Bisher ließ sich die Diagnose einer CTE erst sichern, wenn sie dem Patienten nichts mehr nützte, nämlich in der Autopsie. Forscher konnten nun MRT-Marker identifizieren, sodass die Betroffenen zu Lebzeiten von der richtigen Einordnung profitieren könnten.
Nach wiederholten Schädeltraumen kann eine chronische traumatische Enzephalopathie (CTE) entstehen, eine progressive neurodegenerative Tauopathie, für die bisher keine Nachweismöglichkeit am Lebenden bestand. Unser Verständnis der klinischen Manifestationen der CTE hat sich verbessert, liegt aber immer noch hinter anderen Tauopathien zurück. Eine bahnbrechende Studie berichtet nun, dass es doch spezifische Charakteristika in der strukturellen Magnetresonanztomographie (MRT) gibt, die eine Diagnosestellung zu Lebzeiten ermöglichen würden.1
"Das wäre großartig!", schreibt ein Arzt in einem Leserkommentar auf dem Medizinportal Medscape.2 "Als die CTE anfing, bekannt zu werden, war einer meiner Patienten ein ehemaliger Football-Lineman aus der NFL. Seine offizielle Diagnose lautete "Schizophrenie" – aber es war klar, dass diese in Ermangelung von etwas Besserem gestellt wurde – und er starb wahrscheinlich mit dieser Diagnose. Doch heute ist (für mich) klar, dass er CTE hatte – und eine klare Diagnose hätte ihm zu einer viel besseren Lebensqualität verhelfen können. So wie es bei ihm lief, hatte er alles verloren: seine Farm, seine Familie, seine Freunde, die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen – alles."
Nach neuropathologischen Kriterien sind vier CTE-Stadien definiert, die eine progrediente Anhäufung von hyperphosphoryliertem Tau (pTau) beschreiben. Die Art und Verteilung der Tau-Pathologie bei CTE scheint sich von jener bei der Alzheimer-Krankheit zu unterscheiden. Auch kommt es bei der CTE nicht zu einer Akkumulation von ß-Amyloid-Plaques.2
Das Schrumpfen von Frontal- und Temporallappen gilt bei der CTE als initiales und auffälligstes Charakteristikum. In Stadium IV finden sich schließlich im gesamten Kortex diffus verteilte Tau-Läsionen und Tangles sowie ein Untergang von Neuronen und Gliose im Frontal- und Temporalhirn.
Eine aktuelle Studie untersuchte zu Lebzeiten 55 Männer mit später autoptisch bestätigter CTE, davon 45 im Stadium III/IV. Allen gemeinsam waren anamnestisch wiederholte Traumata des Kopfes. Fast alle (52/55) waren Fußballspieler gewesen, zwei Eishockey-Spieler und ein Mann hatte Militäreinsätze und Gefechte durchlebt.
Nach Korrektur für das Alter zum Zeitpunkt der Bildgebung wiesen die kognitiv symptomatischen Männer mit gesicherter CTE im Vergleich zu 31 kognitiv unauffälligen Kontrollen in der MRT zu Lebzeiten eine signifikant schwerere frontale, temporale und hippocampale Atrophie sowie eine fast 7-fach höhere Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein eines CSP (Cavum septum pellucidum oder Pseudoventrikel) auf. Letzteres Merkmal ist allerdings nur in Kombination mit der Schrumpfung des Frontallappens bedeutsam (ein CSP alleinig ist auch in der Allgemeinbevölkerung bei alten Menschen sporadisch zu finden). Zudem waren höhere Atrophie-Scores im MRT mit einer schwereren pTau-Akkumulation in 14 Regionen bei der Autopsie assoziiert.
Bei knapp zwei Dritteln der CTE-Hirnspender (n = 36) bestand parallel eine weitere neurodegenerative Erkrankung. Die Effektgrößen blieben jedoch auch bei Ausschluss der Patienten mit frontotemporaler lobärer Degeneration oder M. Alzheimer ähnlich.
Werden diese Ergebnisse durch prospektive klinisch-pathologische Korrelationsstudien validiert, könnte der Einsatz der strukturellen MRT als wertvolles Instrument zur Unterstützung der Diagnose einer CTE zu Lebzeiten werden, hoffen die Wissenschaftler.
In einem weiteren Leserkommentar spricht eine Psychologin ihren Dank für diese Arbeit aus und schreibt: "Ich bin eine Überlebende eines schweren Schädel-Hirn-Traumas vor 23 Jahren und habe multiple Stürze und Gehirnerschütterungen durch meine Kopfverletzung erlitten. Ich begrüße diese Neuigkeiten sehr. Ich möchte nicht bis zu meinem Tod mit einer Autopsie warten, um etwas zu tun, was ich jetzt schon hätte tun können."2
Stimmen von Experten, die an der Studie nicht beteiligt waren, halten aber entgegen, dass man die Ergebnisse auch nicht überbewerten solle. Eine frontal-temporale Atrophie sei kein Spezifikum der CTE. So wäre auch denkbar, dass die MRT-Befunde eher ein Schädel-Hirn-Trauma und nicht eine CTE widerspiegeln. Eine Tau-PET-Bildgebung sei potenziell ein besserer Kandidat für den neuen Goldstandard der CTE-Diagnostik als die MRT.
Die kritischste Gegenstimme geht hier aber noch weiter und gibt zu bedenken, dass der Zusammenhang von Tau mit einer Atrophie nicht überraschend ist und immer noch nichts darüber aussagen muss, wie oder ob die bei CTE beobachtete Tau-Pathologie zur klinischen Ausprägung der Symptome beiträgt.2
Referenzen:
1. Alosco, M. L. et al. Structural MRI profiles and tau correlates of atrophy in autopsy-confirmed CTE. Alzheimer’s Research & Therapy 13, 193 (2021).
2. MRI Key to Diagnosing CTE in Living Patients? Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/964345.