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"Diabetes-Rückbildung sollte an erster Stelle stehen"

Wann können wir den Weltdiabetesremissionstag feiern? Auch wenn es penetrant erscheinen mag: Wir bleiben noch beim Thema Diabetes-Remission.

Wann können wir den Weltdiabetesremissionstag feiern? Auch wenn es penetrant erscheinen mag: Wir bleiben noch beim Thema Diabetes-Remission.

Zunächst ein kleines Quiz aus aktuellem Anlass.

Fragen:

  1. Wofür steht der Hashtag #WDD2018?
  2. Für welche Krankheit wurde als zweite nach HIV/AIDS durch die Resolution 61/225 im Jahr 2006 ein offizieller UN-Tag verabschiedet?
  3. Warum wird der Weltdiabetestag heute (am 14. November) begangen?
  4. Was ist die wichtigste therapeutische Option für Patienten mit neu manifestiertem Typ-2-Diabetes?

Antworten:

  1. World Diabetes Day 2018 auf Twitter
  2. Diabetes mellitus
  3. Geburtstag von Frederick Banting (auch ohne Doodle bekannt, oder?)
  4. Diabetes-Remissionskonzept mit Lebensstiltherapie bzw. Ernährungsumstellung

Nicht leitlinienkonform, noch nicht …

Zugegeben, das Quiz hat seine Limitationen: kein Multiple Choice und eine (noch) nicht ganz leitlinienkonforme Antwort auf Frage 4.

Zu unserer Rechtfertigung: Die fehlende Mehrfachauswahl kann durch einen vorauseilenden Blick auf Frage 3 ("Weltdiabetestag") kompensiert werden. Und die Antwort auf Frage 4 ist halt das Thema dieses und früherer Blogbeiträge, mit denen wir Sie gerne etwas aus der Reserve locken und zu einer Kommentierung verleiten würden.

Der Zuckerkrankheit die Stirn bieten!

Immerhin ein Leser hat das nach unserem letzten Posting (Diabetes im Frühstadium: Abnehmen kann heilen!) getan und geschrieben: "Vielleicht sehe ich das falsch, aber ein Hausarzt oder Diabetologe sollte in der Lage sein – und sich die Zeit nehmen – seinem Patienten zu erklären, mit welchen Verhaltensregeln er seiner Zuckerkrankheit die Stirn bieten kann."

Ja, das sehen wir auch so. Nicht ganz sicher sind wir uns, was mit "die Stirn bieten" gemeint ist: Remissionskonzept oder medikamentöse Dauertherapie?

Es wird so viel – eigentlich dauernd, aber erst recht im Umfeld eines Weltdiabetestages – über ärztliches, patientenseitiges und öffentliches Bewusstsein, Umdenken, Prävention und die in den Fetisch-Status erhobene Nationale Diabetes-Strategie ("zum Greifen nah"!) geredet und geschrieben. Aber immer noch erstaunlich wenig über die Erfolge der Lebensstiltherapie, die mit (technologisch) einfachen und kostengünstigen Mitteln eine Remission, wenn nicht Heilung des Typ-2-Diabetes – vor allem in seiner frühen Manifestationsphase – erreichen kann.

Wachsende Evidenz für die Machbarkeit der Remission

Das und wie das geht, zeigen übrigens nicht nur die Ergebnisse der britischen DiRECT-Studie, sondern auch die im April in Diabetes Therapy publizierten 1-Jahres-Daten einer US-amerikanischen Untersuchung1. Dabei geht es um die Evaluation eines neuen Versorgungskonzepts mit Very-Low-Carb-Ernährung und kontinuierlicher Remote-Supervision durch Gesundheitscoach und Arzt. Anbieter ist das kalifornische Unternehmen Virta Health (Werbeslogan: "Tired of just managing your diabetes? Reverse it!").

In die nicht-randomisierte, kontrollierte Studie wurden 262 erwachsene Patienten mit Typ-2-Diabetes in den Verum-Arm (continuous care intervention) und 87 in die Kontrollgruppe (usual care) aufgenommen. Auf der Website von Virta Health werden die Erfolgsdaten der Interventionsgruppe nach einjähriger Studiendauer übersichtlich aufgelistet:

Verbesserungen waren auch hinsichtlich Inflammation (hs-CRP), Dyslipidämie (Triglyzeride), Leberfunktion (ALT) und Insulinresistenz (HOMA-IR) festzustellen. In der Kontrollgruppe fanden sich dagegen keine Änderungen bezüglich HbA1c, Gewicht oder Diabetes-Medikation.

Remission und Heilung: ein Problem in unserem "Gesundheitsmarkt"?

Auf beide Studien hat auch Dr. Johannes Scholl, erster Vorsitzender der Deutschen Akademie für Präventivmedizin, in einem Leserkommentar hingewiesen, dessen Überschrift wir uns hier zitierend angeeignet haben. Scholl kommentierte ein durchaus lesenswertes Interview auf Ärzte Zeitung online mit "Diabetes-Papst" Prof. Hellmut Mehnert, der im Februar seinen 90. Geburtstag feiern konnte. Die Replik von Scholl stimmt dabei nicht in den üblichen Huldigungsreigen ein, sondern bringt ganz unverhohlen ein monetäres Problem auf den Punkt, mit dem bei einer breitflächigen Krankheitsremission zu rechnen wäre:

"Bei aller Wertschätzung für Prof. Mehnert ist es schon traurig, dass die wichtigste therapeutische Option für den Patienten unerwähnt bleibt. Denn was wäre wohl das Beste für einen Patienten mit neu manifestiertem Typ 2-Diabetes? Ganz klar: Wenn er kein Diabetiker mehr wäre!!! (…) Das Problem: Mit solchen Diabetes-Rückbildungskonzepten gehen all denen, die an der Therapie des T2DM und seinen Folgeschäden viel Geld verdienen, die Profite verloren. Und leider wird der Gesundheitsmarkt die 'Nachfrage' nach Diabetestherapie lieber hochhalten..."

Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.

Referenz:
Hallberg SJ et al. Effectiveness and Safety of a Novel Care Model for the Management of Type 2 Diabetes at 1 Year: An Open-Label, Non-Randomized, Controlled Study. Diabetes Therapy 2018;9(2):583-612