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Bauchaorta-Screening: in drei Minuten Leben retten

Was unterscheidet Deutschland von Schweden? Deutschland kam gerade ins olympische Eishockey-Finale, Schweden nicht. Das ist zwar eine sporthistorische Sensation und aus deutscher Sicht ein wahres Wintermärchen, in diesem Blog aber natürlich nicht unser Thema. Es geht vielmehr um das Bauchaortenaneurysma (BAA).

Was unterscheidet Deutschland von Schweden? Deutschland kam gerade ins olympische Eishockey-Finale, Schweden nicht. Das ist zwar eine sporthistorische Sensation und aus deutscher Sicht ein wahres Wintermärchen, in diesem Blog aber natürlich nicht unser Thema. Es geht vielmehr um das Bauchaortenaneurysma (BAA).

Nicht so selten, aber häufig vermeidbar: Tod infolge Bauchaortenaneurysma

Die Prävalenz der potenziell lebensgefährlichen Gefäßerweiterung ist altersabhängig. Bei den über 50-Jährigen beträgt sie um die 1%, bei Männern über 65 Jahren 4-8% (bei Hypertonikern bis zu 10%) und bei Frauen 0,5-1,5 %. In etwa einem Zehntel der Fälle ist die Aorta auf über 5 cm erweitert und die Rupturgefahr hoch. Die Prognose bei gerissener Bauchschlagader ist mit einer Gesamtletalität von mindestens 80% ausgesprochen schlecht. Vermutlich könnte aber fast jeder zweite derartige Todesfall vermieden werden.

Die Schweden begannen bereits im Jahr 2006 mit der schrittweisen Einführung eines BAA-Screening-Programms für alle Männer im Alter über 65 Jahre. 2015 wurde die flächendeckende Etablierung erreicht. Deutschland zieht nun endlich nach, zumindest erstattungstechnisch: Seit Jahresbeginn haben gesetzlich krankenversicherte Männer ab 65 Jahren Anspruch auf ein einmaliges Ultraschall-Screening zur Früherkennung eines Bauchaortenaneurysmas.

Seit 1. Januar ist das Ultraschall-Screening eine Kassenleistung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Vertreter der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hatten sich eigentlich "schon" im Jahr 2016 (also zehn Jahre nach den Schweden) auf die Übernahme dieser Früherkennungsuntersuchung in den GKV-Leistungskatalog geeinigt. "Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses tritt voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2017 in Kraft, wenn die begleitende Versicherteninformation vorliegt", hieß es damals vonseiten der KBV. Hat wohl etwas länger gedauert als gedacht … Immerhin – jetzt liegt die Versicherteninformation (PDF-Link) zur Unterstützung der ärztlichen Screening-Beratung vor und sollte möglichst flächendeckend Verwendung finden.

In Schweden hat das ganz gut geklappt. Das skandinavische Land ist uns ja nicht nur im Eishockey weit voraus (normalerweise), sondern auch, was die Etablierung nationaler Register und deren Auswertung durch Registerstudien betrifft. Demnach ist die Akzeptanz in der schwedischen Bevölkerung für das Schallen der Bauchaorta ziemlich hoch: Zwischen 2006 und 2014 haben 84% der eingeladenen Männer an dem Screening teilgenommen1. Mal schauen, ob wir das in Deutschland auch hinkriegen …

Schwedische Registerstudie belegt fast 40%ige Reduktion der Sterblichkeit

Die im Top-Journal Circulation veröffentlichte Schweden-Studie hat zudem folgende Fakten geliefert:

Insgesamt also eine recht erfolgreiche und mit 7.770 Euro pro qualitätsadjustiertem Lebensjahr "äußerst kosteneffektive" Maßnahme, wie die Autoren von der Universität in Uppsala berechneten.

Gefahr der Übertherapie? Nicht relevant, da "mindestens ein Viertel aller Patienten mit einem durch ein Screening diagnostizierten Bauchaortenaneurysma als Konsequenz länger leben", so die schwedischen Wissenschaftler.

Schnelle B-Bild-Sonografie ist ausreichend

Auch deutsche Experten wie Prof. Hans Henning Eckstein vom Münchener Klinikum rechts der Isar plädieren schon seit Jahren für das Schallen der Aorta, nach dem Motto "Drei Minuten, die Leben retten". In vier früheren Studien mit randomisiert-kontrolliertem Design fiel die Screening-Bilanz sogar noch positiver aus als in der schwedischen Registerstudie: "Um einen Tod durch ein rupturiertes Aneurysma zu verhindern, sind 350 Untersuchungen nötig. Das ist für ein Screening ein sehr guter Wert", so der Gefäßchirurg Eckstein.

Die Ultraschalluntersuchung ist für Erfahrene eine eher simple Angelegenheit. Mit der farbkodierten Duplexsonographie (CDUS) wird eine untersucherabhängige Sensitivität und Spezifität bis zu 100 % erreicht. Das standardisierte Vorgehen erfolgt streng orthogonal an der Stelle des maximalen Querdurchmessers mit einer Messung in anteriorposteriorer und transversaler Richtung. Anders ausgedrückt: Der Schallkopf muss einmal quer zur Aorta nach unten geführt und dann einmal längs zum Gefäß gehalten werden. "Dafür reicht das B-Bild, und das dauert drei Minuten", so Eckstein. Empfohlen wird eine Messung von Außendurchmesser zu Außendurchmesser (Outer-to-Outer-Wall).

Bei einem Durchmesser von 3-4 cm sollte eine Kontrolluntersuchung nach 12 Monaten, bei größeren Aussackungen schon nach 6 Monaten erfolgen. Eine Detailausmessung ist nicht erforderlich, bei auffälligem Befund wird zur CT-Angiografie überwiesen. Eine Operation ist bei Männern ab einem Durchmesser von 5,5 cm und bei Frauen ab 5,2 cm indiziert, jeweils unter Berücksichtigung der individuellen Situation.

Das Aufklärungsgespräch kann auch als Einzelleistung abgerechnet werden

Laut G-BA-Beschluss soll das Screening im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung "Check-up 35" einmalig erfolgen. Schallen dürfen Hausärzte, Internisten mit und ohne Schwerpunkt, Urologen, Chirurgen und Radiologen. Für die sonografische Untersuchung der Bauchaorta benötigen Sie eine entsprechende Genehmigung Ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (Anwendungsbereich 7.1 der Ultraschallvereinbarung). Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) empfiehlt ihr DEGUM-Zertifikat der Stufe 1.

Auch wenn Sie keine Genehmigung für eine Bauchaorten-Sonografie haben oder nicht selbst schallen wollen, können Sie das Aufklärungsgespräch führen und diese Leistung separat mit den Krankenkassen abrechnen! Bei Bedarf an weiteren Abrechnungsinformationen liefern wir diese gerne nach.

Diabetes-Patienten sollten schon ab 55 Jahren gescreent werden

Wichtig bleibt festzuhalten, worauf die DEGUM bei aller Freude über die GKV-Neuerung auch noch hinweist: Die Früherkennungsuntersuchung sollte nicht nur allen Männern ab 65 Jahren zugutekommen, sondern auch

Informieren Sie Ihre Patienten darüber. Seit 2009 organisiert übrigens die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin einen bundesweiten BAA-Screeningtag. Der nächste Termin ist der 5. Mai 2018. Auf der Website der Fachgesellschaft können Poster und Flyer bestellt und Powerpoint-Präsentationen sowie ein BAA Screeningpass heruntergeladen werden.

Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.

Referenzen:
1. Wanhainen A et al. Outcome of the Swedish nationwide abdominal aortic aneurysm screening program. Circulation 2016;134(16):1141-8.