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Diabetes-Heilung – eine Glaubensfrage?

Es mutet fast wie eine Glaubensfrage an und es geht auch ums Eingemachte: Ist der Diabetes (Typ 2) heilbar?

Es mutet fast wie eine Glaubensfrage an und es geht auch ums Eingemachte: Ist der Diabetes (Typ 2) heilbar?

Das Lutherjahr ist nun mit dem Festakt zum 500. Reformationsjubiläum in Wittenberg zu Ende gegangen. Reformationsbedarf besteht natürlich weiterhin ubiquitär, auch in ganz weltlichen Bereichen wie dem der Diabetologie.

Mangelndes Bewusstsein für potenzielle Heilbarkeit

Die evidenzbasierte Antwort auf die oben gestellte Frage scheint zu lauten: "Ja, schon. Aber derzeit halt sehr selten." Wissenschaftler von der Universität Glasgow haben dazu gerade im British Medical Journal eine Analyse publiziert. Sie vermuten, dass nicht nur vielen Patienten, sondern auch Ärzten das Bewusstsein dafür fehlt, dass der Typ-2-Diabetes rückgängig gemacht werden kann. Zudem beklagen sie das Fehlen offiziell vereinbarter Kriterien und international konsentierter Empfehlungen zur Klassifizierung und Kodierung bzw. Erfassung von (Ex-) Diabetes-Patienten in Remission.

Diabetes-Remission durch Abnahme von 15 kg möglich

Einige der Kernbotschaften der Autorengruppe um Prof. Mike Lean lauten:

In einer von den Wissenschaftlern zitierten US-Studie betrug die Remissionsrate unter 120.000 Patienten in einem Beobachtungszeitraum von 7 Jahren 0,14%. Laut schottischer Diabetiker-Datenbank befinden sich weniger als 0,1% der registrierten Typ-2-Diabetiker in Remission. Für die schottischen Studienautoren liegt das darbende Bewusstsein für den heilungsstiftenden Nutzen eines relevanten und dauerhaften Gewichtsverlusts auch an der mangelnden offiziellen Erfassung von Diabetes-Geheilten.

Demotivierender Faktor: Dogma der Unheilbarkeit

Eines dürfte dabei sicher sein: Mit der Aussicht auf eine potenziell mögliche Heilung sollten sich Patienten besser zu einer Lebensstiländerung motivieren lassen als unter dem Etikett einer vermeintlichen Unheilbarkeit. Und der Nutzen einer halbwegs geglückten Änderung gesundheitsschädlicher Gewohnheiten wirkt sich ja auch anderweitig (z. B. auf den Blutdruck) positiv aus – ob die komplette Heilung vom Diabetes nun tatsächlich erfolgt oder nicht.

Der Diabetologe Dr. Matthias Riedel vom MVZ Medicum Hamburg widmet sich in einem aktuellen Hausarzt-Beitrag (PDF-Link) den neuen Optionen "ohne Insulin" und "Diabetesheilung". Er verweist auf Prof. Rod Taylor von der Universität Newscastle, dessen Studienpatienten einen diabetischen Stoffwechsel durch radikale hypokalorische Diät innerhalb von 8 Wochen normalisieren konnten. Inspiriert durch die diabetesbezwingenden Erfolge der bariatrischen Chirurgie konnte Taylor in weiteren Studien bei Diabetikern mit weniger als 4 Jahren Krankheitsdauer eine Remissionsrate von 87% beobachten. Bei einer Krankheitsdauer von über 20 Jahren ließ sich die Zuckerkrankheit immer noch bei der Hälfte der Patienten zurückdrängen.

Normalisierung einer diabetischen Stoffwechsellage durch Formula-Diät

Formula-Diät und Haferkur sind vermutlich vielen Kollegen ein Begriff. "Nach der Novellierung der Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft ist der Einsatz einer Formula-Diät hoffähig geworden – allerdings nur unter ärztlicher Kontrolle und Optimierung der Ernährungsgewohnheiten", schreibt Riedel. Klar: Das kurzfristige radikale Vorgehen muss durch eine langfristige Ernährungsumstellung ergänzt werden.

Im "Insulin-Land Deutschland" ist es wohl vor allem der Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ) in Düsseldorf, Prof. Stephan Martin, der das Thema "Diabetes-Heilung durch Ernährungsumstellung" vorantreibt. Er hat die Vorlage von Taylor mit Erfolg in die Praxis umgesetzt und begleitet bundesweit Patienten via Telemedizin durch die Diät.

"Gewichtsoptimierung spielt in der deutschen Diabetestherapie noch keine große Rolle"

Riedel beklagt in seinem Beitrag, dass die Gewichtsoptimierung in der deutschen Diabetestherapie noch keine große Rolle spielt. Ein eklatantes Beispiel: "Im Disease- Management-Programm wird zwar das Gewicht abgefragt, es existieren jedoch keine Ziele, dieses zu senken und es gilt auch nicht als Qualitätsmerkmal einer gelungenen Diabetestherapie." Dabei kommt hier mit neuen Antidiabetika wie Gliflozinen (z. B. Empagliflozin) und Inkretinmimetika (z. B. Liraglutid) auch von medikamentöser Seite Rückenwind.

Umdenken erforderlich

Riedel bringt es in seinem Beitrag auf den Punkt: "Bis das Therapieziel Remission des Diabetes oder ein Heilungsversuch in Deutschland zur Standardoption wird, bedarf es noch eines mehrfachen Umdenkens in allen Bereichen des Gesundheitswesens: der Politiker, die gesetzliche Grundlagen dafür schaffen müssen, der Kassen, die diesen Heilungsversuch finanzieren müssen, der Ärzte, die ihren Patienten diese Option anbieten, und der Patienten, die diesen Weg auch gehen wollen." Jede Reformation fängt mit einem Umdenken an.

Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.

Referenz:

  1. McCombie L et al. Beating type 2 diabetes into remission. BMJ 2017;358:j4030.