Tremor gilt als die häufigste Bewegungsstörung. Eine neue Arbeit von Forschern aus Texas beschreibt, was lange unklar war: von welchen Zellen dieser ausgeht.
Die derzeit verfügbaren Behandlungsoptionen bei Tremor sind nicht immer effektiv und die Entwicklung neuer Therapien dadurch erschwert, dass das neurologische Korrelat bislang unzureichend verstanden war. Dies gilt für verschiedene Arten von Tremor:
für den physiologischen Tremor (der bei ansonsten Gesunden unter körperlichem oder psychischem Stress beobachtbar ist), den essentiellen Tremor, Tremor, der im Gefolge anderer neurologischer Erkrankungen auftritt (M. Parkinson, Dystonie, Ataxie, Epilepsie, Insulte) und nicht zuletzt auch für Tremor, der sich als unerwünschte Arzneimittelwirkung einer wachsenden Liste häufiger Medikamente und Toxine entwickelt.
"In dieser Studie haben wir im Tiermodell die zugrundeliegende Hirnaktivität untersucht, die mit dieser Störung einhergeht und wir haben entdeckt, dass Purkinje-Zellen im Kleinhirn die Signale für Tremor triggern und verbreiten können", fasst Erstautorin Amanda M. Brown vom Baylor College of Medicine in Houston die kürzlich publizierte Arbeit zusammen.1,2
Zunächst legten die Wissenschaftler im Mausmodell die Kommunikationsfähigkeit von Purkinje-Zellen mit anderen Zellen gentechnisch still. Ihre Erwartung, dass sich bei diesen Tieren nach Gabe einer tremorauslösenden Substanz (Harmalin) ein Tremor einstellen würde, trat jedoch nicht ein. Dies führte sie zu der Annahme, dass nicht der Verlust von Aktivität, sondern die Aktivität dieser Zellen für die Auslösung eine Rolle spielen könnte.
Daher zeichneten sie die Aktivitätsmuster der Purkinje-Zellen im normalen Zustand und bei Tremor mittels intrakranieller Elektroden auf. Sie stellten fest, dass Purkinje-Zellen im Normalzustand in einem gleichmäßigen Rhythmus Signale an andere Zellen senden, bei Tremor hingegen änderte sich das Muster in eine sturmartige Frequenz (Bursts). Weitere Experimente zeigten, dass es diese stoßartige Aktivität war, die den Tremor auslöste: durch Optogentik, eine Technik zur Beeinflussung der Hirnaktivität mittels Licht, konnten sie die Purkinje-Zellen absichtlich dazu bringen, in Bursts zu feuern und wenn sie dies taten, hatten die Tiere einen Tremor. "Durch Variation der Frequenz des von den Purkinje-Zellen produzierten Signals konnten wir die Frequenz des Tremors verändern", erklärt Brown.
Die tiefe Hirnstimulation (THS oder DBS) wird bereits bei Patienten eingesetzt, deren Tremor auf Medikamente nicht anspricht. Typischerweise ist hierbei der Thalamus die Zielstruktur, der unter anderem Signale aus dem Kleinhirn erhält. Die THS hilft zunächst oft, verliert jedoch mit der Zeit an Wirksamkeit3, weswegen es die Forscher interessierte, ob die Stimulation anderer Areale einen besseren Nutzen erbringen könnte. Hiermit hatten sie Erfolg: eine THS der Kerne des Cerebellums, die den Output der Purkinje-Zellen verschalten, führte bei den Mäusen zu einer Reduzierung der schwersten Tremore auf normale Level. Wir erinnern uns: die Neuriten der Purkinje-Zellen sind die einzigen Efferenzen der Kleinhirnrinde.4 Purkinje-Zellen hemmen Neurone der Kleinhirnkerne, diese wiederum inhibieren Nucleus ruber und Thalamus (Feinabstimmung willkürlicher Zielbewegungen).
"Die Entdeckungen sind vielversprechend, aber bis wir diesen Ansatz in die Klinik implementieren können, ist noch viel zu tun", meint Koautor Prof. Roy V. Sillitoe.
Referenzen:
1. Researchers find brain cell that triggers tremor and how to control it. ScienceDaily https://www.sciencedaily.com/releases/2020/03/200319144649.htm.
2. Brown, A. M. et al. Purkinje cell misfiring generates high-amplitude action tremors that are corrected by cerebellar deep brain stimulation. eLife 9, e51928 (2020).
3. Paschen, S. et al. Long-term efficacy of deep brain stimulation for essential tremor: An observer-blinded study. Neurology 92, e1378–e1386 (2019).
4. Physiologie: Funktionen des Kleinhirns. http://physiologie.cc/XV.5.htm.