Lung Gut Cross Talk: (ungünstige) Kommunikation zwischen Lunge und Darm Logo of esanum https://www.esanum.de

Lung Gut Cross Talk: (ungünstige) Kommunikation zwischen Lunge und Darm

Welcher pathophysiologische Mechanismus wird für die Beteiligung der Lunge an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und anders herum diskutiert?

Welcher pathophysiologische Mechanismus wird für die Beteiligung der Lunge an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und anders herum diskutiert?

Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (CED) und Lungenbeteiligung wie in der Kasuistik, um die es im letzten Beitrag ging, sieht man als Pneumologe eher selten. Das hat einerseits damit zu, dass die Lunge nicht zu den bevorzugten extraintestinalen Manifestationen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehört. Aber wohl auch, dass man erstmal gar nicht auf die Idee kommt, Befunde in der Lunge und im Darm könnten etwas miteinander zu tun haben. Erst recht, wenn sich – siehe Kasuistik1 – im Darm nur ein vermeintlicher Zufallsbefund befindet und die Lungenmanifestation der CED-Symptomatik vorausgeht.

Gehäufte Koinzidenz von chronischen Atemwegserkrankungen und CED

Wenn CED-Patienten auch pulmonale Probleme haben, liegt das, wie im letzten Beitrag erwähnt, in der Mehrzahl der Fälle an der CED-Medikation. Dass es auch unabhängig davon eine erhöhte Inzidenz von Atemwegserkrankungen bei CED-Patienten gibt, wurde zum ersten Mal vor rund vier Jahrzehnten in einer Fallserie publiziert. Die Vermutung der Autoren, dass chronische Darmentzündungen als Systemerkrankungen auch mit einer Lungenbeteiligung einhergehen können, wurde in der Folgezeit bestätigt. Und es zeigte sich auch umgekehrt eine erhöhte CED-Inzidenz bei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen.

Barriere-Erkrankungen mit fehlregulierter Entzündungs- und Immunantwort

Überraschend? Eher weniger, wenn man sich die embryologisch bedingten Gemeinsamkeiten der Schleimhäute im Respirationstrakt und im Kolon anschaut. In beiden Fällen handelt es sich um Grenzgebiet zwischen außen bzw. Umwelt und dem Körperinneren und es finden sich dort jeweils Zylinderepithelien und ein stark ausgeprägtes submukosales lymphatisches System (mucosa associated lymphoid tissue, MALT).

Hier geht es um wichtige Abwehrfunktionen und immunologische Aufgaben und gleichzeitig um eine Schlüsselrolle bei der pathophysiologischen Entgleisung. Eine intakte Epithelbarriere verhindert das Vordringen von Pathogenen und Antigenen bis in die stark durchblutete Submukosa. Sowohl bei chronischen Lungenerkrankungen als auch bei CED führt dagegen eine epitheliale Barrierestörung zu chronisch entzündlichen Umbauprozessen. Zudem ist eine entzündliche bzw. immunologische Fehlregulation zu beobachten.2–4 Klinisch imponieren neben der Chronizität in beiden Krankheitsgruppen intermittierende Phasen der akuten Verschlechterung.

Lung Gut Cross Talk als Erklärungsversuch

Aufgefallen ist uns in diesem Kontext der von Keely et al geprägte Begriff "Lung Gut Cross Talk". 5,6 Damit wird postuliert, dass nicht ein einzelner Mechanismus, sondern eine Überschneidung mehrerer Komponenten für die gehäufte Koinzidenz von COPD bei CED und umgekehrt verantwortlich sein könnte, so etwa

Beim Lung Gut Cross Talk haben anscheinend auch Pilze ein Wörtchen mitzureden. Zur fungalen Dysbiose im Darm kann es beispielsweise nach einer Antibiotika-Therapie kommen, wenn spezifische Mikroorganismen, die die natürliche Widerstandskraft fördern, eliminiert werden. In bestimmten Fällen begünstigen Verschiebungen im fungalen Gleichgewicht offenbar allergische Atemwegserkrankungen.7

Fungale Dysbiose begünstigt offenbar allergische Atemwegserkrankungen

Das ist das Ergebnis von Tierversuchen: Bei Mäusen verschlimmerte die Gabe von Fluconazol die Symptome einer Hausstaubmilben-Allergie. In einer pilzfreien Umgebung trat dieser Effekt nicht auf, während die Fütterung von Mäusen mit Dysbiose-assoziierten Pilzen allergische Atemwegserkrankungen verschärfte, auch bei Tieren mit ansonsten normaler Mikroflora. Dabei spielen CX3CR1-positive mononukleären Phagozyten (MNPs) eine Rolle, die Pilze im Darm erkennen und aufnehmen können. Wie die Forscher herausfanden, war für die allergiefördernde Pilzwirkung die über die Tyrosinkinase Syk vermittelte Aktivierung von MNPs erforderlich, potenziell über ein Priming von pilzspezifischen T-Helferzellen.

Referenzen:
1. Chew MT et al. A Rare Cause of Pulmonary Nodules. Case Rep Gastroenterol 2016;10(3):633-9.eCollection 2016
2. Bernstein CN et al. The clustering of other chronic inflammatory diseases in inflammatory bowel disease: a population-based study. Gastroenterology 2005;129:827-36
3. Black H et al. Thoracic manifestations of inflammatory bowel disease. Chest 2007;131:524-32
4. Lu DG et al. Pulmonary manifestations of Crohn's disease. World J Gastroenterol 2014;20:133-41
5. Keely S, Hansbro PM. Lung-gut cross talk: a potential mechanism for intestinal dysfunction in patients with COPD. Chest 2014;145(2):199-200. doi:10.1378/chest.13-2077
6. Douschan P, Olschewski H. Wenn sich der Darm auf die Lunge schlägt. CliniCum pneumo 2017;2:18-23
7. Scanlon ST. Fungi affect gut-lung cross-talk. Science 2019;363(6423):138-9. doi:10.1126/science.363.6423.138-d