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E-Zigarette: ja oder nein?

Die E-Zigarette bekommt zunehmend Gegenwind. Zu Recht?

Die E-Zigarette bekommt zunehmend Gegenwind. Zu Recht?

Wie halten Sie es mit der E-Zigarette? Das Thema ist ein Dauerbrenner (bzw. -dampfer) und aktuell wieder voll im Fokus. Auch auf esanum gab es innerhalb der letzten sieben Tage dazu zwei Meldungen (Analyse verdeutlicht kardiovaskuläres Risiko durch E-Zigaretten; Erhöhte Herzfrequenz und beeinträchtigter Durchfluss der Oberarmarterien durch E-Zigaretten) und einen Blogbeitrag (von unserer Kollegin Dr. Sophie Christoph im Onkologie-Blog: Rauchzeichen: Änderung der Regulierung von E-Zigaretten weltweit).

Die Negativmeldungen häufen sich

Die E-Zigarette boomt, auch bei uns, gleichzeitig scheint es ihr jetzt aber an den Kragen zu gehen, wie man in den Fach- und Publikumsmedien (z. B. auf zeit.de) lesen kann: In Indien ist der Verkauf jetzt untersagt (wie in fast anderen 40 Ländern auch), die US-Gesundheitsbehörde rät vom Konsum ab, Donald Trump will die Aromen verbieten und in Deutschland darf der Hersteller Juul momentan keine neuen Kartuschen für seine E-Zigaretten ausliefern.

Ganz so eindeutig, wie die massive Negativberichterstattung es suggeriert, ist die Sachlage allerdings nicht. Die bisherigen Forschungsergebnisse sind inkonsistent und die Folgen einer chronischen E-Zigaretten-Nutzung schleierhaft. Vieles wurde noch gar nicht untersucht, zudem sind größere und längerfristige Studien zur Wirkung erforderlich, wie von Studienautoren in der Regel durchgängig betont wird.

Vermutlich "gepanschte E-Joints" für die Todesfälle verantwortlich

Auch die genaue Ursache der bislang 39 Todesfälle und über 2.000 Erkrankungen mit Lungenschäden in den USA ist noch ungeklärt. Es verdichten sich die Hinweise darauf, dass dabei Tetrahydrocannabinol-Produkte (THC) im Spiel waren und letztlich "gepanschte E-Joints" für die "vaping illness" verantwortlich sein könnten, wie es in einem Leserkommentar auf aerzteblatt.de heißt. Vom Bezug unlizensierter Produkte oder der Selbstherstellung kann natürlich nur dringend abgeraten werden. In Deutschland und Europa, wo zudem die Inhaltsstoffe und der Nikotin-Gehalt der E-Zigaretten strenger reguliert sind als in den USA, gab es bisher weder Todesfälle noch einen ähnlichen Anstieg von Lungenschä­di­gun­gen zu verzeichnen.

Beim gerichtlich gestoppten Verkauf der neuen Juul-Kartuschen in Deutschland geht es übrigens nicht um Gesundheits-, sondern um Kennzeichnungsprobleme. Der Hersteller hat das Elektroschrott-Symbol bislang nur auf den Umverpackungen und nicht auf den Kartuschen selbst aufgedruckt. Gegen die unzureichende Kennzeichnung erwirkte der Wettbewerber Niko Liquids im September eine einstweilige Verfügung. Nach Umstellung der Produktion sollten die Kartuschen ab Mitte November, also jetzt, laut Juul wieder verfügbar sein. Im Vergleich zu den gesundheitsbezogenen Problemen und Diskussionen ein eher kleines Problem für den größten US-Vaping-Spezialisten, dessen Chef seinen Posten kürzlich räumen musste. An dem Startup aus San Francisco hatte sich im Dezember vergangenen Jahres der Tabakkonzern Altria mit 35% beteiligt – für 13 Milliarden Dollar.

Komplexes Thema erfordert differenzierte Betrachtung

Die Thematik ist komplex, dazu geht es um viel Geld und konkurrierende Interessen in Wirtschaft und Politik, auch in Bezug zur Gesundheitsversorgung. Wie in der Klimadiskussion fehlt häufig der differenzierte bzw. differenzierende Blick. Abwägende Herangehensweisen wie bei einem E-Zigaretten-Kongress in Frankfurt ("Die gute und die böse E-Zigarette") findet man selten. Eher dagegen Schlagzeilen wie "E-Zigaretten können lebensgefährliche Hypersensitivitäts-Pneumonitis verursachen". Das klingt massiv.

Bei dem Ärzteblatt-Beitrag wird ein "Short Report" mit dem Originlatitel "Life-threatening hypersensitivity pneumonitis secondary to e-cigarettes"1 referiert. Dabei geht es um eine Einzelfalldarstellung. Am Ende heißt es: "Ob es sich um einen Einzelfall handelt, ist unklar. Die britischen Mediziner raten ihren Kollegen bei einer atypischen Atemwegserkrankung, an E-Zigaretten als möglichen Auslöser zu denken." Nun ja. Der Hinweis ist ja nicht verkehrt, die Pauschalisierung hat allerdings einen tendenziösen Beigeschmack, was auch in zwei Leserkommentaren kritisiert wird.

Bei diesem Thema gilt offenbar besonders, was man sich auch in anderen Bereichen zu Herzen nehmen sollte: Nicht nur die Titel wissenschaftlicher Arbeiten sind kritisch zu hinterfragen, sondern auch so manche Schlussfolgerungen der Studienautoren. Diese stimmen nämlich keineswegs immer so richtig mit den produzierten Studienergebnissen überein. Das kann man aber nur erkennen, wenn man sich die ganze Arbeit durchliest, und wer macht das schon? Selbst in Wissenschaftlerkreisen ist das offenbar nicht unbedingt gewährleistet. Angesichts begrenzter Lesedauerressourcen verzichten wir an dieser Stelle auf weitere Ausführungen dazu.

Unterschiedlich zu bewerten: die E-Zigarette als Ein-, Um- oder Ausstieg?

Stattdessen plädieren wir weiterhin (frühere Blogbeiträge: siehe unten) dafür, den Nutzen und die möglichen Gefahren der E-Zigarette differenziert zu betrachten. Es macht eben einen großen Unterschied, ob es um den Ein-, Um- oder Ausstieg geht. Auch Alter und Vorerfahrungen der Patienten bzw. Ratsuchenden spielen für die Beratung beim Umgang mit der E-Zigarette bzw. beim möglichen Abraten davon eine wichtige Rolle. Selbstverständlich ist es aus gesundheitlicher Sicht am besten, weder zu rauchen noch zu dampfen. Kein Lungenarzt wird der E-Zigarette ohne Not das Wort reden.

Auch zur Raucherentwöhnung ist die E-Zigarette nicht das erste Mittel der Wahl, da die Wirksamkeit der etablierten Methoden mit besserer Evidenz belegt ist. Unstrittig ist allerdings bislang auch, dass die konventionelle Zigarette die gefährlichere Variante des Tabakkonsums darstellt. Das Dampfen kann deshalb eine bedingt empfehlenswerte Option darstellen, wenn jemand – nach frustranen Bemühungen oder aus anderen Hinderungsgründen – auf diesem Weg den Versuch des Einstiegs in den Ausstieg probieren will. Oder aber, wenn jemand nicht vom Nikotin lassen kann bzw. will (wobei die Rückfallgefahr in Richtung der konventionellen Zigarette relativ hoch zu sein scheint).

Praxis-Website-Tipp des Monats

Wir halten es da in ähnlicher Weise wie die Kollegin Dr. Doris Jäger aus Halle, die ihr "persönliches Fazit als Lungenarzt" inklusive Erfahrungsbericht eines Patienten auf ihrer Praxis-Website veröffentlicht, zusammen mit umfangreichen und ausgewogenen Informationen und dem Ablauf des Raucherentwöhnungsabends. Unser Praxis-Website-Tipp des Monats!

Referenzen:
Nair N et al. Life-threatening hypersensitivity pneumonitis secondary to e-cigarettes. Arch Dis Child 2019. doi: 10.1136/archdischild-2019-317889