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Lenkt uns die Behandlung des Tumors zu sehr von der Behandlung des Patienten ab?

Während viel Forschungsarbeit in Therapien gegen Krebs investiert wird, erhalten Themen wie Wohlbefinden und Lebensqualität des Patienten über den Krankheitsverlauf hinweg deutlich weniger Aufmerksamkeit.

Während viel Forschungsarbeit in Therapien gegen Krebs investiert wird, erhalten Themen wie Wohlbefinden und Lebensqualität des Patienten über den Krankheitsverlauf hinweg deutlich weniger Aufmerksamkeit.1

Zu viele Krebspatienten sterben mit Schmerzen, Angst, Trubel, Konfusion und unausgesprochenen Abschieden, nachdem sie ihre letzten Lebensmonate mit Nebenwirkungen der Tumortherapie zugebracht haben.
Die Mehrheit der Patienten erhält die größte Menge an Chemotherapie-Behandlungen während ihrer letzten Lebensmonate.2 Es scheint, als hätten wir vergessen, dass eine Lebensverlängerung um jeden Preis nicht sinnvoll ist. Eine Befragung sehr alter (nicht nur Krebs-) Patienten ergab, dass es den meisten wichtiger ist, beschwerdefrei zu sein und Krankenhausaufenthalte zu vermeiden als noch lebensrettende Behandlungsmaßnahmen durchzuführen.3 Eine Sonderrubrik der letzten Ausgabe der Lancet Oncology widmet sich der derzeit mangelhaften Integration von onkologischer und palliativmedizinischer Versorgung.

Patientenzentrierte Behandlung: Therapie von Tumor und Host zusammenbringen

Palliativmedizin wird oft als etwas ausschließlich zum Lebensende Relevantes missverstanden. Dies wirkt sich auf die Patientenversorgung aus.
Wenn das Ziel der evidenzbasierten Medizin darin besteht, Menschen durch Forschung zu einem Leben in bestmöglicher Gesundheit zu verhelfen, dann sollte Forschung auch dazu dienen, das Lebensende bestmöglich zu gestalten.
Wenn ein Patient eine Krebsdiagnose erhält, sollte ein Teil der Vorkehrungen darin bestehen, Pläne für das Management von Nebenwirkungen oder für den Fall des Scheiterns der Therapie zu durchdenken und in umsichtigen, strukturierten Dialogen mit Patienten und ihren Angehörigen zu besprechen, wie sie in schwierigen Situationen vorgehen möchten.2

Randomisierte klinische Studien deuten immer wieder auf Vorteile der frühen Integration einer palliativen Versorgung hin: verbessertes Überleben und Symptomkontrolle, weniger Ängste und Depressionen, geringerer Einsatz erfolgloser Chemotherapien am Lebensende, gesteigerte Zufriedenheit in der Familie, höhere Lebensqualität und bessere Nutzung von Ressourcen des Gesundheitssystems.4

Das Fehlen internationaler Übereinkommen hinsichtlich Inhalten, Standards, Ausbildung und Forschung zur Palliativversorgung in der Onkologie stellt eine wesentliche Barriere für die erfolgreiche Integration dar. Auch die Stigmatisierung von Tod und Sterben, insuffiziente Infrastrukturen und knappe finanzielle Mittel spielen eine Rolle.
Patientenzentrierte Versorgung sollte eine zentrale Komponente onkologischer Betreuung sein, und zwar unabhängig von der Prognose des Patienten und der Behandlungsintention.

Häufigster Sterbeort ist das Krankenhaus

Die meisten terminal kranken Krebspatienten wünschen sich, zu Hause versorgt zu werden und auch zu sterben. Doch die meisten sterben in einer Einrichtung. Immer mehr ältere Menschen verbringen ihre letzten Lebensjahre in einem Alten- oder Pflegeheim, doch selbige verfügen in der Regel über einen sehr knappen Personalschlüssel und wenig Kompetenz in der Palliativversorgung.

Eine populationsbasierte Studie gab die Situation in Deutschland wie folgt wieder:
23% sterben zu Hause, 51% in Krankenhäusern, 1% auf Palliativstationen, 19% in Alten- oder Pflegeheimen und 5% in Hospizen.5 Diese Daten stammen von 2011 und der zu beobachtende Trend geht weiter weg vom Sterben im häuslichen Umfeld und hin zum Sterben in Altenheimen.
Im Rahmen einer Umfrage in Rheinland-Pfalz äußerten 94% die Präferenz, zu Hause zu sterben.6 Dagegen wünschten sich nur 1%, im Krankenhaus zu sterben, 3% auf einer Palliativstation und 2% im Pflegeheim. Die Verteilung bei den Angehörigen war respektive 81%, 4%, 8% und 7%.

Eine Stärkung ambulanter Versorgungsstrukturen, wie spezialisierter ambulanter Palliativversorgung, könnte mehr Menschen den Wunsch nach einem Sterben zu Hause ermöglichen und gleichzeitig pflegende Angehörige entlasten.

Referenzen:
1. Integration of oncology and palliative care. (2018). Available at: https://www.thelancet.com/commissions/palliative-care-oncology. (Accessed: 25th November 2018)
2. Coburn, C. & Collingridge, D. A step towards dignity in life and death. The Lancet Oncology 19, e565 (2018).
3. Fleming, J., Farquhar, M., Cambridge City over-75s Cohort (CC75C) study collaboration, Brayne, C. & Barclay, S. Death and the Oldest Old: Attitudes and Preferences for End-of-Life Care--Qualitative Research within a Population-Based Cohort Study. PLoS ONE 11, e0150686 (2016).
4. Kaasa, S. et al. Integration of oncology and palliative care: a Lancet Oncology Commission. The Lancet Oncology 19, e588–e653 (2018).
5. Dasch, B., Blum, K., Gude, P. & Bausewein, C. Place of Death: Trends Over the Course of a Decade: A Population-Based Study of Death Certificates From the Years 2001 and 2011. Dtsch Arztebl Int 112, 496–504 (2015).
6. Escobar Pinzon, L. C., Claus, M., Zepf, K. I., Letzel, S. & Weber, M. [Dying in Rhineland-Palatinate (Germany): preferred and actual place of death]. Gesundheitswesen 75, 853–858 (2013).