Durch Chemotherapie entstehender Zell-Schutt fördert Tumor-Wachstum und -Rezidiv Logo of esanum https://www.esanum.de

Durch Chemotherapie entstehender Zell-Schutt fördert Tumor-Wachstum und -Rezidiv

Seit Jahrzehnten konzentriert sich die Therapie von Malignomen auf die Zerstörung von Tumorzellen bzw. Verringerung der Tumorlast, sei es durch breite zytotoxische oder gezielte molekulare Therapie. Ein Nebenprodukt beider ist jedoch der hohe Anfall apoptotischer Tumorzellen, die Inflammation und Tumorprogress stimulieren, wie eine vor weniger als 2 Wochen publizierte Studie der Harvard Universität zeigt.

Resolvine könnten davor schützen – ein neues Target in der Krebstherapie?

Seit Jahrzehnten konzentriert sich die Therapie von Malignomen auf die Zerstörung von Tumorzellen bzw. Verringerung der Tumorlast, sei es durch breite zytotoxische oder gezielte molekulare Therapie. Ein Nebenprodukt beider ist jedoch der hohe Anfall apoptotischer Tumorzellen, die Inflammation und Tumorprogress stimulieren, wie eine vor weniger als 2 Wochen publizierte Studie der Harvard Universität zeigt.1

Durch Chemotherapie oder "targeted therapy" zerstörte Tumorzellen tragen wesentlich zu einer Mikroumgebung bei, die Tumorigenese und Metastasierung begünstigt

Für die Strahlentherapie konnte bereits in verschiedenen Untersuchungen ein bis dato unterschätzter Tumor-wachstumsfördernder Effekt der zurückbleibenden Zelltrümmer gezeigt werden.2 Eine systematische Untersuchung für die Chemotherapie fehlte – bis jetzt.

Die Forscher behandelten Tumorzellen in vitro mit

Die hierdurch zerstörten Zellen (apoptotische Zellen, nekrotische Zellen und Zell-Fragmente) – im Weiteren summarisch als "Zellschutt" bezeichnet - wurden Mäusen mit einer kleinen Menge vitaler Tumorzellen gemeinsam injiziert, die allein nicht die Fähigkeit hätten, sich zu einem makroskopischen Tumor zu entwickeln.

Der Zellschutt aktivierte ein deutliches Tumorwachstum. Ursache hierfür ist ein Lipid, welches auf der Oberfläche toter und stark beanspruchter Zellen exprimiert wird: Phosphatidylserin. Dieses stimuliert Makrophagen zu einer massiven Freisetzung proinflammatorischer und tumorigener Zytokine. Es scheint wie ein fehlgeschlagener Reparaturversuch: als Antwort auf die Zerstörung von Zellen werden entzündliche und wachstumsfördernde Botenstoffe sezerniert, die die Umgebung zu einer Wiederherstellung anregen sollen.

Durch Gabe von Cisplatin und Vincristin wurde in Mäusen auch in vivo Zellschutt erzeugt, der die Fähigkeit überlebender Tumorzellen zur Bildung neuer Tumore signifikant erhöhte.

Chemotherapie und "targeted therapy" tragen demnach direkt zu Tumorprogress und –Rezidiv bei, indem der hinterlassene Zellschutt das Überleben und Wachsen von Tumorzellen begünstigt.

Verbesserte Clearance des Zellschutts durch Mediatoren wie Resolvine

So induzierte Tumoren können durch anti-entzündliche und auflösende Botenstoffe gehemmt werden, insbesondere Resolvin D1 (RvD1), RvD2 und RvE1. Diese Familie Lipid-ähnlicher Moleküle unterdrückt spezifisch das Zellschutt-getriggerte Tumor-Wachstum, indem die Beseitigung der abgestorbenen Zellen per Phagozytose (durch Makrophagen) gesteigert wird. Sie supprimieren außerdem die Freisetzung von Zytokinen (wie TNFα, IL-6, IL-8, CCL4, CCL5) aus Makrophagen, die durch abgestorbene Zellen stimuliert wurden und terminieren damit die inflammatorische Reaktion.

Bei den Mäusen verhinderten Gaben kleiner Mengen Resolvin das Zellschutt-initiierte Tumorwachstum und die Metastasierung. Darüber hinaus erhöhte die Resolvin-Behandlung die Aktivität zytotoxischer Therapien gegen unterschiedliche Tumorarten.3

Tumor-Wachstums-Paradox: Abtöten von Tumorzellen begünstigt neue Ausbreitung

Die Ergebnisse zeigen, dass das Dilemma zwischen Zerstörung von Tumorzellen und Zellschutt-generiertem Tumorprogress gelöst werden muss, um Rezidive nach Chemotherapie zu verhindern. Der Zellschutt, den eine Chemotherapie hinterlässt, kann unser Immunsystem dazu bringen, gegen uns zu arbeiten und die Entstehung neuer Tumore zu unterstützen.

Eine Option zum Durchbrechen dieses Teufelskreises könnte die Steigerung der im Körper physiologisch vorkommenden Produktion von antiinflammatorischen und abbauenden Mediatoren sein. "Ein Targeting der Resolvin-Signalwege wäre ein völlig neuer, nicht-toxischer und nicht-immunsuppressiver Ansatz in der Krebstherapie", sagt Co-Autor Huang vom Institute of Systems Biology.4 Resolvine werden bereits als Therapeutika für diverse entzündliche und neurodegenerative Erkrankungen klinisch getestet.

Referenzen:
1. Sulciner, M. L. et al. Resolvins suppress tumor growth and enhance cancer therapy. Journal of Experimental Medicine jem.20170681 (2017). doi:10.1084/jem.20170681
2. Huang, Q. et al. Caspase 3-mediated stimulation of tumor cell repopulation during cancer radiotherapy. Nature Medicine 17, 860–866 (2011).
3. Cancer therapy’s double-edged sword ... and how to blunt it. ScienceDaily Available at: https://www.sciencedaily.com/releases/2017/11/171130112430.htm. (Accessed: 13th December 2017)
4. Killing cancer softly: New approach halts tumor growth. Available at: https://www.medicalnewstoday.com/articles/320227.php. (Accessed: 13th December 2017)