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Diabetes, Hypertonie, hohe Blutfette: zu laxer Therapiebeginn verkürzt das Leben

Die frühzeitige konsequente Behandlung erhöhter Zucker-, Blutdruck- und Blutfettwerte zahlt sich für Diabetes-Patienten mit Mikroalbuminurie offenbar in einer erheblich verbesserten Lebenserwartung aus.

Die frühzeitige konsequente Behandlung erhöhter Zucker-, Blutdruck- und Blutfettwerte zahlt sich für Diabetes-Patienten mit Mikroalbuminurie offenbar in einer erheblich verbesserten Lebenserwartung aus.

Bringt jedes Jahr an intensivierter multifaktorieller Therapie den behandelten Diabetes-Patienten ein zusätzliches Lebensjahr? Ganz so einfach wird die Formel wohl nicht sein. Bei einer dänischen Studie kam allerdings ein bemerkenswertes Ergebnis heraus, das genau dieser Gleichung entspricht:

Die Teilnehmer der Steno-2-Studie wurden zunächst 8 Jahre intensiv gegen Diabetes, Bluthochdruck und Hyperlipidämie behandelt. Das brachte ihnen im 13-jährigen Follow-up zusätzliche 8 Lebensjahre gegenüber der Kontrollgruppe ein. Den Zugewinn an Lebensdauer spiegelte dabei ein ebenso langer Zeitraum, in dem die intensiv therapierten Patienten frei von kardiovaskulären Erkrankungen blieben.

Fortsetzung der dänischen Steno-2-Studie

Die Steno-2-Studie1 wurde 1993 mit 160 Typ-2-Diabetikern mit Mikroalbuminurie gestartet. Jeweils 80 Studienteilnehmer erhielten über knapp acht Jahre entweder eine konventionelle Therapie bei ihrem Hausarzt oder eine intensivierte, strukturierte Behandlung einschließlich verhaltensorientierter Maßnahmen in einer spezialisierten Diabeteseinrichtung. Gemäß den damaligen Leitlinien bedeutete das für die Zielwerte:

Außerdem erhielten nur die Patienten im Intensiv-Arm bei einer peripheren vaskulären Erkrankung ASS.

Wie zu erwarten, waren zwischen der intensiv und der konventionell therapierten Patientengruppe am Studienende nach 7,8 Jahren deutliche Unterschiede bei den Risikoparametern festzustellen:

Vor allem aber stellten die Wissenschaftler erhebliche Risikoreduktionen in der Gruppe der intensiv behandelten Patienten fest. Deshalb wurde nun auch der Kontrollarm auf die intensivierte Therapie unter Berücksichtigung aktueller Leitlinien-Zielwerte umgestellt. Damit wechselte das Studiendesign vom Interventions- in den Beobachtungsmodus.

Beobachtungszeitraum: 21 Jahre, medianer Überlebensvorteil: 8 Jahre

Im Jahr 2014, 21 Jahre nach Studienstart, traten dann erneut erstaunliche Ergebnisse zwischen den mittlerweile gleich behandelten Patientengruppen zutage2. Von den ursprünglich konventionell therapierten Teilnehmern waren 55 (69%) verstorben. Die mediane Überlebenszeit betrug in dieser Gruppe 13 Jahre. Unter den von Beginn an intensiv Behandelten gab es nur 38 Todesfälle (48%) und die mediane Überlebenszeit war bereits um 8 Jahre verlängert.

Unter Berücksichtigung der bekannten Risikofaktoren war die relative Mortalität in der Gruppe mit intensiver Therapie also um 45% und die absolute Sterberate um 21% reduziert. Offensichtlich ist die um 62% geminderte kardiovaskuläre Mortalität verantwortlich für den imposanten Überlebensvorteil.

Makro- und mikrovaskuläre Komplikationsrate gemindert

Mit Blick auf die mediane Zeit bis zum ersten kardiovaskulären Ereignis oder Sterbensfall stellten die Wissenschaftler fest: Im Arm mit ursprünglich konventioneller Therapie betrug sie 8 Jahre, bei durchgehend intensivierter Therapie 16 Jahre.

Bei frühzeitig begonnener intensiver Therapie kam es auch zu einer deutlich stärkeren Minderung von mikrovaskulären Komplikationen. Nur 5 statt 10 Patienten entwickelten in diesem Fall eine terminale Niereninsuffizienz. Die Verschlechterung einer Retinopathie fiel gegenüber der Vergleichsgruppe um 33% niedriger aus, Blindheit auf mindestens einem Auge um 53%, autonome Neuropathie um  41% und die Progression zur diabetischen Nephropathie bzw. Makroalbuminurie um 48%. Nur beim Fortschreiten einer peripheren Neuropathie wurden keine Unterschiede zwischen den Therapieregimes beobachtet.

Keine falsche therapeutische Bescheidenheit

Was nehmen wir auch aus dieser Studie für die Praxis mit? Der Diabetes ist letzten Endes eine Multisystemerkrankung und muss deshalb als solche behandelt werden. Und das möglichst intensiv, konsequent und frühzeitig, zu einem Zeitpunkt, an dem Risiko für die diabetestypischen Spätfolgen noch niedrig ist. Sind größere Gefäßschäden erst einmal entstanden, ist die frühere Zurückhaltung auch mit einer intensivierten Therapie nicht mehr wettzumachen. Acht Jahre sind eine ganze Menge.

Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.

Referenzen:

  1. Gaede P et al. Multifactorial Intervention and Cardiovascular Disease in Patients with Type 2 Diabetes. New Engl J Med 2003;348:383-93.
  2. Gæde P et al. Years of life gained by multifactorial intervention in patients with type 2 diabetes mellitus and microalbuminuria: 21 years follow-up on the Steno-2 randomised trial. Diabetologia 2016;59:2298-307.