RSV-Prophylaxe: Herausforderungen in Praxen Logo of esanum https://www.esanum.de

RSV-Impfungen - aktuell großer logistischer Aufwand für die Praxen

RSV-Prophylaxe fordert Kinderärzte: Monoklonale Antikörper verursachen einen hohen logistischen Aufwand. Eine Optimierung wäre dringend nötig.

Logistischer Aufwand in Kinderarztpraxen

Alle Jahre wieder im Herbst: Das Wetter wird schlechter, die Kinder werden vermehrt krank. Die Atemwegsinfektionen nehmen wieder eindeutig zu. In den Herbstferien gibt es eine gewisse Entlastung, weil viele verreisen oder auch zu Hause bleiben und die Kinder nicht in die Schulen und Kitas gehen. Dann gehen die Atemwegsinfekte sofort leicht runter. Aber danach geht es wieder richtig los. Und darauf muss man sich vorbereiten. Noch haben wir es mit relativ harmlosen Viren zu tun.

Zunahme von Mykoplasmen

Am häufigsten sind Parainfluenza-Viren, Rhinoviren und Coronaviren. Das sind die drei Hauptkeime, mit denen wir täglich zu tun haben. Und bei Kindern verlaufen die Infektionen relativ harmlos. Was wir jetzt aber verstärkt sehen, sind Mykoplasmen. Daran erkranken Kinder zum Teil schwer. Während der Corona-Maßnahmen war dieser Keim nahezu verschwunden. Jetzt sehen wir einen recht dramatischen Aufholeffekt. In unserer Praxis sehen wir täglich zehn bis 15 Mykoplasmen-Infektionen. Die Kinder fiebern, husten - zum Teil geht es bis zur Pneumonie. Das Standardmedikament für Kinder, Amoxicillin, hilft dann nicht.

Bedeutung der Antibiotika-Wahl

Da muss man dann andere, spezielle Antibiotika geben. Daher sind Abstriche durchaus sinnvoll, um gleich die richtige Therapie machen zu können. Die Knappheit der Medikamente vom letzten Jahr haben wir in dieser Saison zum Glück nicht. 80 bis 90 Prozent aller Infekte bei Kindern sind ohnehin Virus-Infekte, die kein Antibiotikum brauchen. Hinzu kommt, dass jeder Kinderarzt immer bedenken muss: Muss es jetzt überhaupt ein Antibiotikum sein? Kommt man nicht auch mit symptomatischen Maßnahmen aus? Und ist es nicht auch selbst limitierend? Auch bei Mykoplasmen gibt es manchmal selbst limitierende Infekte, die von selbst verschwinden.

Klinischer Entscheidungsprozess

Nur wenn die Kinder wirklich schwer krank sind, wenn es in Richtung Lungenentzündung geht, muss man antibiotisch behandeln. Als Kinderarzt hat man den klinischen Blick, man sieht, ob die Kinder sehr krank sind oder ob sie munter sind. Und wenn man zusätzlich mit dem Abstrich verifiziert, was es ist, dann kommt es auf einen Tag auch nicht an. In etwa 50 Prozent der Fälle von Mykoplasmen entscheide ich mich für Antibiotika. Ich vermeide es, wenn möglich. Wir wissen ja, dass Antibiotika-Resistenzen ein Riesenproblem der nächsten zehn, fünfzehn Jahre sein werden. Das ist bekannt - und immer noch werden bei Atemwegsinfekten viel zu viele Antibiotika gegeben.

Logistische Herausforderungen bei RSV-Prophylaxe

Deswegen bin ich ein großer Freund von Abstrichen, damit man sicher gehen kann. Dafür braucht man natürlich ein Labor, das gut und schnell verfügbar ist, sodass man spätestens nach 24 Stunden das Ergebnis hat. Also: wenn ein Kind sehr krank ist, ist der Abstrich und ein schnelles Ergebnis sinnvoll. Allerdings scheint das in ländlichen Gegenden nicht so leicht umsetzbar zu sein. Das wird in Zukunft sicher so sein, dass man die Abstriche in der Praxis sofort auswerten kann. Derzeit sind diese Möglichkeiten leider viel zu teuer, und das übernimmt keine Krankenkasse. Zum Antibiotika-Einsparen wäre es allerdings ideal, wenn jede Praxis ihr kleines PR-Gerät hätte - und nach 15 Minuten wäre das Ergebnis da.

Zuverlässige Laborkapazität

Doch das ist Zukunftsmusik. Bei uns kommt alle zwei Stunden ein Laborfahrer und die Ergebnisse bekommen wir noch am selben Abend. Vor Corona gab es ca. 3 bis 4 Prozent Mykoplasmen bei den Atemwegserkrankungen. Jetzt sind es zehnmal mehr. Das hatten wir noch nie, dass das die vorherrschenden Keime sind. Aber wir müssen da durch, und ich bin sicher, das wird sich wieder normalisieren. Vor den Sommermonaten hatten wir vermehrt Parvoviren, die Ringelröteln verursacht haben, da war es genauso. Auch die waren ein, zwei Jahre nahezu verschwunden und dann kam plötzlich eine Riesenwelle Ringelröteln. Früher kamen die Keime alle zu ihrer vorhersehbaren Zeit.

Auswirkungen nach der Pandemie

Corona hat alles verändert. Das Nullen der Infektionen hat die Keimwelt durcheinander gebracht. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sich jetzt alles wieder einsortiert. Aber mit Sicherheit wird es nicht langweilig. Schwierig ist es jetzt allerdings mit der neuen RSV-Prophylaxe. Die monoklonalen Antikörper sind relativ teuer - sie kosten 450 Euro für die Saison. Das wird von der Krankenkasse bezahlt, muss aber jeweils individuell bestellt werden. Man kann nicht einfach 50 Dosen auf Vorrat bestellen, wie bei anderen Impfstoffen. Und das macht großen logistischen Aufwand für die Praxis.

Zukünftige Planung und Anpassung

Wir müssen jetzt alle ab April Geborenen nachimpfen und das möglichst, bevor die RSV-Saison richtig beginnt. Eine halbe Arzthelferin ist bei uns ausschließlich damit beschäftigt, die Medikamente individuell zu bestellen und die Termine mit den Patienten zu besprechen. In Berlin betrifft das etwa 30.000 Kinder, die innerhalb von einem Monat auf die Kinderärzte verteilt die RSV-Prophylaxe bekommen sollen. Wir hoffen, dass das Problem abgebaut ist, wenn die großen Infektwellen auf uns zurollen. Denn man will ja auch nicht die infizierten Kinder zugleich mit denen in der Praxis haben, die noch geimpft werden sollen. Im nächsten Jahr wird das hoffentlich besser planbar sein.

Weitere Informationen zu RSV

Dr. med. Martin Karsten

Dr. Karsten ist Facharzt für Kinderheilkunde und seit 1990 niedergelassen in einer pädiatrischen Gemeinschaftspraxis mit Dr. Evelyn Rugo und Dr. Matthias Wagner in Berlin-Wilmersdorf.