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Heute schon ein paar orale Kommensalen verschluckt?

Episodische Mikroaspirationen sind eher die Regel als die Ausnahme, was bislang als anatomischer Makel verstanden wurde. Doch laut neuesten Studiendaten könnte die Anreicherung der Lunge mit Rachenbakterien sogar einen konkreten Nutzen haben.

Episodische Mikroaspirationen sind eher die Regel als die Ausnahme, was bislang als anatomischer Makel verstanden wurde. Doch laut neuesten Studiendaten könnte die Anreicherung der Lunge mit Rachenbakterien sogar einen konkreten Nutzen haben. 

Aspirationen sind eine häufige und in diversen klinischen Settings gefürchtete Komplikation – von der Narkose-Einleitung, über die Fremdkörpererstickung bei Kindern, bis hin zur hohen Prävalenz der Aspirationspneumonie bei älteren Menschen. Daher scheint es rätselhaft, warum es die Natur solchen Ereignissen vergleichsweise einfach gemacht hat. Bei jedem Bissen Nahrung und jedem Schluck Flüssigkeit verhindert nur ein kleines Stück Gewebe (und eine ausgeklügelte Koordination der Muskulatur), dass Magen- oder Racheninhalt den falschen Weg nehmen. Ein Missgeschick der Evolution? Sollten wir uns aufgrund dieser prekären Nähe von Trachea und Ösophagus benachteiligt fühlen gegenüber Tieren wie Delphinen und Walen, die vollständig getrennte Eingänge für Luft und Nahrung haben?
Spannende Erkenntnisse einer aktuell im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine publizierten Studie lassen anderes vermuten.1,2

Hinweise auf protektiven Effekt durch ständige "Kalibrierung" des Immunsystems

Subklinische Aspiration von Racheninhalt ist ein ubiquitäres Vorkommnis, auch bei gesunden, asymptomatischen Menschen. Jüngste Untersuchungen des Mikrobioms haben bestätigt, dass die Lungen gesunder Menschen und Mäuse kontinuierlich den Bakterien der Rachenflora ausgesetzt sind, zwar in geringer Menge, aber gut mit der basalen Immunantwort des Wirts korrelierend. 

Obwohl die Existenz eines dynamischen Lungenmikrobioms mit geringer Biomasse bei Gesunden und dessen Bedeutung zunehmende Aufmerksamkeit erhalten, sind die immunologischen und klinischen Auswirkungen dieses konstanten mikrobiellen Bombardements noch wenig verstanden.

Die Autoren der aktuellen Studie fanden heraus, dass ein einzelnes Aspirationsereignis mit oralen Kommensalen bei ansonsten gesunden Mäusen schnell aus den unteren Atemwegen entfernt wird, aber eine anhaltende Th17-Antwort auslöst, die konsekutiv die Anfälligkeit für S. pneumoniae verringert (Th17: IL17 produzierende T-Helferzellen).

Tonische Aktivierung des Immunsystems durch das homöostatische Mikrobiom schützt vor Lungenentzündung

Sie verwendeten ein neuartiges murines Modell der mikrobiellen Aspiration mit humanen oralen kommensalen Bakterien. Nach Simulation subklinischer Mikroaspirationen mit nicht-pathogenen Bakterien erfassten sie die darauf folgenden Veränderungen in der Zusammensetzung des Lungenmikrobioms, der Immunantwort des Wirts und der Anfälligkeit für infektiöse Angriffe. Wie erwartet, löste die Aspiration menschlicher Kommensalen (Prevotella melaninogenica, Veillonella parvula und Streptococcus mitis) eine vorhersehbare Veränderung der Lungenmikrobiota aus, die sich nach fünf Tagen wieder zurückbildete. Dabei bemerkenswert: diese Versuchstiere waren bis zu zwei Wochen nach einer einzelnen Aspiration vor einer nachfolgenden Infektion mit S. pneumoniae geschützt.

Dass wir kein separates Blasloch auf dem Kopf besitzen, ist also möglicherweise doch ganz gut so. Wale und Delphine haben übrigens ein höheres Risiko für Pneumonien, die bei ihnen eine häufige Todesursache darstellen.
Diese Beobachtungen eröffnen spannende Fragen und spornen zu zukünftigen weiterführenden Arbeiten an. Unter anderem gilt es, die Situation am Menschen und die möglichen Effekte auf weitere Krankheitserreger zu untersuchen. "Die Menge an Unbekanntem darüber, was unsere Lunge gesund erhält und wie wir versuchen können, dies zu imitieren, fühlt sich grenzenlos an", kommentiert eine Kollegin der Forscher, die am gleichen Klinikum, dem New York University Langone Medical Center, tätig ist.3

"Diese Daten legen eine immunprotektive Rolle der episodischen Mikroaspiration von oralen Mikroben bei der Regulierung des Immunphänotyps der Lunge und der Abschwächung der Anfälligkeit des Wirts für Infektionen mit Pathogenen der unteren Atemwege nahe", resümieren die Autoren.

Referenzen:
1. Aogáin, M. M., Baker, J. M. & Dickson, R. P. On Bugs and Blowholes: Why Is Aspiration the Rule, Not the Exception? American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine (2021) doi:10.1164/rccm.202011-4257ED.
2. Wu, B. G. et al. Episodic Aspiration with Oral Commensals Induces a MyD88-dependent, Pulmonary T-Helper Cell Type 17 Response that Mitigates Susceptibility to Streptococcus pneumoniae. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine (2021) doi:10.1164/rccm.202005-1596OC.
3. shari brosnahan, md (@ShariBrosnahan) / Twitter. Twitter https://twitter.com/ShariBrosnahan