtet sind, befinden sich bereits in der Entwicklung: BET-Hemmer.

Erste klinische Studien

Hier konnten die Forscher auf eine im Vorjahr von ihnen publizierte klinische Studie zurückgreifen, in der besonders aggressive, kastrationsresistente Tumoren sensibel auf eine BET-Bromodomain-Hemmung reagiert hatten.5
"Wir schauten uns diese Arbeit noch einmal an und stellten fest, dass etliche Patienten aus dieser klinischen Studie therapieinduzierten neuroendokrinen Prostatakrebs hatten. Wir untersuchten dann die Subgruppe von Patienten, die am besten abgeschnitten hatten und sie wiesen die höchste Expression von E2F1 und BET-Bromodomain-Protein BRD4 und die niedrigste Expression von Androgenrezeptoren auf", so Alumkal. 

In ihren aktuellen Versuchsanordnungen ließ sich mit dem gleichen Wirkstoff das E2F1/BRD4-regulierte Programm unterbinden. Als sie eine Reihe von therapieinduzierten neuroendokrinen Prostatatumoren mit BET-Inhibitoren behandelten, wurden Lebensfähigkeit und Wachstum der Zellen deutlich reduziert, sowohl in t-NEPC-Tumormodellen als auch in von Patienten stammenden Tumorzellen mit einer hohen Aktivität dieses Programms.

Die aktuellen Ergebnisse haben nun Anlass zur Planung einer größeren, internationalen, randomisierten Studie gegeben, die die Wirksamkeit eines von Zenith Epigenetics entwickelten BET-Hemmers insbesondere bei Männern evaluieren soll, deren Tumoren auf ADTs schlecht ansprechen und scheinbar unabhängig vom Androgenrezeptor geworden sind.2

Referenzen:
1. Kim, D.-H. et al. BET Bromodomain Inhibition Blocks an AR-Repressed, E2F1-Activated Treatment-Emergent Neuroendocrine Prostate Cancer Lineage Plasticity Program. Clin Cancer Res 27, 4923–4936 (2021).
2. BET inhibitors show promise in overcoming lineage plasticity, a newly recognized form of resistance to prostate cancer drugs. University of Michigan https://labblog.uofmhealth.org/lab-report/bet-inhibitors-show-promise-overcoming-lineage-plasticity-a-newly-recognized-form-of.
3. Aggarwal, R. et al. Clinical and Genomic Characterization of Treatment-Emergent Small-Cell Neuroendocrine Prostate Cancer: A Multi-institutional Prospective Study. J Clin Oncol 36, 2492–2503 (2018).
4. Androgenmangel fördert die neuroendokrine Differenzierung und Angiogenese durch den creb-ezh2-tsp1-Signalweg bei Prostatakrebs Naturkommunikation - Kommunikation 2021. Acoustic bio tech https://ger.acousticbiotech.com/androgen-deprivation-promotes-neuroendocrine-differentiation-565917.
5. Aggarwal, R. R. et al. A Phase Ib/IIa Study of the Pan-BET Inhibitor ZEN-3694 in Combination with Enzalutamide in Patients with Metastatic Castration-resistant Prostate Cancer. Clin Cancer Res 26, 5338–5347 (2020).