Hier fassen wir einige ausgewählte News vom weltweit größten Epilepsie-Kongress zusammen, der vom 6. bis 10. Dezember in Baltimore, Maryland, stattfand.
Speziell arrangierte Musik mit 40 Hz-Tönen könnte eine nicht-invasive Therapieoption zur Senkung der Anfallshäufigkeit sein. Erste Ergebnisse von Patienten, bei denen medikamentöse Therapieversuche fehlgeschlagen waren (etwa 40% aller Epileptiker), deuten darauf hin, dass der neue Behandlungsansatz die abnormale interiktale epileptiforme Aktivität regulieren kann. Der Effekt war besonders ausgeprägt bei Patienten mit einer hohen Ausgangsrate interiktaler Spikes.1,2
Eine große schwedische Registerstudie wertete Daten von fast dreitausend Patienten aus, die nach Apoplex eine Antikonvulsiva-Monotherapie erhalten hatten. Dabei wurden u. a. diverse Komorbiditäten, Begleitmedikationen und Apoplex-Subtyp berücksichtigt. Im Vergleich zu Carbamazepin ging Valproat mit einer 35% erhöhten Mortalitätsrate einher, Lamotrigin dagegen mit einer 25% niedrigeren.
"PSE‑Patienten (Post Stroke Epilepsie) erhalten noch immer Valproat als Erstlinien-Option und wir erkennen nun, dass diese Patienten eine höhere Mortalitätsrate haben", fasst Koautor Dr. David Larsson von der Universität Göteborg zusammen.3
Epilepsie-Patienten haben ein hohes Risiko für Depressionen. Etwa jeder dritte Teenager mit Epilepsie hat suizidale Gedanken, das sind 22% mehr als in der gleichaltrigen Normalbevölkerung. Ein kleiner, aber signifikanter Anteil dieser Patienten tauscht sich online über suizidale Gedanken, Handlungspläne oder Selbstmordversuche aus – was eine Chance zur Intervention bietet. Ein Team der Cleveland Clinic, Ohio, analysierte in einer ersten Studie dieser Art 222.000 Kommentare/ Konversationen von Epileptikern, die dieses Thema berührten. Davon stammten 41.000 von Teenagern (deren Wahrscheinlichkeit, Selbstmord online zu diskutieren, doppelt so häufig ist wie bei erwachsenen Mitpatienten). "Solche Unterhaltungen per künstlicher Intelligenz zu identifizieren, bietet eine große Chance, diese Teenager mit Möglichkeiten und Ressourcen zu versorgen [...] und sie an Stellen weiterzuleiten, an denen ihnen geholfen wird, wie Suizidpräventions-Hotlines und Websites", sagt eine der Untersucherinnen, Prof. Elia Pestana-Knight.4
Im November 2019 hat die FDA mit Cenobamat ein neues Antiepileptikum zur Therapie fokaler Anfälle bei Erwachsenen zugelassen.
Laut einer neuen, beim Kongress vorgestellten Analyse von fast 400 therapieschwierigen Patienten liegt die Rate derer, die unter dem neuen Medikament anfallsfrei wurden, im 20%-Bereich, je nach Dosierung. In den 200- und 400 mg-Gruppen waren die besten Effekte zu sehen. Die Wirkung scheint von der Anzahl anderer eingenommener Antikonvulsiva, der Erkrankungsdauer oder -schwere wenig beeinflusst zu sein.5
Im Median sank die Anfallshäufigkeit unter Placebo um 24 % und unter 100, 200 oder 400 mg Cenobamat um respektive 35,5%, 55% und 55%.6
Eine multizentrische Phase‑III-Studie konnte zeigen, dass eine orale Rezeptur hoch aufgereinigten Cannabidiols (CBD) die Anfallshäufigkeit bei Patienten mit Tuberöser Sklerose um mehr als ein Drittel reduzieren kann. Etwa 85% der TSC‑Patienten leiden an Epilepsie, die bei etwa zwei Drittel der Betroffenen nicht auf konventionelle Therapien anspricht.
Dr. Elizabeth Thiele, PhD, Leiterin des Zentrums für TSC und des Programms für pädiatrische Epilepsie am Massachusetts General Hospital, Boston meint: "CBD scheint ein effektives, sicheres und gut verträgliches Medikament zu sein und liefert uns eine neue Therapieoption bei TSC, wo ein bedeutender ungedeckter Bedarf besteht."
Die FDA hatte hochreinem CBD bereits 2018 für zwei andere therapierefraktäre Epilepsieformen – dem Dravet-Syndrom und dem Lennox-Gastaut-Syndrom – die Zulassung erteilt.7
"Ärzte sollten die Wichtigkeit der Folsäure-Substitution mit ihren weiblichen Epilepsie-Patienten nicht nur ein Mal, sondern bei jedem Termin besprechen", sagt Prof. Deepti Zutshi von der Wayne State University in Detroit. Sie empfiehlt, insbesondere afroamerikanische Patientinnen immer wieder daran zu erinnern und am besten in der Pubertät mit der Einnahme zu beginnen, nachdem eine Studie zu Schwangerschafts-Outcomes ergeben hatte, dass junge, afroamerikanische Frauen mit Epilepsie nur halb so oft Folsäure einnehmen wie Gleichaltrige anderer ethnischer Herkunft und dass ihr Risiko für ungeplante Schwangerschaften und spätere Komplikationen höher ist.8,9
Wir hoffen, dass diese kleine Auswahl an Kongress-Highlights interessant für Sie war.
Der nächste AES-Kongress wird vom 4. bis 8. Dezember 2020 in Seattle stattfinden.10
Refererenzen:
1. Music May Calm the Epileptic Brain. Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/922945.
2. Engineering Music to Mitigate Epilepsy. American Epilepsy Society https://www.aesnet.org/meetings_events/annual_meeting_abstracts/view/2422083.
3. AED for Post-Stroke Epilepsy Linked to Increased Death Risk. Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/922822.
4. AI Sheds New Light on Suicidality in Epilepsy. Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/922446.
5. Newly Approved Epilepsy Drug Significantly Cuts Seizure Frequency. Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/922353.
6. Krauss, G. L. et al. Safety and efficacy of adjunctive cenobamate (YKP3089) in patients with uncontrolled focal seizures: a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, dose-response trial. The Lancet Neurology 19, 38–48 (2020).
7. Cannabis Drug Promising for Seizures Linked to Tuberous Sclerosis. Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/922307.
8. Folate in Young Women With Epilepsy: Start Early, Remind Often. Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/922775.
9. Pregnancy Outcomes in African American Women with Epilepsy. American Epilepsy Society https://www.aesnet.org/meetings_events/annual_meeting_abstracts/view/2422138.
10. AES 2019. Medscape www.medscape.com/viewcollection/35146.