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Krebs in aktuellen Zahlen

Ein aktueller Blick auf die weltweite Entwicklung der Krebsinzidenzen und -sterblichkeit mit Daten aus der jährlichen Global Burden of Disease Study (GBD).

Ein aktueller Blick auf die weltweite Entwicklung der Krebsinzidenzen und -sterblichkeit mit Daten aus der jährlichen Global Burden of Disease Study (GBD).

Neoplasien und andere nichtübertragbare Erkrankungen (NCDs) gelten inzwischen als Bedrohung für die globale Entwicklung. Beim letzten hochrangigen Treffen der United Nations (UN) zu diesem Thema wurde der langsame Fortschritt bezüglich des Erreichens der 2011 gesteckten Ziele hervorgehoben. In der "Politischen Deklaration zur Prävention und Kontrolle von NCDs" war damals eine Reduktion der vorzeitigen Sterblichkeit durch NCDs um 25% bis 2025 angestrebt worden und im "Third Sustainable Development Goal" war von einer Senkung um ein Drittel bis 2030 durch Prävention, Behandlung und Förderung mentaler Gesundheit und Wohlbefinden die Rede.
Als wichtigste Hindernisse zum Erreichen dieser Ziele sahen die Mitglieder des Treffens Budgetierung, Mangel an situationsbezogenen Analysen und Defizite im Festlegen von Prioritäten.1

Krebsinzidenzen zwischen 2007 und 2017 um 33% gestiegen

Die Global Burden of Disease Study (Globale Krankheitslast-Studie, GBD) ist die umfangreichste deskriptive epidemiologische Studie, die es bislang gibt. Sie erfasst Mortalität und Erkrankungszahlen für die weltweit wichtigsten Diagnosen, Verletzungen und Risikofaktoren.2 Die aktuellste, gegen Ende des alten Jahres erschienene Auswertung zu Neoplasien beschreibt die Krankheitslast für 29 Tumorentitäten und deren Entwicklung von 1990 bis 2017.1

Im Jahr 2017 wurden weltweit 24,5 Mio. onkologische Neuerkrankungen und 9,6 Mio. Krebstodesfälle registriert. Standen Neoplasien im Jahr 1990 noch an sechster Stelle bei den führenden Ursachen für behinderungsbereinigte Lebensjahre (disability-adjusted life years oder DALYs), stellen sie nun die zweithäufigste dar.

Große Heterogenität

Die epidemiologischen Profile bezüglich der Krebsfälle in der GBD zeigen große nationale Schwankungen, die die unterschiedliche Exposition gegenüber Risikofaktoren, ökonomischen Bedingungen, Lebensstilen und dem Zugang zu medizinischer Versorgung und Vorsorge widerspiegelt.

Insgesamt waren die häufigsten neu aufgetretenen Tumorerkrankungen:

Onko 1.JPG

Die führenden Ursachen für Krebstodesfälle und -DALYs waren

Onko 2.JPG

Veränderungen über die Zeit

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Ende 2019 im New England Journal of Medicine veröffentlichter Sonderbericht mit dem Titel „Epidemiologic Signatures in Cancer“.3,4 Anhand Daten der vergangenen 40 Jahre liefert dieser einen umfassenden Blick auf die Entwicklung von Krebsinzidenzen und Mortalitätsraten. Die Autoren benennen auch die Effekte von Früherkennungsmaßnahmen auf die Diagnosezahlen und die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen echten Therapiefortschritten und Überdiagnostizierung.

Die unübersichtlichsten Kategorien sind in dieser Hinsicht Brust- und Prostatakrebs. Bei beiden war mit der Einführung von breiten Screening-Untersuchungen (Mammographie 1980–1990, PSA‑Screening 1987–frühe 1990er) ein drastischer Inzidenzanstieg zu verzeichnen. Die Inzidenz von Prostata-Neoplasien ist zwischenzeitlich gefallen, während die Brustkrebszahlen sich auf einem neuen Plateau stabilisiert zu haben scheinen. Die Mortalität beider ist gesunken (wie seit 1990 auch die vieler anderer Tumorarten). Die sich daraus ergebenden Kurven stellen insgesamt eine Mixtur der wahren Inzidenzraten, Überdiagnostizierung durch Screening und Verbesserungen in der Therapie dar. Den relativen Einfluss all dieser auf das Gesamtergebnis zu entwirren, ist nicht einfach. "All dies in Gesamtraten und -grafiken zusammenzufassen, verbirgt so viel, wie es offenbart", heißt es in einem Kommentar in Science Translational Medicine.3

(Über-)Diagnostik scheint auch die Schilddrüsenkrebs-Raten bei Frauen zu beeinflussen, deren Wahrscheinlichkeit dreimal höher ist, diese Diagnose zu erhalten, wenngleich die Mortalität sich zwischen den Geschlechtern nicht unterscheidet.
Und sowohl bei Männern als auch Frauen lässt Überdiagnostizierung bei Melanomen und Nierenkrebs die Gesamtinzidenzen schlimmer aussehen, als sie sind.3

Daten zum harten Endpunkt der Sterblichkeit sprechen jedoch eine klare Sprache: insgesamt ist Krebs in Europa bereits seit Jahren für mehr Todesfälle verantwortlich als kardiovaskuläre Erkrankungen, wie wir auch anhand von Daten der 'PURE'-Studie in einem vorangehenden Beitrag gesehen hatten.5,6

Referenzen:
1. Fitzmaurice, C. et al. Global, Regional, and National Cancer Incidence, Mortality, Years of Life Lost, Years Lived With Disability, and Disability-Adjusted Life-Years for 29 Cancer Groups, 1990 to 2017: A Systematic Analysis for the Global Burden of Disease Study. JAMA Oncol 5, 1749–1768 (2019).
2. Global Burden of Disease. https://www.thelancet.com/gbd.
3. Derek Lowe. Cancer By the Numbers. Science Translational Medicine - In the Pipeline https://blogs.sciencemag.org/pipeline/archives/2020/01/10/cancer-by-the-numbers (2020).
4. Welch, H. G., Kramer, B. S. & Black, W. C. Epidemiologic Signatures in Cancer. New England Journal of Medicine (2019) doi:10.1056/NEJMsr1905447.
5. Dagenais, G. R. et al. Variations in common diseases, hospital admissions, and deaths in middle-aged adults in 21 countries from five continents (PURE): a prospective cohort study. The Lancet 10.1016/S0140-6736(19)32007–0, (2019).
6. Yusuf, S. et al. Modifiable risk factors, cardiovascular disease, and mortality in 155 722 individuals from 21 high-income, middle-income, and low-income countries (PURE): a prospective cohort study. The Lancet 10.1016/S0140-6736(19)32008–2, (2019).