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Krebs im Frühsommer des Lebens: Die speziellen Bedürfnisse junger Tumorpatienten

Lediglich 3 Prozent aller Krebserkrankungen in Deutschland betreffen junge Leute zwischen 16 und Ende 30. Die Art der Malignome spannt sich dabei von den klassisch pädiatrischen Tumoren, über die für diese Lebensphase typischen wie Hodgkin-Lymphom, Hoden- oder Knochenkrebs, bis hin zu "adulten" Karzinomen wie Brust- oder Hautkrebs.

Lediglich 3 Prozent aller Krebserkrankungen in Deutschland betreffen junge Leute zwischen 16 und Ende 30. Die Art der Malignome spannt sich dabei von den klassisch pädiatrischen Tumoren, über die für diese Lebensphase typischen wie Hodgkin-Lymphom, Hoden- oder Knochenkrebs, bis hin zu "adulten" Karzinomen wie Brust- oder Hautkrebs.

Vielleicht aufgrund dieser geringen Prävalenz bleibt häufig unberücksichtigt, dass gerade diese Altersgruppe mit und neben der Diagnose eine Vielzahl von ganz spezifischen Herausforderungen meistern muss.

Zwischen allen Stühlen

Pädiatrische Patienten und ihre Angehörigen erhalten in der Regel eine auf sie abgestimmte, intensive Betreuung – sowohl in medizinischer als auch in psychosozialer Hinsicht. Betroffene höheren Lebensalters wiederum, die ja den Großteil der Neuerkrankungen stellen, sind durch Lebenserfahrung, Schicksalsschläge und die bereits hinter ihnen liegende Jahre mutmaßlich eher gewappnet, eine solche Diagnose emotional zu verarbeiten. Zudem sind sie beruflich und familiär zumeist soweit etabliert, dass sie sich eher auf die Therapie und den Umgang mit der Erkrankung zu konzentrieren können.

Jugendliche und junge Erwachsene werden mit dem Befund hingegen "in der Blüte ihres Lebens" eiskalt erwischt – und mit ihren besonderen Sorgen und Bedürfnissen zudem häufig weitgehend allein gelassen.

Ihre aktuelle Lebensphase ist wie keine andere geprägt von Ablösung, Aufbruch, Autonomie, Abenteuer und dem Aufbau einer eigenen Identität. Die Krankheit bremst diese Bestrebungen und Bedürfnisse nicht nur aus, sie wirft die jungen Menschen oft auch jäh zurück: Häufig muss ein Rückzug ins Elternhaus erfolgen, Studium oder Ausbildung abgebrochen, die Familienplanung verschoben oder Zukunftsträume dauerhaft begraben werden.

Verlustängste und Schamgefühle

Speziell die Partnersuche bzw. der Erhalt einer bestehenden Beziehung kann problematisch werden. Hier können nicht nur Ängste und Therapie-Belastungen Konflikte bringen, sondern auch die eigene Körperwahrnehmung: In diesem Alter spielen Aussehen und physische Unversehrtheit zur Bildung eines stabilen Selbstwertgefühls eine sehr wichtige Rolle. Narben, Haarverlust, Amputationen oder auch starke Gewichtsänderungen erschüttern viele Jugendliche und führen oft zu sozialer Isolation. Furcht vor Zurückweisung kann dabei die gesunde Entwicklung von Intimität und Sexualität behindern. Auch Schuld-, Scham- und Abhängigkeitsgefühle können eine erfüllende Paarbindung beeinträchtigen.

Sind bereits eigene Kinder geboren, sind diese zudem meist noch sehr klein – was in dieser Situation nochmals eigene Sorgen und Probleme mit sich bringt.

Berufliche und soziale Einschränkungen

Auch, wenn der überwiegende Teil der jungen Überlebenden wieder in Schule oder Job zurückfindet, entstehen oft lange Ausfallzeiten, die nicht selten deutliche Einschnitte in puncto Bildung, Qualifikationsgrad und Karriere nach sich ziehen. Überdurchschnittlich viele Betroffene sind arbeitslos oder erfahren längerfristige finanzielle Einbußen – schließlich gilt die erste Dekade auf dem Arbeitsmarkt unter Ökonomen als die entscheidende, weichenstellende Phase.

Daneben ist auch das Fehlen von Kollegen, Kommilitonen und vor allem Freunden für die meisten jungen Patienten sehr belastend. Fatigue, Unwohlsein, Schlafstörungen oder Schmerzen rauben oft Lust und Kraft für Aktivitäten mit Gleichaltrigen und verhindern damit Erfahrungen, die für diese Lebensspanne prägend sind. Der häufig empfohlene Verzicht auf Genussmittel wie Alkohol, Rauchen oder lange Partynächte verstärkt die Diskrepanz zur Peergruppe oft zusätzlich.

Die Disruption aus den alterstypischen Settings und die verfrühte Konfrontation mit dem eigenen Tod, führt oft in eine Außenseiterposition. Im Vergleich zu ehemals pädiatrischen Patienten, machen sich Betroffene, die die Diagnose im jungen Erwachsenenalter erhalten, erfahrungsgemäß auch mehr Sorgen um Rezidive, Langzeittoxizitäten und Zweitkarzinome. In mehreren Studien wurde zudem nachgewiesen, dass jugendliche Krebskranke signifikant öfter unter Distress und Depressionen leiden als jüngere oder ältere.

Auch medizinisch eine Herausforderung

Und auch rein biologisch/ therapeutisch gibt es Besonderheiten: Das fängt damit an, dass die Diagnose oft verzögert gestellt wird, da der Verdacht auf einen Tumor in dem Alter einfach nicht so naheliegend ist. Oft sind die Malignome auch aggressiver, die Response-Raten geringer und die Behandlungen notwendigerweise intensiver und nebenwirkungsreicher als bei anderen Altersgruppen. Überraschend dabei ist, dass junge Erwachsene Therapien bei gleicher Dosis oft schlechter vertragen als Kinder oder Ältere.

Erschwerend kommt hier noch eine – möglicherweise auch dem Jugendalter geschuldete – geringere Therapie-Adhärenz und eine niedrigere Teilnahmerate an Studien dazu. Von den aktuell großen Erfolgen der Krebsmedizin kann diese Patientengruppe derzeit nachweislich am wenigsten profitieren.

Und auch die Fertilität ist ein zentrales Thema, da viele der gängigen Krebsbehandlungen gonadotoxisch sind und gerade diese Personengruppe vor oder mitten in der Entscheidung zur Familiengründung steht.

Autonomie stärken

Fazit: Wenn mitten in die aktivste Lebensphase bzw. die Zeit der Persönlichkeitsfindung der Schatten einer Krebserkrankung fällt, ist das in vielerlei Weise tragisch und herausfordernd. Erstaunlich ist, dass es gerade über diese Patientengruppe auffallend wenig gesicherte wissenschaftliche Information und standardisierte Hilfsprogramme rund um das wichtige Thema "Coping bei Krebs" gibt.

Altersgerechte psychoonkologische Intervention und die Unterstützung eines sensibilisierten Umfelds kann sicher helfen, wieder Selbstvertrauen und Zuversicht zu gewinnen. Als besonders geeignet, sehen Fachleute auch die reifeabhängige Einbindung in Therapie-Entscheidungen, die selbstbestimmte Weitergabe von Befunden (z. B. an die Eltern) und eine verständliche und umfassende Aufklärung über die Krankheit – inklusive der Berücksichtigung, wenn der junge Patient bestimmte Aspekte nicht in allen Details wissen möchte. Gute multimediale Angebote können die Wissensvermittlung hier erleichtern.

Zerrüttetes Weltbild Schritt für Schritt aufbauen

Eine weitere Stütze kann der Kontakt zu gleichaltrigen Leidensgenossen sein, was in der heutigen Zeit durch das Internet und die sozialen Medien meist unkompliziert arrangierbar ist.

Letztlich braucht es eine Hilfe zur Selbsthilfe, die den jungen Patienten nicht nur körperlich wieder ins Leben holt, sondern ihn auch seelisch-moralisch aufbaut und für seine eigene lebenswerte Zukunft rüstet. Im Idealfall kann er seinem individuellen Schicksal dann vielleicht auch positive Seiten abgewinnen wie Stärke, Gelassenheit, Reife, Fokussierung auf das Wesentliche oder eine größere Wertschätzung des Lebens.

Referenzen:
Adolescent and young adult cancer: principles of care. Ramphal R et al. Curr Oncol. 2016 Jun; 23(3): 204–209.
Adolescent and young adult patients with cancer: a milieu of unique features. Sender L et al. Nat Rev Clin Oncol. 2015 Aug;12(8):465-80.
Körperliche und psychosoziale Belastung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer Krebserkrankung. Ladehoff N, Koch U, Mehnert A. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie (2011), 19, pp. 43-64.
Toxicity of Cancer Therapy in Adolescents and Young Adults. Bukowinski AJ et al. Semin Oncol Nurs. 2015 Aug;31(3):216-26.
Unmet information and support needs in newly diagnosed thyroid cancer: comparison of adolescents/young adults (AYA) and older patients. Goldfarb M et al. J Cancer Surviv. 2014 Sep;8(3):394-401.
Der junge Krebspatient: Psychosoziale Probleme und Konzepte der Rehabilitation. Beraldi A. Onkologie 2011;34(suppl 5):17–23.
Depression in adolescents and young adults with cancer. Park E. Dialogues Clin Neurosci. 2015 Jun; 17(2): 171–180.