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Krebsdiagnostik per Blutentnahme: "liquid biopsy"

Nichtinvasive Möglichkeiten, Neoplasien so frühzeitig wie möglich zu entdecken, beschäftigen die Forschungswelt schon länger. Ein schnell wachsendes Feld sind Flüssigbiopsien – u. a. auch Thema auf dem AACR Annual Meeting vergangenen Monat.

Derzeitige Möglichkeiten von Flüssigbiopsien und Erkenntnisse der letzten Zeit – Utopie oder bald praxisfähige Routine?

Nichtinvasive Möglichkeiten, Neoplasien so frühzeitig wie möglich zu entdecken, beschäftigen die Forschungswelt schon länger. Ein schnell wachsendes Feld sind Flüssigbiopsien – u. a. auch Thema auf dem AACR Annual Meeting vergangenen Monat.

Während eine konventionelle Biopsie nur einen Schnappschuss eines kleinen Bereiches darstellt, der weder die genetische Heterogenität des Tumors, noch Mutationen nach längerem Selektionsdruck abbildet, könnten Blutentnahmen für Flüssigbiopsien repetitiv durchgeführt werden, um die Komplexität über den Erkrankungsverlauf hinweg zu erfassen.
Studien, die chirurgische Biopsien von Metastasen mit dem Primarius verglichen, konnten zeigen, dass die für Behandlungsentscheidungen häufig herangezogenen Biomarker einem dynamischen Wandel unterliegen und, dass eine longitudinale Überwachung der Patienten rechtzeitigere Therapieentscheidungen erlauben könnte.1

1. Option: zirkulierende Tumor-DNA

In fast allen Körperflüssigkeiten sind kurze Fragmente von Nukleinsäuren, sog. zellfreie DNA (cfDNA), nachweisbar. Ein kleiner Teil davon stammt bei Krebspatienten vom Tumor und trägt die gleichen genetischen Alterationen wie selbiger, daher der Name "circulating tumor DNA" (ctDNA). Diese Fraktionen für eine Analyse auseinanderzuhalten, ist allerdings leichter gesagt als getan, insbesondere da vorab keine Informationen über die genetischen Charakteristika des Tumors bekannt sind.

Für eine große Anzahl von Neoplasien ist eine gleichbleibende Korrelation zwischen Tumorlast und ctDNA gezeigt worden.
Damit könnte ctDNA Potential als nicht invasiver Biomarker für die Früherkennung von Primärtumoren, ebenso wie von Rezidiven bei minimaler Resterkrankung haben, möglicherweise Monate vor Präsentation klinischer Symptome. Da nur eine Blutentnahme nötig ist, könnten serielle ctDNA-Analysen durchgeführt werden, um Tumorlast und Therapieansprechen zu überwachen oder relevante Mutationen zu identifizieren (klonale Evolution, Resistenzentwicklung).2

Derzeitige Limitationen für den diagnostischen Einsatz zirkulierender Tumor-DNA

Dennoch verbleiben wichtige Herausforderungen, wenn mit ctDNA gearbeitet wird:2

Chip-basierte Technologien und die neueste Generation von Sequenzierungsverfahren (NGS = next generation sequencing) könnten einige dieser Probleme lösen. NGS erlaubt eine Profilerstellung größerer Abschnitte des Genoms, ohne dass vorab spezifische Alterationen bekannt sein müssen.

2. Option: zirkulierende Tumorzellen

Zirkulierende Tumorzellen (CTCs) wären als komplementäre Größe interessant. Dies sind Zellen, die sich vom Primarius oder einer Metastase gelöst haben und möglicherweise auf dem Weg sind, eine metastatische Läsion an einer anderen Stelle zu bilden. Ihre Konzentration im Blut ist ebenfalls sehr gering, kann jedoch Aufschluss über Aggressivität und Therapieansprechen liefern.1

In Studien dienten CTC-Analysen aus Blutentnahmen vor Therapiebeginn zur Vorhersage des Ansprechens.
Beim NSCLC (nichtkleinzelligen Lungenkarzinom) bspw. konnte – via Bestimmung der Kopienzahlvarianten (CNVs) vor Chemotherapie – zwischen chemosensiblen und chemorefraktären Individuen unterschieden werden (mit 83 % Genauigkeit).3

In einer anderen Untersuchung wurden Melanom-Patienten vor Behandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren stratifiziert. Die aus den CTCs ermittelten RNA-Expressionsprofile korrelierten prospektiv mit besserem progressionsfreiem und Gesamtüberleben unter Checkpoint-Blockade.4

Derzeitiger klinischer Einsatz von Flüssigbiopsien

Verfahren zur Auswertung von ctDNA wurden für die Routine-Diagnostik optimiert und seit 2016 in die klinische Praxis eingeführt, wenn auch für eine beschränkte Auswahl von Anwendungen (in erster Linie Testung auf Resistenz-Mutationen). Die fehlende Invasivität ermöglicht niedrigere medizinische Komplikationsraten, bessere Tolerabilität für die Patienten und letztendlich geringere Krankenhauskosten.

Die Untersuchung auf das Vorliegen der EGFR-T790M-Mutation beim NSCLC, die zu einer Resistenz auf Tyroskin-Kinase-Inhibitoren (TKIs) der 1. Generation führt, stellt die momentan weltweit mit Abstand häufigste Anwendung der ctDNA-Analyse in der Routine dar.1 Laut den aktuellsten Empfehlungen der FDA und EMA sollten Flüssigbiopsien in diesen Fällen durchgeführt werden, wenn kein Gewebematerial zur Verfügung steht.
Bemerkenswerterweise zeigen EGFR-T790M-plasmapositive Patienten ein höheres Ansprechen und Überleben unter Behandlung mit Osimertinib (EGFR-TKI der 3. Generation) als Patienten, die zwar gewebepositiv, aber plasmanegativ sind. Die molekulare Analyse von ctDNA ist demnach ein stärkerer Prädiktor als die Gewebeuntersuchung.

Anders ist die Lage für die Auswertung zirkulierender Tumorzellen. Molekulare Analysen in Einzelzell-Auflösung sind noch zu zeit- und kostenintensiv und daher bleiben Anwendungen, die über eine CTC-Auszählung hinausgehen, derzeit Forschungszwecken vorbehalten. Doch innovative Entwicklungen könnten dies in absehbarer Zeit ändern. Bioingenieure der Universität Lehigh, Pennsylvania, haben in den letzten Jahren ein Mikrofluidik-System perfektioniert, welches CTCs mit einer Effektivität von 80-95 % aus dem peripheren Blut fischen kann.5 Erste Tests dieses Gerätes im klinischen Setting sehen vielversprechend aus.

Referenzen:
1. Castro-Giner, F. et al. Cancer Diagnosis Using a Liquid Biopsy: Challenges and Expectations. Diagnostics (Basel) 8, (2018).
2. Gorgannezhad, L., Umer, M., Islam, M. N., Nguyen, N.-T. & Shiddiky, M. J. A. Circulating tumor DNA and liquid biopsy: opportunities, challenges, and recent advances in detection technologies. Lab Chip 18, 1174–1196 (2018).
3. Carter, L. et al. Molecular analysis of circulating tumor cells identifies distinct copy-number profiles in patients with chemosensitive and chemorefractory small-cell lung cancer. Nat. Med. 23, 114–119 (2017).
4. Hong, X. et al. Molecular signatures of circulating melanoma cells for monitoring early response to immune checkpoint therapy. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 115, 2467–2472 (2018).
5. Engineering a better cancer blood test to detect tumors early. ScienceDaily Available at: https://www.sciencedaily.com/releases/2018/04/180418092020.htm. (Accessed: 20th May 2018)