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Prävention von Demenz durch Prävention von Schlaganfällen

Apoplex und Demenz bergen gegenseitige Risiken und haben einige protektive und Risikofaktoren gemeinsam, von denen die meisten modifizierbar sind. Geschätzt wären etwa 35% der Demenzen durch Schlaganfall-Prävention zu verhindern.

Apoplex und Demenz bergen gegenseitige Risiken und haben einige protektive und Risikofaktoren gemeinsam, von denen die meisten modifizierbar sind. Geschätzt wären etwa 35% der Demenzen durch Schlaganfall-Prävention zu verhindern.

In der Eröffnungsrede des in diesem Jahr virtuell ausgetragenen EAN‑Kongresses Ende Mai hob der Präsident der European Academy of Neurology, Prof. Claudio L. Bassetti, die hohe Krankheitslast durch neurologische Erkrankungen hervor: weltweit liegen sie bei den Ursachen für Behinderung an erster und bei den Todesursachen an zweiter Stelle.1,2
Fast die Hälfte der behinderungsbereinigten Lebensjahre (DALYs) aller neurologischen Erkrankungen entstehen durch Schlaganfälle (42%) und 10% durch Demenz.3
Da ein Apoplex die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Demenz verdoppelt4 und 90% aller Schlaganfälle vermeidbar wären5,6, käme der Minimierung des Apoplex-Risikos auf Populationsebene wesentliche Bedeutung zu.7

WSO-Deklaration: Primärprävention von nicht übertragbaren Erkrankungen auf Populationsebene priorisieren

Die weltweite Krankheitslast durch Apoplex und Demenz nimmt zu. Wenn die aktuellen Trends sich fortsetzen, ist bis 2050 mit 200 Mio. Apoplex-Überlebenden und 106 Mio. Demenzkranken zu rechnen – und in jedem darauffolgenden Jahr mit 30 Mio. neuen Schlaganfällen, 12 Mio. Apoplex-Toten und fast 5 Mio. Toten durch Demenz.8 Es ist somit dringend, die Limitationen aktueller Vorbeugestrategien anzugehen.

Die WSO (World Stroke Organization) hat zu einer gemeinsamen Prävention von Apoplex und Demenz aufgerufen, was von allen großen internationalen Organisationen für neurologische und kardiovaskuläre Gesundheit unterstützt wurde.
Auch die aktuelle Ausgabe des Lancet Neurology greift die Kernpunkte der globalen WSO‑Deklaration noch einmal auf.8

Erheblicher Teil der Krankheitslast geht auf modifizierbare Risikofaktoren zurück

Eine wachsende Evidenzlage spricht dafür, dass ganze Populationen eine bessere kognitive Funktion und geringere Raten von Demenz haben, wenn sie bessere Bildung und weniger vaskuläre Risikofaktoren (z. B. reduzierte Prävalenz des Rauchens) erfahren.7
Vor Jahren hatte eine große Kohortenstudie bereits ergeben, dass die Kontrolle von nur fünf Lebensstilfaktoren (Rauchen, körperliche Aktivität, Ernährung, Alkoholkonsum, Gewicht) das Schlaganfall-Risiko bei Frauen um 47% und bei Männern um 35% senken könnte.9

Daher soll laut WSO der Fokus auf bevölkerungsweite Strategien gerichtet werden, insbesondere auf die Reduktion der lebenslangen Exposition gegenüber Risikofaktoren für Apoplex, Demenz, kardiovaskuläre Komplikationen und andere Risikofaktoren, die mit nicht übertragbaren Erkrankungen assoziiert sind (einschließlich Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung).

Auch das Potenzial von Aufklärungs- und Motivationsstrategien werde bislang zu wenig genutzt. Idealerweise sollten Gemeinschaftsinterventionen (wie Gesundheitshelfer in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen oder qualifizierte Lehrkräfte in Ländern mit hohem Einkommen), pharmakologische und nicht pharmakologische Interventionen kombiniert werden.

Ein wachsendes Verständnis der Pathophysiologie hat die Wechselbeziehung zwischen zerebrovaskulären Erkrankungen und Neurodegeneration aufgedeckt. Hieraus ergeben sich neue therapeutische Angriffspunkte zum Schutz des Endothels, der Blut-Hirn-Schranke und anderen Komponenten der neurovaskulären Einheit. Auch ein Targeting der Amyloid-Angiopathie-Aspekte von Inflammation und genetische Manipulation werden von einigen Wissenschaftlern als vielversprechend angesehen.7

Apoplex-Risiko als ein Kontinuum betrachten

Die WSO empfiehlt weiter, die Einteilung von Menschen in solche mit niedrigem, mittlerem und hohem Risiko für Apoplex und kardiovaskuläre Erkrankungen zu verlassen und spricht sich stattdessen für einen ganzheitlichen Präventionsansatz aus.

Die Organisation betont zudem die Rolle politischer Entscheidungsträger für die Umsetzung dieser Eckpunkte: etwa durch Einführung von Steuern für Rauchen, Zucker oder Alkohol, um deren Konsum zu senken und gesunde Verhaltensweisen zu begünstigen oder durch die Inangriffnahme von Problemen wie Luftverschmutzung. Auch bei gesellschaftlichen Einflussfaktoren sehen die Autoren Änderungsbedarf, sei es hinsichtlich sozioökonomischer Unterschiede, ungleichem Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, bis hin zu Vertreibern von Junk Food. In dem aktuellen Beitrag im Lancet heißt es dazu: „Einnahmen aus solchen Besteuerungen könnten und sollten in das öffentliche Gesundheitswesen reinvestiert werden, um Prävention, Forschung und Gesundheitsversorgung weiter zu verbessern.“8

Referenzen:
1. European Academy of Neurology Congress 2020. https://multiplesclerosisacademy.org/2020/05/29/european-academy-of-neurology-congress-2020/.
2. Feigin, V. L. et al. The global burden of neurological disorders: translating evidence into policy. Lancet Neurol 19, 255–265 (2020).
3. Nichols, E. et al. Global, regional, and national burden of Alzheimer’s disease and other dementias, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet Neurology 18, 88–106 (2019).
4. Kuźma, E. et al. Stroke and dementia risk: A systematic review and meta-analysis. Alzheimers Dement 14, 1416–1426 (2018).
5. O’Donnell, M. J. et al. Risk factors for ischaemic and intracerebral haemorrhagic stroke in 22 countries (the INTERSTROKE study): a case-control study. Lancet 376, 112–123 (2010).
6. Feigin, V. L. et al. Global burden of stroke and risk factors in 188 countries, during 1990-2013: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2013. Lancet Neurol 15, 913–924 (2016).
7. Hachinski, V. et al. Preventing dementia by preventing stroke: The Berlin Manifesto. Alzheimer’s & Dementia 15, 961–984 (2019).
8. Brainin, M. et al. Global prevention of stroke and dementia: the WSO Declaration. The Lancet Neurology 19, 487–488 (2020).
9. Chiuve Stephanie E. et al. Primary Prevention of Stroke by Healthy Lifestyle. Circulation 118, 947–954 (2008).