Mit dem Aufkommen von Immuntherapien wie der Checkpoint-Blockade müssen Onkologen nicht nur kontinuierlich dazulernen, sondern sich auch mit einem völlig neuen Spektrum an Nebenwirkungen und deren Management auseinandersetzen.
Letzteres gilt ebenfalls für Hausärzte und Spezialisten nahezu aller Disziplinen, denn schließlich sind auch sie es, die frisch oder ehemals immuntherapierte Krebs-Patienten mit den verschiedensten Symptomen in ihrer Sprechstunde oder der Notfallambulanz vorfinden können. Die richtige Reaktion auf vermeintlich banale Beschwerden kann hier durchaus lebensrettend sein.
Die gute Nachricht ist: Neben dem oft überzeugenden Effekt auf das Malignom, haben Immuntherapeutika ein recht günstiges Sicherheitsprofil. Sie sind im Vergleich zu traditionellen Krebsarzneien nicht universell zellschädigend und auch die Nebenwirkungen sind zumeist geringfügig. Zudem sind diese heutzutage vorwiegend gut kontrollierbar und in aller Regel komplett reversibel.
Die – wenn man so will – schlechte Nachricht ist: Sowohl die behandelnden Ärzte als auch die Patienten müssen während, und noch eine ganze Weile nach der Therapie sehr wachsam sein. Schließlich wurde das Immunsystem zur Tumorbekämpfung ja ganz bewusst aktiviert und die begleitenden, autoimmunologischen Phänomene zeigen letztlich an, dass es tatsächlich seine ihm auferlegte Aufgabe tut.
Die Immunreaktion kann aber durchaus über das Ziel hinausschießen und sich im schlimmsten Fall massiv gegen Organstrukturen richten. Um derart gefährliche Autoimmunreaktionen zu vermeiden, müssen auftretende Beschwerden frühzeitig identifiziert und zeitnah behandelt werden.
Insbesondere mit Ipilimumab, dem 2011 zugelassenen ersten Checkpoint-Inhibitor und humanen Anti-CTLA-4-Antikörper liegen mittlerweile umfangreiche Erfahrungen mit Tausenden von Patienten vor. Nach Einführung der PD1-Checkpoint-Blocker Nivolumab and Pembrolizumab 2015 konnte das Wissen rund um die Nebenwirkungen und deren Management erweitert und verfeinert werden.
Trotz vergleichbarer Mechanismen gibt es hier aber auch Unterschiede: So zeigen die beiden PD1-Inhibitoren im Vergleich zu Ipilimumab neben einer Dosis-Unabhängigkeit auch eine andere Verteilung und insgesamt eine deutlich geringere Prävalenz störender Begleiterscheinungen.
Zwei Drittel der Patienten durchleben im Zuge der Immuntherapie zumindest diskrete Veränderungen. Die Rate der schwerwiegenden Ereignisse im Sinne etwa eines Stadiums 3–4 nach CTCAE (Common Terminology Criteria for Adverse Events) liegt bei den PD1-Antikörpern hingegen bei lediglich 10 % – und ist damit auch deutlich geringer als die entsprechende Quote bei den Chemotherapeutika, die in vergleichenden Studien mit 30 bis weit über 50 % angegeben wird.
Die sehr spezifischen Begleiterscheinungen der Immunbehandlungen haben international auch einen eigenen Namen und werden als irAEs, also immune-related adverse events bezeichnet. Das Spektrum dieser Dysimmuntoxizitäten ist breit – doch sollte jeder Arzt zumindest die relevantesten kennen: Dermatitis, Pneumonitis, Kolitis, Hepatitis, symptomlose Pankreatitis sowie Schilddrüsendysfunktionen, adrenale Insuffzienz oder Hypophysitis.
Letztere, eher unter Ipilimumab auftretende Endokrinopathien sind im Gegensatz zu den meisten anderen irAEs übrigens meist nicht reversibel und bedürfen in der Regel dauerhafter Hormonsubstitution. Seltenere immunvermittelte Manifestationen sind Iridozyklitis, Enzephalitis, Arthritis sowie nephrologische und neurologische Syndrome (z.B. Guillain-Barré).
Um im Bedarfsfall die autoimmunologische Kaskade rechtzeitig stoppen zu können, müssen also Symptome wie Ausschlag, Juckreiz, Fiebrigkeit, Fatigue, Husten, Kurzatmigkeit, Diarrhoe, Obstipation, Muskelschwäche oder Kopfschmerz unbedingt im Auge behalten werden. Insbesondere die rechtzeitige Behandlung der Pneumonitis und der Kolitis sind wichtig.
Die meisten Nebenwirkungen treten innerhalb von 3 Monaten nach Therapiestart auf und verschwinden auch wieder innerhalb von 3 Monaten, wobei eine charakteristische Chronologie auffällig ist. So zeigen sich beispielsweise kutane Veränderungen meist 2–3 Wochen nach Behandlungsbeginn, wohingegen gastrointestinale/ hepatische Symptome 6–7 und endokrinologische sogar 9 Wochen bis zur Manifestation brauchen. Nicht selten treten Probleme aber auch erst längere Zeit nach Entlassung aus dem onkologischen Setting auf.
Die Behandlungsprinzipien bestehen je nach Art und Schwere grob zusammengefasst primär aus einen temporären (ab Stadium 2) oder auch dauerhaften (ab Stadium 4) Absetzen der Immuntherapeutika und einer ebenfalls nach Stadien gestaffelten mehrwöchigen topischen bzw. systemischen Behandlung mit Glukokortikoiden spätestens ab Stadium 2. Ab Stadium 3 sollte die Dosierung von (Methyl-)Prednisolon nicht unterhalb von 1 mg/kg/d liegen – initial im Bedarfsfall sogar eher bei 2 mg/kg/d. Sollte die Immunsuppression nicht anschlagen, kann in manchen Fällen auch mit dem Tumornekrosehemmer Infliximab eskaliert werden.
Durch beherztes Eingreifen schafft man es meist, die Morbidität zu senken, ohne die krebshemmende Wirkung der Arzneistoffe zu schmälern.
Durch konventionelle Krebstherapien wird das Immunsystem beeinträchtigt, durch die Immuntherapie wird es hingegen angeregt. Dieser grundlegend konträre Ansatz erfordert auch ein radikales Umdenken beim Umgang mit den einhergehenden Beschwerden: So soll der Betroffene vermeintlich banale Unpässlichkeiten explizit nicht ertragen und erdulden, sondern sich stattdessen unverzüglich an den behandelnden Onkologen wenden. Der gut informierte und aufmerksame Patient spielt im Vergleich zu früher damit eine wichtige Rolle für den Therapie-Erfolg.
Fazit: Insbesondere mit dem Durchbruch der Checkpoint-Inhibitoren und der erwartbar sprunghaften Weiterentwicklung der Immuntherapien, ist die Krebsmedizin in eine neue Ära eingetreten. Aufgrund der damit auch steigenden Patientenzahlen, sollten auch primär nicht-onkologisch tätige Ärzte zumindest mit den Grundlagen dieser Therapien und vor allem ihrer potentiellen Probleme vertraut sein.
Um dem gesteigerten Wissensbedarf der Spezialisten gerecht zu werden, arbeitet das US-amerikanische National Comprehensive Cancer Network (NCCN) und die American Society of Clinical Oncology (ASCO) aktuell an evidenzbasierten, klinischen Guidelines, die noch in diesem Jahr publiziert werden sollen.
Quellen:
1. Management of immune checkpoint blockade dysimmune toxicities: a collaborative position paper. Champiat S et al. Ann Oncol. 2016 Apr;27(4):559-74.
2. Managing Immunotherapy-related Side Effects. Friedman C., Postow M. Oncology & Hematology Review, 2015;11(2):143–4
3. Toxicity management of immunotherapy for patients with metastatic melanoma. Linardou H et al. Ann Transl Med. 2016 Jul;4(14):272.
4. Managing the Side Effects of Novel Cancer Immunotherapeutics: Recognising and controlling the adverse effects of CTLA-4 and PD-1 blocking agents. Vonderheide et Gangadhar. Website der ESMO European Society for medical oncology. 17 Mar 2014
5. Nebenwirkungsmanagement von Immuntherapeutika. Worauf müssen wir achten? Dr. Caroline Anna Peuker, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie Charité. Vortrag Prime Time Immuntherapie in der Onkologie 15. Juli 2017, Berlin.