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Krankheitsbewältigung als Therapietarget – wie emotionale Akzeptanz zu besseren Erfahrungen und Therapieergebnissen beitragen kann

Emotionale Erfahrungen und psychischer Stress im Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose und den anschließenden Therapien können die Aktivität des Immunsystems beeinflussen. Dies wiederum wirkt sich auf das Befinden und potenziell sogar auf den Krankheitsverlauf aus.

Emotionale Erfahrungen und psychischer Stress im Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose und den anschließenden Therapien können die Aktivität des Immunsystems beeinflussen. Dies wiederum wirkt sich auf das Befinden und potenziell sogar auf den Krankheitsverlauf aus.

Wie oft begegnen Ihnen in der Praxis PatientInnen mit guten Coping-Strategien? Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass nicht nur die Diagnose entscheidend für den Verlauf ist, sondern auch, wie der Behandelte über diese denkt.

Bewältigungsstrategien können sich über Veränderungen der Zytokinbalance günstig oder ungünstig auf die Physis auswirken

Tumorzellen und die Immunzellen in der Tumorumgebung können Zytokine freisetzen, die das Immunsystem aktivieren. Dabei spricht man von paraneoplastischen Symptomen. Leider generiert der Vorgang der Diagnosestellung selbst einen Sturm proinflammatorischer Botenstoffe infolge der ausgelösten starken und negativen Emotionen.1.2 Auch Strahlen- oder Chemotherapien können die Bildung entzündungsfördernder Mediatoren stimulieren.3,4

Die gesteigerte Entzündungsaktivität kann wiederum Krankheitssymptome hervorrufen, wie Fatigue, Schmerzen, körperliches Krankheitsgefühl, Übelkeit oder Kachexie. Diese Konstellation, auch „sickness behaviour“ (Krankheitsverhalten) genannt, wird als adaptiver Akutphasenzustand verstanden, in welchem der Körper eine organisierte biologische Abwehrreaktion in Gang setzt. Dieses „sickness behaviour“ selbst kann jedoch ebenfalls die Entzündungsantworten im Körper verstärken5 – so entsteht ein Teufelskreis aus Inflammation und Krankheitsverhalten.

Auch wenn „sickness behaviour“ als Antwort auf Infektionen nützlich ist, kann es für KrebspatientInnen ins Abträgliche umschlagen, nämlich dann, wenn die Aktivierung des peripheren Immunsystems oder emotionaler Disstress unvermindert fortbestehen und den Teufelskreis verschlimmern, was letztendlich die Ressourcen der Person erschöpft.4

Optimismus und gute Krankheitsbewältigung als Medizin

Eine richtungsweisende Studie untersuchte erfolgreiche Krankheitsbewältigung oder emotionale Akzeptanz als einen Weg, diesen Teufelskreis abzuschwächen.4 Mit emotionaler Akzeptanz ist eine Bereitschaft gemeint, sowohl positive als auch negative Gefühle zu empfinden bzw. zuzulassen, dass diese aufkommen und sich auflösen, ohne diese abwehren, ändern oder kontrollieren zu wollen.
Bei BrustkrebspatientInnen ist diese Einstellung mit weniger Disstress, weniger depressiven Symptomen und gesteigerter positiver Nutzenfindung verknüpft (z. B. Wahrnehmen positiver Veränderungen, wie etwa Zusammenrücken von Beziehungen oder stärkere Wahrnehmung der Bedeutung des Lebens).6-8 Noch wichtiger ist jedoch: emotionale Akzeptanz ist mit besserem Überleben assoziiert.9

Für die Studie wurden 136 Frauen mit einer kürzlichen Brustkrebsdiagnose über 2 Jahre nachbeobachtet. Alle 3 Monate wurden die Plasmaspiegel diverser Zytokine bestimmt und die Krankheitsverarbeitung anhand mehrerer validierter psychologischer Tests eingestuft (FACT: Physical Well-Being Scale, Acceptance of Emotion Scale).

Wichtig war dabei, dass jede Frau mit sich selbst verglichen wurde, nicht mit anderen Patientinnen. Für jede Patientin wurde also ein eigener durchschnittlicher Score für emotionale Akzeptanz berechnet, um von Hause aus unterschiedliche Optimismuslevel zu berücksichtigen. Jemand, der von Natur aus zu Pessimismus neigt, hätte demnach einen niedrigeren Ausgangswert.

Geringere Interleukin‑8-Spiegel und weniger Krankheitssymptome durch hohe emotionale Akzeptanz

Höhere Plasmakonzentrationen von TNF-α, Interleukin‑6 und Interleukin‑8 waren insgesamt prädiktiv für mehr Krankheitssymptome. Bei Frauen mit (für ihre Verhältnisse) niedrigen Punktzahlen für emotionale Akzeptanz waren mehr Krankheitssymptome und inflammatorische Zytokine zu beobachten, insbesondere IL‑8 und TNF‑α. Mit verbesserter emotionaler Akzeptanz sanken die Plasmaspiegel.
IL‑8 ist im Kontext von Brustkrebs ein sehr wichtiges Zytokin. Zum einen, weil Brustkrebszellen es selbst produzieren, und zum anderen, weil es weitere Entzündungskaskaden in Gang setzt, die das Immunsystem fehlregulieren und somit eine Metastasierung begünstigen können.1,10

Aber das Erstaunlichste oder bis dahin noch nicht Gezeigte kommt erst noch: starke emotionale Akzeptanz ging sogar dann mit weniger „sickness behaviour“ einher, wenn IL‑8 und TNF-α hoch waren. Dies interpretierten die Forscher so, dass eine effektive emotionale Bewältigung die Verquickung zwischen Entzündungsmediatoren und Krankheitssymptomen unterbrechen bzw. den Teufelskreis abschwächen kann.

Leider gilt dies auch in umgekehrter Richtung: Frauen mit schlechter emotionaler Akzeptanz litten bereits bei niedrigen IL‑8-Spiegel unter mehr Symptomen als Frauen mit höherer Akzeptanz.

Fazit

Die mit „sickness behaviour“ assoziierten Symptome können die Lebensqualität der PatientInnen erheblich beeinträchtigen – den oben beschriebenen Teufelskreis zu unterbrechen, könnte daher die Lebensqualität und das Überleben von Brustkrebspatienten verbessern.4,9 Die Ergebnisse der Studie sprechen dafür, dass emotionale Akzeptanz den Zusammenhang von Zytokinen mit Krankheitssymptomen bei Brustkrebspatienten beeinflussen könnte und dass Krankheitsbewältigung als Therapietarget helfen kann, den Circulus vitiosus aus Inflammation und Krankheitssymptomen zu durchbrechen.

Zur Vertiefung des Themas sei das 2006 als bestes Wissenschaftsbuch ausgezeichnete Werk "The Biology of Belief" (deutscher Titel: „Intelligente Zellen“) des renommierten Zellbiologen Bruce H. Lipton, Ph.D., ans Herz gelegt. Bereits damals beschrieb er auf spannende und auch für Laien zugängliche Weise, über welche molekularen und epigenetischen Mechanismen Emotionen in all unsere Zellen hineinwirken und wie bspw. ständiger Disstress und negative Gedanken unsere Gene stark dazu beeinflussen können, das zu exprimieren, was in letzter Konsequenz in Gesundheit oder aber in Krankheit mündet.

Referenzen:
1. Want to ‘Beat’ Cancer? End the Fight. Kelly Brogan MD https://kellybroganmd.com/want-to-beat-cancer-end-the-fight/ (2018).
2. Janelsins, M. C. et al. Differential Expression of Cytokines in Breast Cancer Patients Receiving Different Chemotherapies: Implications for Cognitive Impairment Research. Support Care Cancer 20, 831–839 (2012).

3. Grivennikov, S. I., Greten, F. R. & Karin, M. Immunity, inflammation, and cancer. Cell 140, 883–899 (2010).
4. Reed, R. G. et al. Emotional Acceptance, Inflammation, and Sickness Symptoms Across the First Two Years Following Breast Cancer Diagnosis. Brain Behav Immun 56, 165–174 (2016).
5. Segerstrom, S. C. & Miller, G. E. Psychological stress and the human immune system: a meta-analytic study of 30 years of inquiry. Psychological Bulletin 130, 601–630 (2004).
6. Jensen, C. G. et al. What to listen for in the consultation. Breast cancer patients’ own focus on talking about acceptance-based psychological coping predicts decreased psychological distress and depression. Patient Education and Counseling 97, 165–172 (2014).
7. Wang, Y. et al. Cognitive emotion regulation strategies as predictors of depressive symptoms in women newly diagnosed with breast cancer. Psycho-Oncology 23, 93–99 (2014).
8. Wang, Y. et al. What factors are predictive of benefit finding in women treated for non-metastatic breast cancer? A prospective study. Psycho-Oncology 24, 533–539 (2015).
9. Weihs, K. L., Enright, T. M. & Simmens, S. J. Close relationships and emotional processing predict decreased mortality in women with breast cancer: preliminary evidence. Psychosomatic Medicine 70, 117–124 (2008).
10. Lippitz, B. E. Cytokine patterns in patients with cancer: a systematic review. The Lancet. Oncology 14, e218-228 (2013).