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Der Lungenpatient ist, was er isst

Der Lungenpatient ist mehr als die Summe seiner Atemwege. Auch die Ernährung verdient pneumologische Beachtung, vor allem beim Bronchialkarzinom.

Der Lungenpatient ist mehr als die Summe seiner Atemwege. Auch die Ernährung verdient pneumologische Beachtung, vor allem beim Bronchialkarzinom.

Wir behandeln immer den ganzen Menschen und nicht nur die Lunge, so viel ist sicher. Und der Mensch ist, was er isst (wer hat’s gesagt?*). Deshalb spielt für den Lungenarzt außer dem Herz unter anderem auch die Ernährung des Patienten eine nicht zu vernachlässigende Rolle. So helfen etwa Obst und Gemüse gegen COPD und Asthma (siehe Pneumologische Ernährungstherapie: Tomaten & Co).  

Das große Aber: "Kann es denn so schwer sein, der pneumologisch eingeschränkten Zielgruppe den 5-am-Tag-Gedanken zu vermitteln?" Die Frage ist berechtigt, sie stammt aus einem Leserkommentar zu dem in Klammern verlinkten Blogbeitrag vom Mai. Leider ja, schießt es einem angesichts der täglichen Praxiserfahrung reflexhaft durch den Kopf.

Gesunde Ernährung ist eine Frage der Gewohnheit ist eine Frage des Willens

Denn es geht neben der fundierten Vermittlung von Wissensinhalten vor allem um die Änderung von Gewohnheiten. Das hat auch unser Leser "arztMK" treffend analysiert. Die Änderung selbst kleiner Gewohnheiten ist allerdings oft eine überraschend große Aufgabe. Sie benötigt einen festen, um nicht zu sagen eisernen Willen. Ohne den nützt die beste Bezahlung nichts …

Diese Willensbildung bestmöglich, und nicht nur halbherzig, zu unterstützen, gehört zum ärztlichen Aufgabenspektrum, wenn nötig, auch durch Kooperation mit einer guten professionellen Ernährungsberatung. "Es ist nie zu spät" ist ein Motto, das bei der Patientenkommunikation in Sachen Ernährung und Bewegung zum Standardrepertoire gehört. Ein bisschen neue Evidenz kann für die Beratung nicht schaden. In puncto Lungenkarzinom gibt es da was zu berichten.

Viel Ballaststoffe, Joghurt und ungesättigte Fette – weniger Lungenkrebs

Die Vorteile einer ballaststoffreichen Ernährung erstrecken sich demnach nicht nur auf kardiovaskuläre Erkrankungen und Darmkrebs, sondern reduzieren auch das Tumorrisiko in der Lunge. Für die in JAMA Oncology publizierte Analyse1 einer internationalen Autorengruppe wurden Studiendaten aus zehn prospektiven Kohorten mit insgesamt über 1,4 Millionen Personen aus den USA, Europa und Asien ausgewertet. Dabei zeigte sich für den Verzehr von Ballaststoffen und Joghurt jeweils ein inverser Zusammenhang mit dem Lungenkrebsrisiko, unabhängig von Raucherstatus, Geschlecht, Tumorhistologie und anderen Faktoren.

Für die Studienpopulation mit der Kombination aus hohem Joghurt- und Ballaststoffkonsum errechneten die Wissenschaftler ein um mehr als 30% reduziertes Lungenkrebsrisiko im Vergleich zu einem joghurtfreien und ballaststoffarmen Speiseplan (Hazard Ratio 0,67 in der Gesamtpopulation und 0,69 bei Nichtrauchern). Das Ergebnis spricht für protektive und potenziell synergistische Effekte von Präbiotika und Probiotika hinsichtlich der Krebsvermeidung (auch) in der Lunge. Also für eine positive Variante des Lung Gut Cross Talk.

Details zur Art des Joghurts und der Ballaststoffe wurden leider nicht gemacht und eventuelle Verzerrungen, u. a. durch andere Lebensmittel oder Lebensstilfaktoren, können freilich auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Total überraschend ist es allerdings nicht, wenn eine seit längerer Zeit propagierte Ernährungsempfehlung auf diese Weise bekräftigt wird.

Mit Blick auf den Fettkonsum wurde derselbe Datenpool übrigens auch schon analysiert, die Publikation2 erfolgte vor zwei Jahren. Laut den Autoren lässt sich vermutlich auch durch Umstellung des Fettverzehrs (von gesättigten auf mehrfach ungesättigte Fette) das Lungenkrebsrisiko mindern, besonders bei Rauchern und bezüglich Plattenepithel- und kleinzelligen Karzinomen.

Onkologische Ernährungsmedizin für die Präventions-, Therapie- und Palliativphase

Präventive Ernährungsberatung ist die eine, onkologische Ernährungsmedizin die andere Baustelle. Die Ausrichtung der Ernährung von Tumorpatienten kann und sollte man nach Präventions-, Therapie- und Palliativphase unterscheiden (z. B. hier knapp skizziert). Das protektive Potenzial einer gesunden Ernährungsweise ist ja nicht nur für die Vermeidung von (Lungen-) Krebs von Bedeutung, sondern auch für die Rezidivprophylaxe und die prognoserelevanten Rahmenbedingungen. Im gleichen Atemzug sind dabei natürlich die körperliche Bewegung und der Tabakverzicht zu nennen, während es für Nahrungsergänzungsmittel ohne medizinische Indikation keine evidenzbasierte Empfehlung gibt.

Laut Deutscher Krebsgesellschaft ist "etwa die Hälfte aller Krebspatienten" von Mangelernährung und  Tumorkachexie betroffen, bei kleinzelligem Lungenkrebs "oft sogar noch mehr". In einem Positionspapier (PDF-Link) mahnte die Fachgesellschaft 2016 zusammen mit anderen Verbänden und Organisationen die flächendeckende Sicherstellung einer adäquaten Ernährung von onkologischen Patienten in Deutschland an. Dass es sowohl krankheits- als auch therapiebedingt zu Problemen kommt, dürfte klar sein. Ebenso, dass eine bedarfsgerechte Ernährungsberatung und -versorgung von Krebspatienten deren Lebensqualität und -erwartung erhöht und den Therapieerfolg unterstützt. Dennoch sterben "20–30 Prozent aller onkologischen Patienten an den Folgen einer Mangelernährung und nicht aufgrund ihrer Krebserkrankung".3

Bis zu ein Drittel der Patienten stirbt nicht am Krebs, sondern an Mangelernährung

Eine besondere Bedeutung kommt der genauen Differenzierung von Mangelernährung, Anorexie und Kachexie im  Rahmen  der  Krebserkrankung  bzw. -therapie zu. Dabei darf man sich nicht nur auf untergewichtige Patienten fokussieren, da auch bei  Übergewichtigen oder Adipösen nicht selten eine Mangelernährung vorliegt. Sie kann einzelne oder mehrere Makro­ und Mikronährstoffe betreffen und medizinische sowie prognostische Folgen zeitigen.4 Als Basis und Orientierung für die Diagnostik und Ernährungstherapie bei mangelernährten Tumorpatienten dienen die Leitlinien der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN)5.

Auch in den onkologischen Leitlinien findet das Thema zunehmend Beachtung. Was die deutschen Leitlinien zum Lungenkarzinom anbelangt, ist da allerdings noch deutlich Luft nach oben. Wir schauen abschließend kurz in die S3-Leitlinie6:

"Durch eine wissenschaftlich fundierte Ernährungsberatung, die sich individuell an den Beschwerden und Bedürfnissen der Betroffenen orientiert, krankheits- oder therapiebedingte Defizite an Nährstoffen berücksichtigt und gegebenenfalls ernährungstherapeutisch tätig wird, kann die Hoffnung der Betroffenen, mit diätetischen Maßnahmen positiv auf den Krankheitsverlauf einzuwirken, auf gesicherte Empfehlungen und Maßnahmen gerichtet und so die Anwendung unausgewogener Krebsdiäten und Einnahme nicht erforderlicher Nahrungsergänzungsmittel vermieden werden."

*Ludwig Feuerbach (1804–1872), nachzulesen im sehr interessanten Original (-kontext) z. B. hier.

Referenzen:
1. Yang JJ et al. Association of Dietary Fiber and Yogurt Consumption With Lung Cancer Risk: A Pooled Analysis. JAMA Oncol 2019. doi:10.1001/jamaoncol.2019.4107
2. Yang JJ et al. Dietary Fat Intake and Lung Cancer Risk: A Pooled Analysis. J Clin Oncol 2017;35(26):3055-64
3. Hübner J. Ernährungsversorgung von Krebspatienten: Zugang muss sichergestellt werden. Dtsch Arztebl 2016;113(25):A-1216
4. Erickson N et al. Mangelernährung in der Onkologie. Ursachen, Folgen und Bedeutung der Ernährungstherapie. Ernährungs Umschau 2018;M686-94
5. Arends J et al. ESPEN guidelines on nutrition in cancer patients. Clin Nutr 2017;36:11-48
6. S3-Leitlinie Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms. Langversion 1.0 – Februar 2018. AWMF-Registernummer:020/007O